Heftroman der

Woche

Download-Tipp

Der Welt-Detektiv Band 6

Neueste Kommentare
Archive
Folgt uns auch auf

Die wundersamen Märlein vom Berggeist Rübezahl – 16. Kapitel

Heinrich Döring
Die wundersamen Märlein vom Berggeist Rübezahl
Verlag C. F. Schmidt, Leipzig, ca. 1840

Sechzehntes Kapitel

Wie Rübezahl den armen Bendix aus seinem Kerker rettete

Vor der Pforte des Kerkers, dessen Wände den armen Bendix umschlossen, stand Rübezahl, auf Mittel und Wege sinnend, wie er, ohne eben großes Aufsehen zu erregen, den Gefangenen vor dem Tod am Galgen retten könnte. Als er nun den Geistlichen, der dem reuigen Sünder Trost und Mut zugesprochen hatte, aus des Kerkers Pforte heraustreten sah, da fiel ihm, dem Berggeist, ein, als dessen Doppelgänger in das Gefängnis zurückzueilen. So geschah es, dass die Wachen, durch die ihnen bekannte Gestalt getäuscht, ihm den Eintritt nicht verweigerten. Sein Blick fiel sogleich auf den bleichen Bendix, der vor Unruhe und Erschöpfung auf seinem ärmlichen Strohlager eingeschlummert war.

Erschrocken fuhr er aus beunruhigenden Träumen empor und rief mit einem herzzerschneidenden Jammerton: »So ist denn gar keine Rettung?«

»Die bringe ich«, entgegnete Rübezahl. »Ich habe mich von deiner Unschuld überzeugt und will dich retten.«

So sprechend, warf er sein Priestergewand ab und reichte es dem erfreuten Bendix mit den Worten: »Hülle dich in das Kleid, drücke den Hut tief über die Augen und schreite ruhig, mit abgemessenem Schritt zum Kerker hinaus und durch die Straßen. Hast du aber das Stadttor hinter dir und bist auf freiem Feld, so laufe, was du kannst, zum Dorf Wiesenhain und klopfe dreimal an Marias Fenster. Sie harrt deiner und wird dich freundlich empfangen. Lass dir aber raten und verlasse schnell eine Gegend, wo du vor geheimen Kundschaftern nicht sicher bist, die dich aufspüren und wieder in deinen Kerker zurückführen wollen. Ich könnte dich dann nicht mehr retten. Doch noch eins! Da hast du ein Fläschlein edlen Weins, der dich auf deinem Weg stärken wird, und hier noch etwas zur Zehrung.»

So sprechend, steckte Rübezahl dem erstaunten Bendix, der gar nicht wusste, ob er wache oder träume, eine schöne geräucherte Wurst in die Tasche.

Es geschah aber, dass Bendix, nach seiner geliebten Maria sich sehnend, seine Schritte zu ihrer Wohnung beschleunigte und darüber Hunger und Durst vergaß. Da erst, als er freudetrunken die Geliebte an sein klopfendes Herz gedrückt und ihr erzählt und wieder erzählt hatte, wie es ihm so wundersam ergangen war, erinnerte ihn ungestüm sein Magen, dass er so gut wie nichts genossen hatte. Als er sich nun aber der Wurst erinnerte, die ihm der wackere Geistliche gab, und sie entzweibrach, glänzte ihm eine Menge Dukaten entgegen, mit scharfem Rand und von dem schönsten Gepräge. Dabei lag aber von dem Berggeist, mit seinem bekannten Spottnamen selbst unterzeichnet, ein kleiner Zettel, die freundliche Bitte enthaltend, jene Dukaten als Entschädigung für die ausgestandene Angst anzunehmen.

Mit Freudentränen und unter manchen Ausrufungen des Danke verließen die Liebenden, Rübezahls wohlgemeinten Rat befolgend, sofort ihre Heimat und wechselten sie mit dem sächsischen Städtchen Pirna.