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Der Welt-Detektiv Band 6

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Die Virginier Erster Band – 3. Kapitel

William Makepeace Thackeray
Die Virginier
Erster Band
Wurzen, Verlags-Kontor, 1858
3. Kapitel
Die Esmonds in Virginia

Henry Esmond, Esquire, ein Offizier, der in den Kriegen der Königin Anna im Rang eines Obersten gedient hatte, fand sich am Ende ihrer Regierungszeit bloßgestellt durch ge­wisse Intrigen mit dem Ziel, die Familie der Königin wieder auf den Thron zu setzen. Zu ihrem eigenen Glück zog die Nation ein anderes Herrschergeschlecht vor, aber einige der wenigen Gegner des Hauses Hannover nahmen außerhalb der Grenzen der drei Königreiche Zuflucht, und unter anderen wurde auch Oberst Esmond von seinen Freunden geraten, außer Landes zu gehen. Da Mr. Esmond aufrichtig bedauerte, dass er jene Partei ergriffen, und da der erlauchte Fürst, der in England zur Regierung kam, der versöhnlichste Souverän war, fanden die Freunde des Obersten sehr bald Mittel und Wege, Frieden für ihn zu erwirken.

Mr. Esmond, wie berichtet, gehörte zu der englischen Adels­familie, die ihren Titel von Castlewood in der Grafschaft Hants herleitet; und es war ganz allgemein bekannt, dass König Jakob II. und sein Sohn dem Obersten Esmond wie seinem Vater den Rang eines Marquis angeboten hatten, und dass der Oberst die Würde eines Peer (von Irland) – in seinem Geschlechte erblich – nur wegen eines Formfehlers entbehrte, den er nicht hatte berichtigen wollen. Der poli­tischen Streitigkeiten überdrüssig, in die er verwickelt worden war, und von Familienangelegenheiten in Europa gequält, zog er es vor, sich in Virginia niederzulassen. Er nahm dort große Ländereien in Besitz, die König Karl I. seinem Ahnherrn übertragen hatte. Hier wurden Mr. Es­monds Tochter und seine Enkelsöhne geboren, und hier starb auch seine Frau. Sie war Witwe gewesen, als sie ihn heiratete, in erster Ehe mit einem Verwandten des Obersten vermählt, dem unglücklichen Viscount Castlewood, der am Ende der Regierung König Wilhelms von Lord Mohun im Duell getötet wurde.

Mr. Esmond nannte sein Haus in Amerika Castlewood, nach dem väterlichen Heim im alten Land. Tatsächlich wurden in Virginia alle Bräuche liebevoll den englischen Gewohn­heiten nachgebildet. Es war eine loyale Kolonie. Die Vir­ginier rühmten sich, dass Karl II. in ihrem Land eher König gewesen sei als in England. Der englische König und die englische Kirche wurden dort mit gleicher Treue verehrt. Die Gebildeten und Besitzenden waren mit guten englischen Geschlechtern verwandt. Sie rümpften die Nase über die holländischen Händler aus New York und die geldmachen­den Rundköpfe aus Pennsylvania und Neuengland. Nie waren Leute weniger republikanisch als die Bewohner dieser großen Provinz, die doch bald in dem denkwürdigen Aufstand gegen die Krone Britanniens allen voran gehen sollte.

Die Kavaliere Virginias lebten auf ihren großen Ländereien fast nach Art der Erzväter. Jedes Gut hatte für den primi­tiven Ackerbau eine Vielzahl von Arbeitern zur Verfügung – gekaufte und gedungene Dienstleute –, die dem Befehl des Herrn unterstanden. Das Land gewährte ihnen Nahrung, Vieh und Wild. Die großen Flüsse wimmelten von Fischen für den Fang. Die Schifffahrt von den Küsten nach der Hei­mat war unbehindert. Ihre Segler verluden den Tabak auf ihren privaten Werften am Ufer des Potomac oder James River und schafften ihn nach London oder Bristol; sie brach­ten englische Waren und Artikel des heimischen Gewerbe­fleißes im Austausch für das einzige Produkt, das der Guts­besitzer in Virginia anzubauen beliebte. Die Gastlichkeit war grenzenlos. Kein Fremder wurde je von der Pforte gewiesen. Die Kavaliere besuchten sich gegenseitig und bewirteten einander in einem fast feudalen Stil. Die Frage der Sklaverei war zu jener Zeit, von der wir schreiben, noch nicht aufgerollt. Schwarze Diener zu besitzen, verletzte keines virginischen Herrn Gefühle, und tatsächlich wurde die Herrschaft über die Farbigen im Allgemeinen nicht bar­barisch geübt. Nahrung gab es in Fülle; die armen Schwarzen arbeiteten lässig und waren nicht unglücklich. Hätte man Madame Esmond die Negerbefreiung predigen wollen, es wäre ihr erschienen, als ob sie die Pferde aus den Ställen freilassen sollte, denn sie zweifelte nicht daran, dass Futter­sack und Peitsche beiden guttäten. Ihr Vater mag darüber anders gedacht haben, da er in vielen Dingen skeptische Ansichten vertrat; doch gingen seine Zweifel nicht bis zu tätigem Widerstand, und er war mehr unzufrieden als rebellisch. Zu einer gewissen Zeit hatte dieser Herr am politischen Leben der alten Heimat teil­genommen und würde wahrscheinlich gern auch die Ehren dafür empfangen haben, aber in späteren Tagen schien er sich nicht mehr um sie zu kümmern. In seinem Leben war irgendetwas geschehen, das einen Schatten von Melancholie über sein ganzes Dasein warf. Er war nicht unglücklich, sehr freundlich zu seiner Umgebung, sehr liebevoll, ja selbst füg­sam gegen die Frauen seiner Familie, denen er kaum je widersprach. Aber sein Herz hatte irgendeine Niederlage erlitten, die seine Seele nie verwand. Er ergab sich eher in das Leben, als dass er es genoss, und war nie besserer Stim­mung als in seinen letzten Stunden.

Nach dem Verlust seiner Frau lenkte seine Tochter den Obersten samt seinen Angelegenheiten, und er gab sie mit voller Zustimmung in ihre Obhut. Sofern er nur seine Bücher und seine Ruhe hatte, kümmerte er sich um nichts anderes. Wenn Gesellschaft nach Castlewood kam, unterhielt er sie ausgezeichnet, in sehr vergnüglicher, sarkastischer Laune; aber er war nicht im Geringsten traurig, wenn die Gäste gingen.

»Meine Liebe, es wird mir nicht leidtun, wenn ich endgültig gehen muss«, sagte er zu seiner Tochter, »und selbst du, die Liebevollste aller Töchter, wirst dich nach einer Weile trösten. Warum sollte ich, in meinem Alter, romantisch sein? Du kannst es, du bist noch ein junges Geschöpf.« Es war jedoch nicht ganz seine wahre Meinung, denn die Dame, zu der er sprach, war eine praktische kleine Person mit sehr wenig Romantik in ihrem Wesen.

Nach fünfzehn Jahren der Residenz auf seinem großen Be­sitz in Virginia waren die Geschäfte des würdigen Besitzers so wohl gediehen, dass er in bestimmte Absichten seiner Tochter willigte. Er war zufrieden gewesen, in einem schlich­ten Holzbau zu leben; sie aber plante, ein viel größeres und dauerhafteres Haus zu errichten, damit seine Erben doch einen Wohnsitz hätten, der ihrem edlen Namen gebührte. Mehrere Nachbarn der Madame Warrington hatten sich hübsche Häuser gebaut; vielleicht war es ihr Ehrgeiz, einen höheren Rang im Land einzunehmen, der ihr dies Ver­langen nach einem schöneren Heim eingab. Oberst Esmond von Castlewood kümmerte sich weder um Wohnsitz noch Wappen, aber seine Tochter hatte eine sehr hohe Meinung von den Verdiensten und der Altehrwürdigkeit ihres Stamm­baumes. Und ihr Vater, der in den heiteren Jahren gegen sein Ende hin außerordentlich friedlich und gutmütig wurde, ließ sich die Eigentümlichkeiten seiner Tochter in einer leicht spöttischen Art gefallen – ja, er unterstützte sie durch seine nicht unbeträchtliche Kenntnis des Altertums und seine hervorragende Fertigkeit in der Kunst des Malens. Zu jener Zeit gehörte die Wappenkunde zur Ausbildung der meisten adligen Damen und Herren, und während ihres Be­suches in Europa hatte Miss Esmond eifrig Geschichte und Herkunft der Familie studiert. Sie kehrte mit einem Packen von Familiendokumenten nach Virginia zurück, auf die sie sich ernsthaft und mit blinder Gläubigkeit verließ; außer­dem mit den erbaulichsten Werken dieser adligen Wissen­schaft, die damals in Frankreich und England erschienen waren. Die Bücher bewiesen zu ihrer völligen Genugtuung, dass die Esmonds nicht nur von den edlen Normannen­kriegern abstammten, die mit ihrem siegreichen Anführer nach England kamen, sondern auch von eingeborenen Eng­ländern königlicher Würde. Und zwei großartige Stamm­bäume, kundig von der Hand des Obersten gemalt, stellten nun den Ursprung der Familie dar: einerseits von Kaiser Karl dem Großen, der im Plattenpanzer, mit kaiserlichem Mantel und Diadem gezeichnet war, und andererseits von der Königin Boadicea; der Oberst bestand darauf, sie in dem leichten Kostüm einer britannischen Königin zu malen, eine liebliche, ebenmäßige Gestalt mit einem sehr knappen Pelzumhang und geschmackvollen Tätowierungen in leuchtendblauer Farbe sowie einer verschwenderisch vergoldeten Krone. Aus diesen zwei erlauchten Wurzeln spross der Familienbaum, bis er sich im 13. Jahrhundert irgendwo in der Person jenes glückhaften Esmond ver­einigte, der behauptete, von beiden abzustammen.

Von der Familie Warrington, in die sie geheiratet hatte, hielt die gute Madame Rachel nur sehr wenig. Sie schrieb sich Esmond Warrington, wurde aber allgemein Madame Esmond von Castlewood genannt, als sie nach ihres Vaters Ableben zur Herrschaft über den Besitz gelangte. Es steht sogar zu fürchten, dass Streitigkeiten um den Vorrang in der Gesellschaft der Kolonie gelegentlich ihre Laune störten; denn obwohl ihr Vater sein Marquis-Patent von König Jakob abgelehnt und verbrannt hatte, pflegte sie häufig zu verfahren, als ob jenes Dokument vorhanden und in voller Kraft wäre. Sie hielt die englischen Esmonds für minder würdig als ihre eigene Linie, und was die koloniale Aristo­kratie betraf, so hatte sie keine Bedenken, ihre Erhabenheit über sie insgesamt laut zu verfechten. Daher gab es, wie wir aus ihren Notizen ersehen, Zwistigkeiten und böse Worte bei den Empfängen des Gouverneurs in Jamestown, ja sogar ein paar Raufereien.

Warum die Erinnerung an diese Händel auffrischen? Sind die daran beteiligten Personen nicht längst aus dem Bereich allen Streites, und hat die Republik diesen gesellschaftlichen Ungleichheiten nicht ein Ende gemacht? Doch vor der Unab­hängigkeitserklärung war kein Land der Welt aristokra­tischer als Virginia; so wurden die Virginier, deren Ge­schichte wir erzählen, in höchster Achtung vor der englischen Staatsordnung erzogen, und der rechtmäßige König hatte keine treueren kleinen Untertanen als die Zwillinge von Castlewood. Als der Großvater der Jungen starb, erklärte ihre Mutter mit großer Feierlichkeit den ältesten Sohn George zu ihrem Nachfolger und Erben des Besitztums; Harry, der um eine halbe Stunde jüngere, wurde stets ermahnt, seinen älteren Bruder zu respektieren. So war auch dem ganzen Gesinde eingeschärft worden, ihm Ehre zu erweisen: der großen und vergnügten Sippschaft der Neger und der aus Europa gemieteten Dienerschaft, deren Los so erträglich war, wie es unter der Regierung der Herrin von Castlewood sein konnte. In dem ganzen Hauswesen gab es kaum einen Rebel­len außer Mrs. Esmonds treuer Freundin und Gesellschafterin, Madam Mountain, und Harrys Amme, einer ergebenen Negerin, der man niemals klar machen konnte, warum ihr Kind nicht der Erste sein sollte, da er doch, wie sie schwor, hübscher, kräftiger und klüger sei als sein Bruder; obwohl es in Wirklichkeit kaum irgendwelchen Unterschied in Ge­stalt, Stärke oder Schönheit der Zwillinge gab. In ihren Anlagen waren sie in vielen Punkten außerordentlich ungleich, aber die Gesichtszüge ähnelten einander so sehr, dass es schwierig war, sie zu unterscheiden, außer durch die Haarfarbe. Wenn sie im Bett lagen und jene riesigen, bebänderten Nachtmützen auf dem Kopf hatten, die unsere großen und kleinen Vorfahren trugen, konnte nur eine Mutter oder Kinderfrau die beiden auseinanderhalten.

Dennoch, wie ähnlich auch von Gestalt, sagten wir doch schon, dass sie sich im Temperament unterschieden. Der Ältere war friedlich, wissbegierig und besinnlich, der Jüngere dagegen laut und kriegerisch. Er lernte schnell, sobald er einmal begann, aber er kam nur sehr langsam zu solchem Beginnen. Keine Drohung mit der Rute konnte Harry in einer faulen Laune zum Lernen veranlassen, oder George daran hindern, seinem Bruder bei der Lektion zu helfen. Harry hatte stark militärische Neigungen, drillte die kleinen Neger auf dem Gut und prügelte sie wie ein Korporal, focht viele gute Boxkämpfe mit ihnen aus und trug es nie nach, wenn er den Kürzeren zog; während George Schläge vermied und jedem in seiner Umgebung sanftmütig begegnete. Wie es in allen Familien Brauch war, hatte jeder der Jungen einen besonders für ihn bestimmten kleinen Diener; und es war allgemein bekannt, dass George, als er seinen kleinen Mohren auf seines Herrn Bett schlafend antraf, sich daneben setzte und dem Kind mit einem Federfächer die Fliegen abwehrte – zum Entsetzen vom alten Gumbo, dem Vater des Kindes, der seinen jungen Herrn auf diese Art beschäf­tigt fand, und zur Entrüstung von Madame Esmond, die den kleinen Neger abkommandierte, damit er seine Tracht Prügel von dem dazu bestimmten Beamten empfinge. Ver­gebens bat und beschwor George, – ja, brach in leidenschaftliche Tränen aus und erflehte eine Milderung des Urteils. Seine Mutter war unbeugsam hinsichtlich der Strafe für den jungen Aufrührer, und der kleine Neger zog ab und bat seinen jungen Herrn, nicht zu weinen.

Ein wilder Streit zwischen Mutter und Kind entstand aus diesem Vorfall. Ihr Sohn wollte sich nicht beruhigen lassen. Er sagte, die Bestrafung sei eine Schande – ja, eine Schande; er sei der Herr des Jungen und niemand – auch seine Mutter nicht – hätte ein Recht, ihn anzurühren; sie könnte ihn selbst züchtigen lassen, und er würde die Strafe dulden, wie er und Harry es oft getan, aber niemand dürfte Hand an seinen kleinen Diener legen. Zitternd vor leidenschaftlicher Empörung gegen das, was er die Ungerechtigkeit des Ver­fahrens nannte, stieß er tatsächlich einen Fluch aus, was seine liebe Mutter und Herrin, die solche Sprache von dem gewöhnlich sanften Kind nie zuvor gehört hatte, tief ver­letzte. Er schwor, dass er Gumbo frei lassen würde, sobald er mündig würde. Und er ging, um das Kind in den Sklaven­hütten zu besuchen und schenkte ihm eins seiner eigenen Spielzeuge.

Der junge schwarze Märtyrer war eine freche, faule und dreiste kleine Persönlichkeit, dem eine Tracht Schläge nichts schaden konnte – so dachte ohne Zweifel der Oberst, denn er stimmte der Bestrafung des Kindes zu, da Madame Esmond darauf bestand. Und er lachte nur in seiner lau­nigen Art, als sein entrüsteter Enkelsohn ausrief: »Groß­papa, Ihr lasst Euch in allen Dingen von Mama regieren!« »Ja gewiss, das tu ich«, erwiderte Großpapa. »Rachel, meine Liebe, es ist so offensichtlich, wie sehr ich unter Weiberherr­schaft bin, dass sogar dieses Baby es gemerkt hat.«

»Warum steht Ihr dann nicht dagegen auf wie ein Mann?«, fragte der kleine Harry, der immer bereit war, seinen Bruder zu unterstützen.

Großpapa sah wunderlich drein.

»Weil ich am liebsten sitze, mein Kind«, sagte er. »Ich bin ein alter Herr, und Stehen ermüdet mich.«

Wegen einer gewissen possierlichen Drolligkeit und Laune, die sich bei dem Jungen zeigte, und seiner Neigung für einige der Studien des alten Mannes war George des Groß­vaters Liebling und Gesellschafter und pflegte dem alten Herrn sein ganzes Kinderherz plaudernd und lachend aus­zuschütten, während der Jüngere ihm selten etwas zu sagen hatte. George war ein nachdenklicher, lernbegieriger Junge, und sein Wesen schien gerade im Studierzimmer aufzuleuchten, wo sein Bruder stets so trübsinnig wurde. Er kannte die Bücher, fast ehe er eins tragen konnte, und las darin, lange bevor er sie verstand. Harry dagegen war in den Ställen oder im Wald ganz in seinem Element, eifrig auf jeden Jagd­zug und Fischfang aus, und versprach schon in sehr frühen Jahren, ein guter Sportsmann zu werden. Einmal, als die Jungen noch Kinder waren und ihres Großvaters Schiff nach Europa segelte, wurden sie gefragt, welche Geschenke ihnen Kapitän Franks mitbringen sollte. George konnte sich zwischen Büchern und einer Geige nicht recht entscheiden, aber Harry entschloss sich augenblicklich für eine kleine Flinte. Und Madame Warrington – wie sie damals noch genannt wurde – war verletzt, dass ihr Ältester so niedere Neigungen zeigte. Sie zollte der Wahl des Jüngeren Beifall, die ihr seines Namens und Stammbaums würdiger schien.

»Bücher, Papa, kann ich mir noch als eine gute Wahl vorstellen«, erwiderte sie ihrem Vater, der sie zu überzeugen suchte, dass George ein Recht auf seine Meinung hätte, »obwohl ich sicher hin, ihr müsst schon fast alle Bücher besitzen, die es auf der Welt gibt. Aber ich kann niemals wünschen – ich mag im Unrecht sein – aber ich kann es nie wünschen, dass mein Sohn, der Enkel des Marquis von Esmond, ein Fiedler wird.«

»Unsinn, meine Liebe«, antwortete der alte Oberst. »Erinnere dich, dass die Wege des Himmels nicht unsere sind, und dass jedes Geschöpf ein eigenes kleines Königreich des Geistes hat, in das einzubrechen Sünde von uns ist. Angenommen, George liebt Musik? Du kannst ihn so wenig daran hindern, wie du der Rose befehlen kannst, nicht zu duften oder dem Vogel, nicht zu singen.«

»Dem Vogel! Ein Vogel singt von Natur, George ist aber nicht mit einer Fiedel in der Hand zur Welt gekommen«, sagte Mrs. Warrington, den Kopf zurückwerfend. »Ich weiß, dass ich das Spinett hasste, als ich ein junges Ding auf der Schule in Kensington war, und ich lernte nur meiner Mama zuliebe spielen. Sagt, was Ihr wollt, Sir, ich kann nicht glauben, dass dieses Fiedeln für Leute von Stand passend ist.«

»Und König David, der die Harfe spielte, meine Teure?«

»Ich wünschte, mein Papa würde ihn mehr lesen, statt in solcher Art von ihm zu sprechen«, antwortete Mrs. Warrington streng.

»Ja, meine Liehe, ich habe ihn doch nur als Beispiel angeführt«, erwiderte der Vater sanftmütig. Wie Oberst Esmond in seiner eigenen Biografie gesteht, lag es in seinem Wesen, sich stets von einer Frau lenken zu lassen, und als seine Frau tot war, umschmeichelte, hätschelte und verwöhnte er seine Tochter. Er lachte wohl über ihre Wunderlichkeiten, duldete sie aber, er spottete über ihre Vorurteile, ließ sie aber gewähren; er gab der natürlichen Herrschsucht ihres Charakters nach und verstärkte sie vielleicht, denn er glaubte, dass wir Anlagen nicht durch unsere Einmischung ändern können, und dass wir unsere Kinder nur zu Heuch­lern erziehen, wenn wir ihnen zu viel befehlen.

Endlich kam die Zeit, da Mr. Esmond die Geschäfte dieses Lebens beschließen sollte, und er legte sie so heiter nieder, als ob er der Last gern ledig würde. Wir wollen zu Beginn einer Geschichte nicht die Sterbeglocken läuten oder sie mit einem Begräbnissermon einleiten. Alle, die jene Predigt hörten oder lasen, wunderten sich, woher Pfarrer Broadbent aus Jamestown die Beredsamkeit hatte und das Latein, mit dem sie geschmückt war. Vielleicht wusste es Mr. Dempster, der schottische Hauslehrer der beiden Knaben, der die Kor­rekturbogen der Rede las; denn sie wurde auf Wunsch Seiner Exzellenz des Gouverneurs und vieler Standespersonen bei Mr. Franklin in Philadelphia gedruckt. Nie hatte man jemals ein so prunkvolles Leichenbegängnis im Land gesehen wie jenes, das Madame Esmond für ihren Vater veranstaltete, und er wäre der Erste gewesen, über diesen pomphaften Kummer zu lächeln. Die kleinen Burschen von Castlewood, fast erstickt unter schwarzen Gewändern und Hutbändern, führten den Trauerzug an, und ihnen folgten Mylord Fair­fax von Greenway Court, Seine Exzellenz der Gouverneur von Virginia (in seiner Kutsche), die Randolphs, die Careys, die Harrisons, die Washingtons und viele andere. Denn das ganze Land schätzte den dahingegangenen Gentleman, dessen Güte und hohe Begabung, dessen Wohlwollen und vornehm zurückhaltende Lebensart ihm die gerechte Achtung seiner Nachbarn erworben hatten. Als sie von dem Ereignis erfuhr, erbot sich die Familie von Oberst Esmonds Stiefsohn Lord Castlewood aus Hampshire in England, den Marmor zu bezahlen, der die Namen und Tugenden von Seiner Lordschaft Mutter und ihrem Gemahl aufzählte. Und nach entsprechender Vorbereitung wurde das Denkmal errichtet, gestützt von einer Gruppe pausbäckiger, weinen­der, kleiner Cherubim. Es zeigte Wappen und Adelskrone der Esmonds und eine Grabschrift, die ausnahmsweise keine Lügen enthielt.