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Die wundersamen Märlein vom Berggeist Rübezahl – 5. Kapitel

Heinrich Döring
Die wundersamen Märlein vom Berggeist Rübezahl
Verlag C. F. Schmidt, Leipzig, ca. 1840

Fünftes Kapitel

Wie Peter vergebens Hilfe bei seinen reichen Vettern sucht, und wie es ihm weiter erging

Als nun Peter müde und erschöpft in dem Dorf, wo die reichen Vettern wohnten, ankam, hätte er sich gern zuvor in der Schenke durch ein Schlücklein gestärkt. Aber seine Taschen waren und blieben leer. Er mochte sie umwenden, wie er wollte. Da ging er denn mit schweren Herzen zu seinen Vettern. Es wollte ihm jedoch bedünken, als werde er von ihnen mit leerer Hand heimgesendet werden.

Und so geschah es auch.

Er wurde zwar höflich empfangen, erhielt jedoch, als er seine Bitte schüchtern vortrug, unter allerlei leeren Aus­flüchten eine abschlägige Antwort. So ging es ihm bei den meisten seiner Verwandten.

Einer aber, der reichste und bartherzigste, schalt ihn obendrein einen schlechten Wirt, der das seine vertan hatte, und wies ihm die Tür, ihm noch aus dem Fenster nachrufend, sich nie wieder blicken zu lassen, denn einer Familie wie die seine, solches Lumpengesindel, müssten sich achtbare Leute mit Recht schämen.

»Das sind böse, garstige Menschen!«, sprach ein ärmlich gekleideter Mann, der Peter, als er enttäuscht aus dem Dorf eilte, am Arm ergriff. »Kommt zu mir in meine Hütte. Ich bin zwar arm und kann Euch nicht viel geben; aber nehmt vorlieb mit dem guten Willen. Ruht aus und erquickt Euch; Ihr scheint es nach Eurem bleichen Aussehen wohl nötig zu haben.«

Es war aber niemand anders, als der Hirt des Dorfs, Niklas geheißen, der einen Bissen Brot und dazu einen Schluck Branntwein freundlich mit dem armen Peter teilte.

Der war aber nicht zu bewegen, länger in der Hütte zu verweilen und der Ruhe zu pflegen, obwohl er derselben wohl bedürftig war. Er drückte dem wackeren Niklas die Hand und machte sich schnell auf den Heimweg.

Als er nun den Gipfel der Riefenkoppe erreicht hatte, da sank er vor Frost und Erschöpfung halb ohnmächtig unter einer holzstämmigen Tanne nieder und brach in laute Klagen über die Lieblosigkeit und Härte der Menschen aus. Es war ihm, als müsste er vor Jammer und Wehmut vergehen, als er daran dachte, nun wieder zu seiner Frau und seinen Kindern zu kommen, nicht imstande, ihnen die geringste Labung darbringen zu können. Er versank darüber in ein dumpfes Hinbrüten.

Plötzlich sprang er auf und rief: »Noch gibt es ein Mittel. Vergebens suchte ich Hilfe bei den Menschen und fand kein Erbarmen in meiner grenzenlosen Not. Wie wäre es, wenn ich den mächtigen Berggeist anflehte, der hier hausen solle in diesen Gebirgen. Er soll zwar böse sein und launisch, aber man rühmt doch auch seine Großmut und Milde. Ich will ihn rufen.«

So sprechend schrie Peter unter Zittern und Zagen so laut, wie er konnte.

»Rübezahl! Herr Rübezahl!« Im selben Augenblick sank er jedoch, erfasst von einem gewaltigen Windstoß, besinnungslos zu Boden.