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Deutsche Märchen und Sagen 161

Johannes Wilhelm Wolf
Deutsche Märchen und Sagen
Leipzig, F. A. Brockhaus, 1845

209. Die Jungfrau auf der Ziege

In der Gegend von Wetteren sah man häufig eine sonderbare Erscheinung, sowohl am hellen Tag als auch in der Nacht. Ein Knabe unter anderen war von seinem Vater geschickt, um auf die Kartoffeln zu achten, denn es war gerade in der Zeit, wo man die Kartoffeln einholte. Gegen zwölf Uhr mittags sah er von Weitem eine Ziege nahen und darauf saß eine wunderschöne Jungfrau. Je näher dieselbe ihm kam, umso schöner dünkte sie ihm, aber umso größer wurde auch seine Angst. Als sie ihm endlich ganz nahe war, da lief er, was er konnte, um von ihr weg und nach Hause zu kommen.

Die Jungfrau rief ihn mit schmeichelnden Worten, er möge doch nicht Angst haben und stehen bleiben, aber er lief und stand nicht eher still, bis er sich an seiner Haustür befand.

Während er nun wie rasend klopfte, bat die Jungfrau, die ihm immer gefolgt war, ihn zum letzten Mal, doch keine Furcht zu haben und sie anzuhören. Als er aber da den Kopf umdrehte, um sie nicht zu sehen, und nichts hören wollte, verwandelte sich die Ziege in einen riesengroßen Esel und die schöne Jung­frau wurde hässlich und rabenschwarz.

Es war ein Glück, dass grade in dem Augenblick die Tür aufging, denn die Jungfrau hätte dem Jungen sonder Zweifel den Hals gebrochen. Auch zu Ghysele bei Dosterzele hat man häufig eine Jungfrau auf einer Ziege gesehen, welche jeden verfolgte, der ihr nur entgegenkam.