Heftroman der

Woche

Download-Tipp

Der Welt-Detektiv Band 6

Neueste Kommentare
Archive
Folgt uns auch auf

Nick Carter – Das Opfer eines Giftmischers – Kapitel 7

Nick Carter
Amerikas größter Detektiv
Das Opfer eines Giftmischers
Ein Detektivroman

Chick und Patsy in Nöten

Inzwischen hatten die beiden jungen Detektive Barney Tobin unmerklich zu einem Saloon verfolgt, welchen sie als den Sammelort von allerlei anrüchigen und verbrecherischen Elementen kannten. Unter den Anwesenden nahmen die beiden Detektive, welche, ohne von Tobin bemerkt worden zu sein, fast gleichzeitig mit ihm den Saloon betreten hatten, einen ihnen bekannten Verbrecher namens Henry Stediger wahr. Es überraschte sie nicht im Geringsten, als sie Tobin sich diesem zugesellen und ihn in eifrige Unterhaltung verstricken sahen.

Der Saloon war dicht besetzt, und so gelang es den Detektiven, nahe genug an die beiden Männer heranzukommen, um diese beobachten zu können. Sie standen indessen zu weit entfernt, um bei dem allgemeinen Stimmengewirr die Unterredung der völlig in ihr Gespräch vertieften Männer belauschen zu können. Nur zuweilen vermochten sie ein Bruchstück der Unterhaltung aufzuschnappen, doch es war mehr als genug, um sie davon zu überzeugen, dass sie sich auf der richtigen Fährte befanden.

»Wohin zum Teufel sollen wir das Mädchen bringen?«, hörten sie nach einer Weile Tobin flüstern.

»Lass das meine Sorge sein«, gab Stediger mit rauer Stimme zurück. »Ich komme mit meinen Jungs in einem Wagen. Du weißt, welch guten Platz wir in Inwood haben. Die Sache wird ohnehin nicht lange dauern, denn ich spreche noch heute Abend mit dem Bruder – verlass dich auf mich, er wird mächtig bluten müssen!«

»Wann soll es geschehen?«

»Sofort! Nimm die Beine unter die Arme, sonst sind wir noch vor dir an deinem Haus!«

Die beiden jungen Detektive hatten genug gehört. Sie drängten sich durch die Menge, verließen unbemerkt den Saloon und stellten sich an der gegenüberliegenden Ecke auf. Schon in der Minute darauf traten die beiden von ihnen beobachteten Männer aus der Wirtschaft, um sich sofort zu trennen und verschiedene Wegrichtungen einzuschlagen.

Beide Detektive folgten Barney Tobin, welcher aus Leibeskräften die 1st Avenue hinaufstürmte. Sie waren vorsichtig genug, sich zu trennen und sich dicht an den Häusermauern der beiden Straßenseiten zu halten, sodass der von ihnen verfolgte Tobin sie nicht zu bemerken vermochte.

Doch Barney hatte es viel zu eilig, um auch nur einmal den Kopf zu wenden. Er eilte bis zur 52nd Street, huschte in diese und verschwand bald darauf in einem Haus, das etwa in der Mitte des Häuservierecks zwischen 1st und 2nd Avenue gelegen war.

Sofort gesellte sich Patsy wieder zu seinem älteren Kameraden.

»Ich will meinen Kopf wetten, Chick, steckt das Mädchen nicht in jenem Haus?«, wisperte er. »Wäre es nicht am besten, wir eilten ihm nach und bemächtigten uns der jungen Lady?«

»Nicht doch«, widersprach Chick ebenso leise. »Warten wir ruhig, bis der Wagen, von welchem die Kerle sprachen, herangefahren kommt. Die Straße ist so dunkel, dass wir alsdann am schnellsten und erfolgreichsten handelnd eintreten können!«

Damit verbargen sie sich auch schon in anstoßenden Torwegen, um auf die weitere Entwicklung der Dinge zu harren.

Sie hatten nicht lange zu warten, denn schon wenige Minuten später fuhr eine geschlossene Kutsche vor dem verdächtigen Haus vor; zwei Männer saßen auf dem Bock und zwei weitere in der Kutsche selbst.

Diese beiden stiegen aus.

Einer von ihnen war Stediger, der andere war den beiden Detektiven völlig unbekannt. Stediger selbst huschte in das Haus, während sein Gefährte auf der Außentreppe wartete und stehen blieb. Der Wagen selbst fuhr die Straße etwas weiter hinunter, um dann langsam wieder umzuwenden.

»Patsy, wir werden gut daran tun, den Burschen dort auf der Treppe unschädlich zu machen«, flüsterte Chick seinem Gefährten zu. »Gib du ihm eins ins Genick, und ich nehme die beiden Kerle auf dem Kutschbock aufs Korn!«

Damit ging Chick auch schon, gelassen pfeifend, quer über den Straßendamm. Patsy dagegen pirschte sich mit der Vorsicht eines Indianers an den ihm den Rücken zuwendenden Mann auf der Treppe heran. Im selben Augenblick, da er hinter ihm stand, stieß Chick einen lauten Schrei aus, der natürlich die Aufmerksamkeit der beiden Männer auf dem Kutschbock auf sich lenkte. Sie nahmen deshalb nicht wahr, wie Patsy sich hinterrücks auf ihren Gefährten stürzte, diesem die Hände mit eisernem Griff um den Hals spannte und ihn gewaltsam zu Boden riss.

Der dem Burschen zugleich erteilte Fausthieb auf die Schläfe erzielte die gewünschte Wirkung und machte ihn bewusstlos. Völlig geräuschlos schleifte Patsy sein Opfer zu dem in tiefem Schatten liegenden Vorplatz. In der Minute darauf war auch schon Chick bei ihm, und beide fesselten und knebelten ihren Mann, sodass dieser keinen Laut von sich geben konnte. Dann zogen sie ihn vollends unter die Freitreppe, wo er in tiefem Schatten lag und von der Straße aus nicht wahrgenommen werden konnte.

Kaum war dies geschehen, als die Tür des verdächtigen Hauses wieder geöffnet wurde. Unter hastigem Pfeifen kam Stediger die Treppe heruntergestürmt, und dicht auf dem Fuß folgte ihm eine Frau, welche ein dicht verschleiertes Mädchen führte. Hinter den beiden tauchte nun auch Tobin auf.

Stediger war an die Kutsche herangetreten, hatte deren Schlag geöffnet und fragte nun ärgerlich, was aus Harry geworden sei.

Die Männer auf dem Bock antworteten, er habe in der Minute zuvor noch auf der Treppe gestanden. Mittlerweile hatten die beiden Frauen den Bürgersteig erreicht, im selben Augenblick sprangen aber auch schon Patsy und Chick mit schussbereiten Revolvern vor, und der Letztere näherte sich dem verschleierten Mädchen und schlang seinen Arm um deren Hüfte.

Doch Stediger hatte den kurzen Vorgang wahrgenommen und sofort erraten, um was es sich handelte. Wie ein Tiger warf er sich auf Patsy, um diesen niederzuschlagen. Wohl ging der wuchtig geführte Schlag fehl, doch immerhin wurde der mit dem Revolver bewehrte Arm des jungen Detektivs beiseitegestoßen.

Inzwischen hatte sich Tobin auf Chick gestürzt, der natürlich deshalb nur einen Arm zur Verteidigung frei hatte. Auf solche Weise gelang es dem Burschen, den Detektiv am Gebrauch seiner Waffen zu hindern.

Auch die Begleiterin der Verschleierten hatte sich wie eine Katze auf Chick geworfen, und zugleich schrie sie auch schon aus Leibeskräften um Hilfe.

Schnell kamen die beiden Männer vom Kutschbock und griffen Patsy ebenfalls ungestüm an. Der Kampf hatte noch keine Minute gedauert, als Stediger einen eigentümlichen kurzen Schrei laut werden ließ, der zur Wirkung hatte, dass sich die Straße wie mit einem Zauberschlag mit Personen beiderlei Geschlechts füllte, die aus den Nachbarhäusern aufgetaucht waren und sich nun um die kämpfende Gruppe scharten.

Die beiden jungen Detektive wurden buchstäblich von der hundertköpfigen Menge über den Haufen gerannt. Patsy sah sich zu Boden geschleudert, und auch Chick erlitt dasselbe Schicksal, während ihm zugleich das verschleierte Mädchen mit unwiderstehlicher Gewalt aus dem Arm gerissen wurde.

Beide Detektive hatten genug zu tun, um sich der hageldicht auf die herabregnenden Schläge zu erwehren, und so konnten sie es kaum wahrnehmen, wie die Kutsche eiligst davon ratterte.

Als sie sich mühsam wieder aufgerafft hatten, sahen sie sich von einer heulenden und sie verhöhnenden Menschenmenge umringt. Seltsamerweise aber wagten die Männer und Frauen es nicht, sie von Neuem anzugreifen, sondern sie zogen sich vor den drohend wieder erhobenen Revolvern der beiden Detektive feige zurück und verschwanden wieder dahin und dorthin in den Torwegen.

Um sich schlagend und stoßend gelangten die beiden Detektive bis zur 2nd Avenue, ohne dass sie jemand noch aufzuhalten versucht hätte.

Das Ganze schien ihnen wie ein böser Traum zu sein, und sie hätten ihn wohl auch für einen solchen gehalten, hätten sie sich nicht am ganzen Körper wie zerschlagen gefühlt und zugleich gespürt, dass ihnen Blut über das Gesicht rann und die Kleidung ihnen in Fetzen herabhing.

Von dem Wagen war keine Spur mehr zu entdecken, und es blieb den Detektiven nur übrig, sich einzugestehen, dass sie übertölpelt worden waren.

»Das sind hübsche Nachrichten für den Meister«, knurrte Patsy, dem das Weinen näher war als das Lachen. »Er wird sehr zufrieden mit uns sein!«

»Ach du grundgütiger Himmel, sprich mir nicht davon, Patsy«, stöhnte Chick, dem der Kopf noch immer völlig benommen war. »Daran zu denken, ist immer noch Zeit, stehen wir Nick gegenüber.«

Das kam schneller, als sie gedacht hatten, denn als sie an die Ecke der 53rd Street kamen, fiel ihr Blick auch schon auf den Detektiv, der sie dort augenscheinlich erwartet hatte.

Als Nick Carter seine beiden Gehilfen in trostlosem Zustand herankommen sah, empfing er sie mit lautem Lachen, denn ihr Aufzug war geradezu grotesk zu nennen.

»Wenn der Meister lacht, können wir es auch!«, meinte Patsy, schnell getröstet. »Ich sage Ihnen, Meister, wir waren in einer Zwickmühle!«

»Schon eher in einer Dreschmaschine«, fügte Chick hinzu. Mit kurzen Worten schilderte er dem Meister ihr jüngstes Erlebnis.

»Well, Boys, lasst euch euer Missgeschick nicht allzu sehr zu Herzen gehen«, tröstete sie der Detektiv gutgelaunt. »Eure Absicht war die beste, ihr hättet sie wohl auch durchgesetzt und das Mädchen befreit – doch gegen Hunderte von Menschen können zwei Männer wenig ausrichten. Wir müssen ermitteln, ob der Wagen wirklich nach Inwood gefahren ist – so viel wissen wir ja schon erfreulicherweise. Einstweilen geht dort in jenen Kleiderladen – er ist zum Glück noch geöffnet. Dort stattet euch mit neuen Kleidern aus und nehmt die hoffentlich nicht verlorene Spur weiter auf. Ich will einstweilen nach Hause zurückeilen und mir eine Verkleidung zurechtmachen, denn ich wünsche, mit diesen Halunken noch heute Abend abzurechnen.«