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Der Hexer Band 42

Robert Craven (Wolfgang Hohlbein)
Der Hexer, Band 42
Die vergessene Welt

Horror, Grusel, Heftroman, Bastei, Bergisch-Gladbach, 11. November 1986, 64 Seiten, 1,70 DM, Titelbild: Tim Hildebrandt

Das leise Summen, mit dem der Kreis die Beschwörung begonnen hatte, steigerte sich zu einem tiefen, unangenehm dröhnenden Ton, der nach und nach den ganzen Saal zum Beben brachte und schließlich in die Körper der Knieenden kroch. Er nistete sich als dumpfer Schmerz ein, ließ ihre Zähne vibrieren, die Finger- und Zehenspitzen prickeln und jeden einzelnen Nerv in ihrem Körper erzittern. Die Mitglieder des magischen Kreises schlossen ihre Hände fester zusammen, um den Kontakt zueinander nicht zu verlieren.

Leseprobe

Die Welt des Hexers

Durch eine Pyramide in der Arabischen Wüste gelangen Robert Craven und Sill el Mot, die Templerjägerin, ins Innere der Erde. Einem schrecklichen Sandsturm mit knapper Not entkommen, stürzen sie durch einen schier endlosen Schacht in die Tiefe. Und landen in einem Garten aus riesigen Pilzen, die den Aufprall mindern. Doch dann werden sie getrennt – die Einwohner dieser geheimnisvollen Welt entdecken Sill und entführen sie. Robert setzt sich auf die Fährte der jungen Amazone und findet sich in einer paradiesischen Landschaft mit einer urweltlichen Flora und Fauna wieder. Es ist das unterirdische Reich, das schon der deutsche Professor Otto Lidenbrock entdeckte und in seinem Buch »Reise zum Mittelpunkt der Erde« beschrieb! Damit weiß Robert auch, dass jenseits des großen Ozeans, dessen Küste er im Sturz gesehen hat, ein Aufstieg zur Oberfläche besteht – der Vulkankrater der Insel Stromboli.

Doch plötzlich fällt ein gigantischer amphorer Wurm über ihn her und verschlingt ihn. Nur dank seiner magischen Kräfte kann er im Körper der Kreatur überleben. Sein Geist geht mit dem des Wurmes eine unheilvolle Symbiose ein, und Robert erfährt, dass die Bestie die Frauen der Eingeborenen raubt, um seine Brut aufzuziehen. Auch jetzt ist der Wurm zu den Wilden unterwegs. Doch als er das Dorf erreicht, stellt sich ihm ein Mann in europäischer Kleidung entgegen!

Es ist kein anderer als der Erfinder Herbert George Wells, den ein Unfall mit seiner Zeitmaschine in diese unterirdische Welt verschlagen hat. Auch er wurde gefangengenommen, und nun soll er mit der Kreatur um Sills Leben kämpfen.

Robert kennt das einzige Mittel, das den Wurm in Panik versetzt: Feuer. Mit Wells’ Hilfe kann er den Wurm vernichten. Die drei fliehen in den Tempel der Eingeborenen, wo auch die havarierte Zeitmaschine steht. Notdürftig repariert George Wells sie, und er reist in die Vergangenheit, um das Geschehene nachträglich zu verhindern.

Doch das Gefüge der Zeit wehrt sich gegen diesen Eingriff. Als George Wells doppelt existiert, wird er an den Ausgangspunkt seiner Reise zurückgeworfen und verliert somit die Erinnerung an diese Episode seines Lebens. Robert und Sill warten vergeblich auf seine Rückkehr.

Doch die Erschütterung der Zeit rettet sie – der böse Geist, der dem Tempel innewohnte (der wahre Tyrann, der sich nur des Wurmes bediente), stirbt durch die freiwerdenden Energien und verliert auch die Kontrolle über die Eingeborenen. Unbehelligt können die beiden fliehen.

Durch den Tod des Wurmes aber wurde seine Brut vorzeitig erweckt und greift die Gefährten an. Doch ihre Kraft ist noch nicht vollends gereift, und Robert kann auch sie vernichten. Er und Sill gelangen zur Küste des unterirdischen Meeres und schiffen sich ein. Werden sie das jenseitige rettende Ufer erreichen?

 

*

 

Der Ring war stark, so stark wie lange nicht mehr – oder noch nie –, dachte Mereda. Die Luft zitterte vor mühsam zurückgehaltener Energie.

Und trotzdem wusste sie nicht, ob er halten würde.

Denn das, was aus den Schatten herankroch und allmählich in einem Zentrum Gestalt anzunehmen begann, war stärker.

Mühsam verscheuchte sie die Furcht, die sich in ihren Gedanken einzunisten versuchte, und konzentrierte sich wieder auf ihre eigentliche Aufgabe. Was sie tat – was sie alle taten –, war ein Risiko, aber sie war sich seiner Größe durchaus bewusst. Und der Preis lohnte den Einsatz.

Irgendetwas geschah. Wie immer, wenn sie Mitglied des Beschwörungskreises war, sah sie selbst nichts als flirrende Schatten und ein ungewisses Huschen, unmittelbar im Zentrum des Kreises aus zusammengekauerten Menschenleibern. Aber sie hörte das überraschte Murmeln der übrigen Zuschauer und sah, wie sie angstvoll hinter die Säulen zurücktraten, die das Dach des Saales trugen. Einige verließen sogar den Beschwörungssaal ganz.

Nur Mereda rührte sich nicht, auch wenn die Schmerzen in ihren Fingern und Zehenspitzen immer heftiger wurden und sich auch unter den anderen Mitgliedern des Kreises Unruhe und schließlich Nervosität auszubreiten begann.

Im Grunde war es wohl nur Trotz, der sie zwang, auszuharren. Sie würde den anderen beweisen, wie stark sie war. Vor allem Carda, der Kreisversteherin, die klein und verhutzelt auf der anderen Seite des Kreises stand und magische Worte murmelte; mit dünner, tonloser Stimme und halb geschlossenen Augen, trotzdem aber wach. Mereda wusste, dass ihr kein Anzeichen von Schwäche entgehen würde. Bei keinem. Und vor allem bei ihr nicht.

Carda und sie waren nicht unbedingt das, was man Freundinnen hätte nennen können. Mereda hatte vom ersten Moment an Angst vor der Alten gehabt, und sie hatte gespürt, dass Carda sie vom allerersten Moment an gehasst hatte. Vielleicht, weil sie spürte, welches Potential in Meredas Seele schlummerte. Wenn überhaupt, war sie wohl die einzige Konkurrentin, die Carda überhaupt zu fürchten hatte.

Die Kreisversteherin begann sich jetzt mit sonderbaren, schlängelnden Bewegungen zu drehen und zu winden, ohne jedoch die Hände der rechts und links von ihr hockenden Adepten loszulassen. Der Assyrkristall, der blau und leuchtend auf ihrer Brust lag, war von einem ungezähmten, inneren Feuer erfüllt, das so stark aufflammte, dass es auf die Assyrkristalle der anderen Kreismitglieder übergriff und diese zu höchsten Anstrengungen trieb.

Bei jedem Wort, das die alte Zauberin ausstieß, bohrte sich ein dünner, glühender Schmerz immer tiefer in Meredas Leib. Sie stöhnte voller Qual und krampfte die Hände so heftig zusammen, dass auch der neben ihr hockende Mann aufsah und schmerzhaft das Gesicht verzog.

Dann spürte sie.

Ja, was eigentlich?

Es war wie eine Stimme, die lautlose Worte flüsterte. Nein, nicht Worte, sondern… Wissen. Plötzlich wusste sie, dass sie in Gefahr war. In Gefahr, zu sterben oder ein schlimmeres Schicksal zu erleiden, wenn sie den Kreis nicht verließ. Es gab keinen Zweifel an diesem Wissen.

Einen Augenblick lang fragte sie sich, ob Carda die Magie des Kreises als Waffe gegen sie einsetzen wollte, so verrückt diese Idee auch war. Aber das gleiche Wissen, dem sie ihre Warnung verdankte, sagte ihr auch, dass es nicht so war. Nicht nur sie war in Gefahr. Die Energien, die sich als wabernde Schatten im Zentrum des Kreises bildeten, waren ungeheuerlich. Und sie wollten zerstören!

Gegen ihren Willen empfand sie Achtung vor Carda, die fast allein diese ungeheuerlichen finsteren Mächte bändigte – und zugleich eine fürchterliche Angst.

Mit einem Ruck stand sie auf, löste die Hände aus denen ihrer Nebenmänner und verließ den Kreis. Für einen Moment geriet Cardas Winden und Drehen aus dem Takt; zornige, aber auch abfällige Blicke trafen sie, als sie einen Schritt zurückwich und hoch aufgerichtet stehenblieb. Mereda spürte, wie ihr die Schamesröte ins Gesicht schoss. Am liebsten wäre sie auf der Stelle herumgefahren und aus dem Saal, ja, aus der Stadt gestürmt, um sich irgendwo zu verkriechen. Sie war feige gewesen.

Trotzdem blieb sie nur knapp außerhalb des Kreises stehen, obwohl sie die hämischen Blicke der anderen wie glühende Messer zu spüren glaubte.

Mereda zwang sich, nicht mehr an ihre Schmach zu denken, sondern versuchte, die sich überschlagenden Gedanken der anderen wahrzunehmen. Sie war weit davon entfernt, anderer Gedanken lesen oder gar beeinflussen zu können, wie man es von Carda munkelte. Aber sie vermochte doch Stimmungen wahrzunehmen, Furcht sowie Freude, Entsetzen wie höchste Glückseligkeit zu unterscheiden.

Sie spürte die Unsicherheit der anderen, aber auch die Verachtung, die sie für ihr Tun empfanden. Bei vielen eine gehässige Befriedigung. Es war allen bekannt, dass Carda sie trotz allen Drängens nicht in den Magiekreis von Conden hatte aufnehmen wollen. Der Kreis sei aufeinander eingespielt, und außerdem wären seine Mitglieder auf der Höhe ihrer Kraft und ihrer Erfahrung, hatte sie argumentiert. Es bestände daher keinen Grund, jemanden auszutauschen.

Dabei wusste jeder, wenn es auch niemand auszusprechen wagte, dass Mereda ein größeres magisches Potential besaß als jeder der neunzehn anderen Magier, die mit Carda den Kreis bildeten. Und doch hatte die Alte sie abgelehnt, als wäre sie ein unreifes Kind. Mereda hatte all ihren Einfluss und ihre Macht aufbieten müssen, um an dieser einen Beschwörung teilnehmen zu dürfen. Und jetzt hatte sie versagt.

Mereda wusste, dass ihr Versagen Konsequenzen haben würde. Wenn sie jemals eine Chance gehabt hatte, sich gegen Carda zu behaupten, dann hatte sie sie soeben verspielt.

Die Schatten im Zentrum des Kreises bewegten sich stärker. Es war, als wolle sich ein Körper bilden, ein Ding aus Rauch und schwarzer wogender Bewegung, das immer wieder auseinandergerissen wurde, kurz, bevor es wirklich Substanz annehmen konnte. Und mit einem Male war Meredas Furcht wie weggeblasen.

Dafür arbeiteten ihre magischen Sinne schneller und präziser als jemals zuvor. Sie spürte die Kraft, die von Carda und ihren Leuten ausging. Beinahe glaubte sie zu verstehen, warum die Kreisversteherin niemand aus ihrem eingespielten Team ersetzen wollte.

Dann begriff Mereda, dass niemand anderes als sie selbst der Grund war, aus dem Carda ihre Leute zu diesen Anstrengungen trieb. Es war, als wollte die Alte beweisen, dass sie noch immer in der Lage war, Meredas trotziger Rebellion mit souveräner Überlegenheit zu begegnen.

Für alle Außenstehenden sah es so aus, als würde es Carda gelingen. Nur Mereda erkannte als einzige die Gefahr, die das sinnlose Vergeuden dieser ungeheuren Kräfte zu einem so frühen Zeitpunkt der Beschwörung mit sich brachte.

Carda erschien ihr mit einem Male wie eine Tobsüchtige, die sich in ihrem Wahn selbst verbrannte. War die Alte verrückt geworden?

Aber die Katastrophe, die Mereda befürchtete, kam noch nicht. Vielleicht war es nun Cardas Angst vor einer Niederlage, die sie zu ungeheuerlichen Anstrengungen befähigte. Mereda spürte, wie das blindwütige Suchen und Tasten des Kreises plötzlich zielgerichteter, fordernder wurde.

Was auch immer den lautlosen Ruf vernahm, es antwortete. Nicht zögernd, wie es andere Dämonen bei früheren Beschwörungen getan hatten, sondern so schnell, so hart und so gierig, dass Carda sich wie unter einem Hieb krümmte. Sie musste von den beiden neben ihr stehenden Kreismitgliedern gehalten werden, um nicht zu stürzen. Die Konzentration des Kreises litt für den Bruchteil eines Augenblickes.

Einen Sekundenbruchteil zu lange.

Mereda spürte die Katastrophe, kurz bevor sie geschah. Aber ihr entsetzter Schrei kam zu spät.

Mereda hörte das Aufstöhnen der Kreismitglieder und hörte jemand gellend aufschreien und sah, wie sich die achtzehn Adepten wie unter Krämpfen wanden. Eine ungeheuerliche Kraft schien den Kreis zu sprengen, schleuderte die Magier davon wie Spielzeuge. Plötzlich roch die Luft verbrannt. Etwas zischte. Dann sah sie den aus dem Nichts entstehenden Flammenschlauch, der sich wie eine Schlange oder ein unendlich langer Tentakelarm auf Carda zuwand und sie zu packen versuchte. Die Versteherin riss entsetzt die Augen auf und versuchte den Tentakel mit ihren magischen Kräften von sich abzuhalten. Doch diesmal reichte ihre Kraft nicht mehr.

Mereda reagierte instinktiv. Noch bevor sie begriff, dass sie der verhassten Carda half, baute sie einen magischen Schild auf, der den zuckenden Flammententakel zurückprallen ließ. Gleichzeitig stimmte sie mit ihrer klaren, kräftigen Stimme einen Zaubergesang an, in den der Kreis (oder das, was davon übrig geblieben war) fast gleichzeitig einfiel. Ihr kleinlicher Streit mit Carda kam ihr jetzt beinahe lächerlich vor. Jetzt ging es um weit wichtigere Dinge.

Um die Macht des Conden-Turmes.

Sie mussten den Dämon einfach beschwören. Sie brauchten seine Kräfte im Kampf gegen den Magierkreis des Ancen-Turmes, der übermächtig zu werden drohte, weil es ihm gelungen war, einen Dämon zu erwecken.

Carda schrie auf, sank zu Boden und begann keuchende Laute auszustoßen. Der Flammenarm kroch weiter auf sie zu, nicht mehr mit ungestümer Macht, sondern langsam und sich windend wie eine wirkliche Schlange, eine verbrannte, rauchende Spur hinterlassend. Etwas Schwarzes nahm dahinter Gestalt an.

»Sing, Kind!«, wimmerte Carda. »Sing, oder wir sind alle verloren.«

Und Mereda sang. »Sree gegen Sree, Inguré gegen Inguré, Magier gegen Magier, Kreis gegen Kreis, Dämon gegen Dämon, Gott gegen Gott«, flüsterte sie mit blutleeren Lippen, während sie mit beiden Händen ihren eigenen Assyr-Kristall umschloss. Der flammende Tentakelarm erstarrte, kroch ein Stück zurück und verschwand. Aber nur, um einer riesigen, schillernden Wolke Platz zu machen, die im Zentrum des Kreises materialisierte.

Noch während der Dämon Gestalt annahm, registrierte Mereda voller Entsetzen die geballte Bosheit und den absoluten Vernichtungswillen, die er mit einer solchen Intensität ausstrahlte, dass die Kreismitglieder abermals zurückprallten. Aber sie brauchten einen Kampfdämon gegen den Ancen-Turm. Es war umso besser, je wilder und stärker er war. Ein kraftloses Wesen besaß keine Chance gegen den Dämon, den der Ancen-Kreis beschworen hatte.

Dann …