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Der Welt-Detektiv Band 6

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Der Wildschütz – Kapitel 1

Th. Neumeister
Der Wildschütz
oder: Die Verbrechen im Böhmerwald
Raub- und Wilddiebgeschichten
Dresden, ca. 1875
Erstes Kapitel

Der Gast um Mitternacht

Ein stürmischer Novemberabend hatte seinen düsteren Schleier über die öden Felder und Flächen ausgebreitet und die fast blätter­losen Bäume ächzten unter der Gewalt des Sturmwindes, welcher die herabfallenden Schneeflocken im wirbelnden Tanz über den erstarr­ten Erdboden zerstreute. Die Uhrschelle auf dem Turm des Städtchens R… verkündete bereits die siebente Stunde, als in einem der ansehnlichsten Gasthöfe ein Fremder, der soeben ein Abendbrot eingenommen hatte, Befehl zu seiner Abreise gab.

»So wollen Sie uns wirklich noch diesen Abend verlassen, mein Herr?«, fragte der Wirt, während er den Betrag der Rechnung in Empfang nahm. »Ich halte es doch nicht für ratsam, bei Nacht eine Reise fortzusetzen, auf welcher Ihnen so viel Beschwerlichkeiten drohen. Das Waldschloss des Grafen von Praßlin, wohin Sie noch in dieser Nacht wollen, liegt in dem dichtesten Teil der Haide, auch ist der einzige dahin führende Weg wahrhaft abscheulich zu nennen, und da Sie niemanden bei sich haben, so wäre es nötig, wenigstens einen Führer bis in die Nähe des Schlosses mitzunehmen.«

Der Reisende schüttelte mit dem Kopf, und zwei Doppelpistolen zu sich steckend, welche bisher neben ihm gelegen hatten, sagte er lächelnd: »Ich will den Weg schon allein finden und ihn ohne Ge­sellschaft zurücklegen. Es kann unmöglich gefährlich sein, und wenn wirklich Gefahr droht, dann würde mir ein einzelner Mann sehr wenig helfen. Fort muss ich«, setzte er hinzu, »darum auf Wiedersehen.«

»Auf Wiedersehen!«, wiederholte der Wirt mit einem tiefen Bückling. »Vergessen Sie aber ja nicht, mein Herr«, fuhr er geschäftig fort, »dass sich der Weg in etwa einer Stunde bei den so­genannten Dunkelhäusern, einer Anzahl elender Hütten, rechts wendet. Sie dürfen denselben nicht verlassen, denn er führt sie gerade am Fuß des Schlossberges vorüber.«

Der Fremde dankte für die erhaltene Weisung, nahm dann einen weiten Marderpelz von der Wand und noch hatte er sich nicht voll­ständig darin eingehüllt, als der Marqueur hereintrat, mit der Meldung, dass alles bereit sei. Der Gast empfahl sich hierauf und begab sich in Begleitung des Wirtes in den Hof, in welchem ein leichter Wagen, mit einem mutigen Pferd bespannt, zur Abfahrt bereit stand.

Als der Wagen fort war, kehrte der Wirt ins Gast­zimmer zurück und setzte sich zu den Anwesenden. »Das war in der Tat ein eigensinniger Kauz«, sagte er, »so allein und in der finsteren Nacht den Weg zum alten Schloss zurückzulegen, finde ich doch sehr gewagt. Es ist noch nicht so lange her, als man den armen Alex erschlagen fand. Gott verzeihe mir, ich hätte ihm davon erzählen sollen, er würde meiner Warnung Folge geleistet haben und hier geblieben sein. Was er doch bei dem alten Menschenfeind da oben wollen mag? Der Graf Praßlin hat so wenig Verkehr mit der Welt, er ist wirklich ein sonderbarer Mann und man weiß gar nicht, was man so eigentlich aus ihm machen soll.«

»Lieber Freund«, unterbrach ein anwesender Fremder den Wirt, »Ihre Neugierde würde sich noch mehr steigern, wenn ich Ihnen sage, dass ich den Fremden, welcher uns soeben verließ, bereits gesehen habe, und zwar bei einer Gelegenheit, an die ich mich jedes Mal mit Entsetzen erinnere.«

Der Sprecher nahm hierauf einen Schluck und nachdem er das Glas wieder niedergesetzt hatte, fuhr er gegen die gespannten Gäste gewendet fort: »Als ich vor etwa drei Monaten nach M… reiste, fand ich Gelegenheit, daselbst eine Hinrichtung mit anzusehen. Der arme Teufel von Delinquent hatte das Unglück, von Ihrem heutigen Gast geköpft zu werden.«

Der Wirt sprang entsetzt auf. »Wie? Was sagen Sie da?«, rief er aus, »Gott sei bei uns, der Scharfrichter wäre bei mir ge­wesen? Nein, Sie haben sich wahrscheinlich geirrt, ein Mensch ist dem anderen ähnlich, und was könnte der Scharfrichter bei dem hochgeborenen Grafen wollen und noch dazu so zur Nachtzeit?«

»Das ist eben das Merkwürdigste an der Sache«, nahm ein anderer das Wort. »Es sind sonderbare Gerüchte über den Grafen in Umlauf, und es ist wohl zu entschuldigen, wenn seine Lebensweise zu der Vermutung führt, dass er irgendetwas getan haben muss, wofür einem ehrlichen Menschen Grauen ankommt.«

»Ich stimme damit überein«, sagte der Wirt, »und möchte wohl nicht ganz unrecht haben, wenn ich vermute, dass der fürchter­liche Abgesandte, den ich soeben bewirtet habe, vielleicht mit Brenn­eisen und schwarzer Schnur im Land umherreist, um seine Kunden aufzusuchen, worunter auch Graf Praßlin gehören mag. Hu, hu, was könnte der Gurgelabschneider sonst bei ihm zu suchen haben, als vielleicht den Tribut für irgendein begangenes Verbrechen er­heben zu wollen, was er mit Geld zu sühnen sucht.«

Die Gäste schwiegen und gaben nur durch ein stummes Kopf­nicken ihre Zustimmung zu erkennen.

»Es lässt sich darüber nichts Bestimmtes sagen«, begann der Küster des Ortes, ein kleines hageres Männchen, welches bisher still zugehört hatte. »Ebenso unklug würde es von uns sein, wenn wir auf Grund der an diesem Abend gemachten Entdeckung Schlüsse bilden wollten, die dem Grafen so gut wie uns selbst zum Nachteil gereichen können. Man muss keinen Menschen verdammen, bevor seine Schuld nicht klar und offenbar geworden ist.«

Mit diesen Worten nahm er Hut und Stock und schlich zur Tür hinaus.

»Herr Urban mag wohl recht haben«, sagte der Wirt, »allein ich habe auch nicht unrecht, wenn ich sage, dass der Graf kein Heiliger sein kann, wenn er zur Nachtzeit mit dem Blutrichter Konferenzen hält, um dann an einem Tisch mit ihm zu essen und zu trinken.«

Die Unterhaltung wurde durch die Ankunft einiger Gäste abge­brochen und während man hier ein neues Gespräch anknüpfte, folgen wir dem unheimlichen Gast nach. Nachdem derselbe das Städtchen hinter sich hatte, ließ er auch sein Pferd schneller traben, hüllte sich sorgfältig in seinen Pelz. In die Ecke des Wagens gedrückt, sah er mit Gleichgültigkeit in die Finsternis hinaus, welche mit jeder Minute zunahm und fast un­durchdringlich wurde.

Nach Verlauf einer guten Stunde schimmerte ihm in geringer Entfernung der Glanz eines einsamen Lichtes entgegen. Er schloss sogleich jenem von dem Wirt erwähnten Punkt nahe zu sein, wo der Weg zum Schloss von der eigentlichen Fahrstraße abwich. Er hatte sich in seinem Dafürhalten nicht geirrt, denn mit jedem Schritt traten die Umrisse von mehreren Hütten deutlicher hervor und das brennende Licht befand sich in dem zunächst liegenden Ge­bäude, von dem unser Reisende vermutete, dass es eine Schänke sein möge.

Etwa hundert Schritte von dem Gebäude entfernt teilte sich die Straße, indem die eine Hälfte rechts neben dem Hause die andere jedoch mitten durch den Hof der Schänke führte, deren Eingang durch ein großes Tor verschlossen werden konnte.

Ohne sich einen Augenblick zu bedenken, wählte der Fremde den Weg, welcher sich an der Außenseite des Hauses hinzog, und ohne anzuhalten, fuhr er schnell vorüber, sodass in wenigen Minuten die unheimlichen Hütten hinter ihm lagen.

Der eingeschlagene Fahrweg zeigte sich von einer sehr üblen Beschaffenheit; Steine und Gräben wechselten beständig miteinander ab und der leichte Federwagen wurde von einer Seite auf die andere geschleudert. Der Reisende stieß darüber manchen heftigen Fluch aus, und um sich wenigstens seinen Ärger mit etwas zu vertreiben, zündete er sich eine Zigarre an.

Wieder konnte eine halbe Stunde vergangen sein, als der Weg in einen dichten Wald mündete, welcher sich zu beiden Seiten aus­breitete. Der Wind sauste klagend durch das Nadelholz und in dem Fremden begann selbst ein unangenehmes Gefühl bei dem Gedanken zu erwachen, sich hier allein zu befinden. Doch nun war es zu spät, und das Bereuen seines Unternehmens konnte nichts nützen, auch musste er überhaupt seine ganze Aufmerksamkeit der Lenkung des Pferdes schenken, da der Weg fast bodenlos wurde, und die Gefahr, das leichte Fuhrwerk in der nächsten Minute zerbrochen zu sehen, nicht weit entfernt lag.

So war mit der größten Behutsamkeit eine geringe Strecke durch den fortdauernden Wald zurückgelegt worden, als das Pferd plötzlich zurückprallte und keinen Fuß mehr vorwärts setzte. Das folgsame Tier hatte bisher niemals widerstrebt, weshalb seine Weigerung, weiterzugehen, umso beunruhigender für den Reisenden sein und ihn zu der Vermutung führen musste, dass irgendein Gegenstand vorhanden sei, welcher das Ross in Furcht setze. Es half kein Zureden, ebenso wenig vermochten die kräftigen Peitschenhiebe etwas; der Gaul stand wie angewurzelt und zitterte am ganzen Körper.

Unter solchen Umständen blieb nichts zu tun übrig, als auszusteigen und die nächste Umgebung zu untersuchen. Mithilfe der Zigarre gelang es dem Fremden zuweilen einen erkennenden Blick über die Straße werfen zu können, wobei er am Rand des Waldes einen leuchtenden Gegenstand bemerkte. Obwohl hierdurch überrascht, fasste er sich doch ein Herz und ging näher hinzu, worauf er ganz deutlich ein einfaches Denkmal erkannte, dessen vordere Seite mit großer Schrift beschrieben war, welche zu entziffern ihm nach vieler Mühe vermittelst der glimmenden Zigarre gelang, worauf er folgende Worte zusammenbrachte:

Hier wurde Franz Alex aus H… von Räubern angefallen und ermordet, am 16. September …

»Hm, schlechte Aussichten und ein ebenso schlechtes Mittel, um einen Furchtsamen zu ermutigen«, murmelte der Reisende, im Be­griff, zu seinem Wagen zurückzukehren, als er in einer Entfernung von kaum fünfzehn Schritten unter den hohen Waldbäumen das Sprühen von Feuerfunken zu bemerken glaubte. Der Reisende war kein Feigling und griff sofort nach seinen Pistolen. Seine Entschlossenheit hatte den letzten Gedanken von Furcht besiegt und mit gespann­tem Hahn ging er zu der Stelle, wo sich die rätselhafte Er­scheinung hatte erblicken lassen. Noch hatte er nicht zehn Schritte zurückgelegt, als ihm eine raue Stimme befahl, stehen zu bleiben.

»Zurück!«, rief sie dann, »wenn Ihr weiterfahrt, seid Ihr mit Mann und Maus verloren. Ihr müsst Euch mehr links halten.«

»Wahrscheinlich, weil es hier von Spitzbuben und Buschkleppern wimmelt«, rief der Reisende, »der Teufel mag es wissen, ob rechts oder links die meisten Schufte lungern. Kommt heran«, fuhr er fort, »einerlei, ob Ihr ein ehrlicher Mann oder ein Schuft seid, ich will Euch empfangen, wie Ihr es verdient.«

»Ich komme sogleich«, erwiderte die Stimme trotzig, und bald darauf vernahm man einen herzhaften Sprung über den Straßen­graben, worauf nach einigen Augenblicken der Aufgeforderte bei dem Wagen anlangte.

»Sagt mir, ob ich mich auf dem rechten Weg zum Wald­schloss des Grafen von Praßlin befinde?«, fragte der Reisende, indem er tüchtig weiter rauchte, um die Gestalt des Ankömmlings einiger­maßen rekognoszieren zu können.

»Das ist allerdings der Fall«, versetzte der Gefragte, »allein Sie befinden sich gerade auf einer der schlimmsten Stellen des ganzen Weges, denn etwa zehn Schritte von hier hat vor wenigen Tagen ein Erdrutsch stattgefunden, und infolgedessen kann man nur mit der größten Vorsicht vorüberkommen, ohne Schaden zu nehmen. Ich wette, dass Sie samt Ihrem Fuhrwerk in die entstandene Kluft hineingestürzt wären, wenn wir einander nicht zufällig hier getroffen hätten.«

»Ich bin Euch sehr verbunden, mein lieber Freund«, versetzte der Reisende, »und ich würde Euch noch mehr zum Dank verpflichtet sein, wenn ich mit Eurer Hilfe und ohne Nachteil an jenem ge­fährlichen Punkt vorübergelangen könnte.«

»Nun ja, wenn es Ihnen gefällig ist, so will ich dafür sorgen«, sagte der Aufgeforderte in höflichem Ton, gewahrend, dass er es mit einem Reisenden von Stand zu tun habe. »Und da mich mein Weg ebenfalls bei dem Waldschloss vorüberführt, so können wir ein­ander Gesellschaft leisten.«

»Es freut mich sehr, mein Freund, den verwünschten Weg in Ihrer Gesellschaft zurücklegen zu können«, sagte der Besitzer des Wagens, »wir wollen nun sehen, ob sich mein Pferd zum Weiter­gehen bewegen lassen wird.«

Das Letztere war auch der Fall und man gelangte glücklich beim Erdrutsch vorüber.

»Kommt doch, mein Lieber«, rief der Reisende dem Zurückblei­benden zu, »wir werden einander sonst verlieren.«

Der Unbekannte zögerte. »Ich habe da drüben im Gebüsch eine Bürde liegen«, sagte er, auf den wartenden Wagen langsam zukommend, »und die kann ich unmöglich im Stich lassen. Sie ist schwer und ich werde nicht imstande sein, mit Ihnen gleichen Schritt zu halten.«

»Nun denn, so holt den Pack herbei, ich werde warten und wenn es Euch recht ist, so ladet ihn auf meinen Wagen; Ihr setzt Euch dann mit ein und wir kommen desto schneller fort.«

Dieses Anerbieten schien jenem sehr erwünscht zu kommen; er war im Nu verschwunden und kam bald wieder, eine Last auf den Schultern tragend, unter deren Schwere er zu keuchen schien.

»Was zum Henker bringt Ihr da?«, fragte der überraschte Reisende.

»Lassen Sie es gut sein, mein Herr«, erwiderte der Gefragte, während er einige Stricke aus der Seitentasche seines Rockes zog, »ich will es Ihnen später sagen.« Damit begann er die auf den Wagen gehobene Last auf dem Vordersitz zu befestigen, setzte sich dann selbst auf den Bock, nahm die Zügel in die Hand und trieb das Pferd zu schnellem Lauf an, welches nun rasch vorwärts trabte.

Der Reisende hatte es sich indessen auf dem Hintersitze des Wagens bequem gemacht und suchte ein Gespräch mit seinem Führer anzuknüpfen.

»Fürchtet Ihr Euch denn nicht, so allein im Wald bei Nacht umherzustreifen?«, fragte er darauf.

»Das gerade nicht«, versetzte der andere, »es hat zwar aller­dings auch sein Unangenehmes, indem es gewisse Leute gibt, denen man so viel wie möglich aus dem Weg gehen muss, damit sie einem nicht die Beine voll Schrot schießen oder gar eine Kugel durch den Kopf jagen.«

»Ha, ha, ich verstehe Euch«, versetzte der Reisende, »Ihr holt wahrscheinlich manchmal ein feistes Bratenstück aus dem Gehege, was den Herrn Forstmeister natürlich verdrießen muss, ist es nicht so? Es ist ein gefährliches Handwerk und es kann Euch einmal ans Leben dabei gehen.«

Der Wildschütz schwieg ein Weilchen. »Ich bin auf alles gefasst«, sagte er dann, »und habe schon mehrmals mit meinen Geg­nern angebunden. Man muss vorsichtig handeln, deshalb gehe ich nie aus, ohne gut bewaffnet zu sein.«

Die letzten Worte wurden mit einer Zuversicht gesprochen, welche den Reisenden einigermaßen betroffen machte, und um dem wilden Burschen Respekt einzuflößen, sagte er in gleichgültigem Ton: »Das ist auch meine Ansicht und ich habe seit Jahren keine Reise mehr unternommen, ohne ein paar gut geladene Pistolen bei mir zu führen; man weiß doch nicht, was einem begegnen kann.«

»Das ist nicht zu leugnen«, bemerkte der Wilddieb. »So zum Beispiel befinden Sie sich hier in einer Gegend, wo es nicht so ganz sicher ist. Es ist hier schon oftmals Schlimmeres verübt worden, wenn ich manchmal ein harmloses Reh erlege. Das Letztere geschieht sogar nicht selten ohne alles Interesse von meiner Seite, denn ich verachte einen so schnöden Gewinn. Manches Wildbret habe ich zum Besten irgendeines armen Teufels veräußert.«

»Ein sonderbarer Bursche«, murmelte der Reisende bei sich selbst. »Das will etwa so viel sagen«, fuhr er laut fort, »dass, wenn ein armer Schlucker nichts mehr zu brechen hat, so geht Ihr in das Revier des Grafen hinaus und holt den erstbesten Bock herein! Ihr übt sonach Wohltätigkeit auf Kosten anderer aus, eine Tugend, welche unmöglich vonseiten des unfreiwilligen Gebers Anerkennung finden kann.«

»Mag sein«, sagte der Wildschütz, »ich lasse mich dennoch nicht von meiner Handlungsweise abbringen. Sie erwirbt mir Freunde und glauben Sie mir, mein Herr, wenn Graf Praßlin auch zwanzig Goldstücke auf meinen Kopf setzt, so würde sich dennoch keiner von seinen Insassen diesen Preis verdienen wollen.«

»Ha, ha, Ihr habt ein verteufelt gutes Zutrauen zu diesen Leuten«, entgegnete der Reisende lächelnd, »und ich wünsche, dass Ihr niemals in die Verlegenheit kommen möget, dieses Zutrauen auf die Probe gestellt zu sehen. Wie weit haben wir noch bis zum Schloss«, fuhr er abbrechend fort, »ich sehne mich nach dem Ziel meiner Reise.« »Ein halbes Stündchen kann noch vergehen, ehe Sie das alte Nest erreichen werden«, erwiderte der Gefragte, indem er die Zügel anzog, um das Pferd zum Halten zu bringen. »Mein Herr«, sagte er darauf, »ich muss Sie nun verlassen, mein Weg führt in eine andere Richtung. Sie haben mir einen großen Dienst geleistet, wofür ich Ihnen danke, und wenn wir uns einmal wieder treffen, dann werde ich mich mit Vergnügen an das Zusammentreffen in der heutigen Nacht erinnern.«

Mit diesen Worten übergab er dem verwunderten Gefährten die Zügel, befreite seinen Pack von den Stricken und hob ihn mit der größten Kraftanstrengung herunter.

»Es ist ein feister Bursche, den ich da geschossen habe«, bemerkte er lächelnd, »und der arme Meister Martin wird nebst seiner Familie zwei volle Wochen daran zu kauen haben. Gott befohlen, mein werter Herr!«

Damit war der sonderbare Mann verschwunden.

Während der Reisende den Weg zu dem einsamen Schloss weiter verfolgt, führen wir den Leser zu der Wohnung des ge­nannten Martin, wohin auch der Wildschütz seine Schritte lenkte.