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Verderben – Kinder des Zorns

Wolfgang Hohlbein
Verderben – Kinder des Zorns

Thriller, Hardcover mit Schutzumschlag, Piper, München, Juli 2022, 640 Seiten, 24,00 EUR, Piper, 28. Juli 2022, ISBN ‎9783492704434

Es beginnt und endet, so viel sei verraten, mit einem kleinen Mädchen für die angezählte Kommissarin Conny Fesser während einer verdeckten Ermittlung unter den Gästen einer von Maxim Kutzow ausgerichteten Vernissage, seines Zeichens Drogenhändler, Schmuggler – eine Hausnummer der Unterwelt. Dazu ein Menschenhändler? Kinderprostitution? Das unerwartete Auftreten der sowohl bildhübschen als auch engelsgleichen Nadeshda lässt nur eben diese Schlussfolgerung zu, wenngleich Kutzow dies auch nach seiner Verhaftung vehement bestreitet, gleichwohl aber bestimmte Geheimnisse partout nicht preisgeben möchte. Oder nicht darf?

Auch bei dem Kumpel-Trio Alex, Ben und Marc wird ein junges Mädchen einschließlich dessen Mutter zu einem schicksalhaften Dreh- und Angelpunkt. Beide möchte Alex nach Deutschland bringen, ihnen ein neues Leben ermöglichen und gleichzeitig eine Familie gründen – unterstützt von Ben und Marc und gemeinsam von überschwänglicher Naivität und Dummheit geleitet, die sie direkt ins Nachtleben Sankt Petersburgs führt und zu deren zwielichtigen Gestalten. Die Folge: Flucht vor der Polizei; überstürzt, panisch, vom Regen in die Traufe. Hinab in die wahre Unterwelt der Hafenstadt, wo die Mole People das Sagen haben …

In Deutschland schaut es für Conny auch nicht rosiger aus. Knall auf Fall insistiert der inhaftierte Kutzow, unbedingt mit ihr sprechen zu müssen und vertraut ihr ein Geheimnis an, Nadeshda betreffend, um die sich mittlerweile das Jugendamt kümmert. In Sicherheit, weiß Kutzow, ist das Mädchen aber noch lange nicht. Weit gefehlt, zumal sie die Tochter eines ungemein mächtigen Mannes ist. Entgegen aller Logik und Regeln nimmt Conny die Aussage Kutzows für bare Münze, entschließt sich, ihm zu helfen und steht sehr bald auf derselben Seite des Gesetzes wie Kutzow selbst.

Die Zeiten in denen Wolfgang Hohlbein gefühlt jede Woche ein neues Buch auf den Markt warf, sind wohl vorbei. Wozu auch, nach über 200 Büchern und Millionen verkaufter Exemplare? Beweisen muss der Mann nichts mehr. Umso erfreulicher beziehungsweise überraschender daher die Rückkehr Hohlbeins nach längerer Zeit. Doch ein Wort der Warnung ist angebracht: Es ist keine Rückkehr in die Gefilde der Phantastik. Vielmehr tobt sich Hohlbein auf einem Territorium aus, das er im Laufe seiner illustren Karriere bestenfalls gestreift hat: dem des Thrillers. Freilich kann er vom Geheimnisvollen nicht lassen, ist der über 600 Seiten starke Wälzer gespickt mit Cliffhangern, Rätseln und falschen Fährten. Ach, und jeder Menge Action. Ungewöhnlich viel sogar für einen Hohlbein-Roman. Von der bisweilen überraschend  kompromisslosen Härte gar nicht zu reden. Man könnte meinen, der Gute hätte in dieser Hinsicht einigen Nachholebedarf. Nach dem etwas verhalten-koketten Einstieg tritt Verderben ordentlich auf die Tube. Manchmal etwas zu euphorisch, sodass das Gefühl aufkommt, als diktiere der Plot den Schreibenden, nicht umgekehrt. Indessen dominiert bisweilen auch Hohlbeins bekannte Geschwätzigkeit und bringt den Lesefluss ins Stocken. Dennoch bleibt man dran, da man sich beim besten Willen nicht vorstellen kann, wie es die beiden Erzählstränge fertig bringen sollen, gemeinsam und harmonisch in die Zielgeraden einzulaufen. Auch da spielt Hohlbein die eigene, über Jahrzehnte erworbene und gestählte Routine aus, indem er die Geschichte jäh in eine komplett unerwartete Richtung kippt und deren Auflösung einfach alles in einem anderen Licht stehen lässt. Was bleibt, ist ein mehr als solider, erstaunlich harter Thriller und das Bedauern, das Hohlbein nicht schon früher Ausflüge in diese Richtung gewagt hat. Denn Spannung und Nervenkitzel ohne Phantastik beherrscht er nämlich auch.

(tsch)