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Der Welt-Detektiv Band 6

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Der Vampir – Selwas Schicksal

Hans Wachenhusen
Der Vampir
Eine Novelle aus Bulgarien, 1878

Selwas Schicksal

In Jowans Haus herrschte die tiefste Stille. Marko schlich durch dasselbe niedere Tor zurück in das Gehöft. Er verschloss und verriegelte es von innen sorgfältig, kroch dann durch den dunklen Raum und fand die Wächter schnarchend an dem verglimmenden Feuer.

Was nützte es, sie zu wecken! Gegen den einen Räuber gab es keinen Schutz! Er trat ins Haus. Alles still. Selbst die Flurlaterne brannte nicht. Er tappte an alle Türen, sie waren verschlossen. Er betrat die breite Holzstiege und rief hinauf: »Gospodin Jowan! Wacht auf, wenn Ihr schlaft! Marko muss Euch sprechen!«

Schwere Tritte dröhnten endlich oben auf den hohlen Dielen, dass das Gebälk knarrte. Jowan selbst, mit dem breiten brau­nen Kaftan angetan, die Filzkappe auf dem Haupt, eine Leuchte in der Hand, erschien oben an der Treppe.

»Herr, es ist Wichtiges, was ich Euch zu sagen habe!«, keuchte der Alte die Treppe hinauf. »Der Mudir will Euch und Euer ganzes Haus verderben, ich habe es von einem frän­kischen Effendi, der es im Divan gehört hat. Er will Euch ergreifen, einsperren und vors Gericht stellen lassen, weil Ihr mit den Moskows drüben jenseits des Stromes verkehrt, weil Ihr ein Spion seid, und da seine Kawassen Euch selbst nicht gefunden haben, hat er das Kind als Geisel für Eure Person fortschleppen lassen.«

Jowan stand da, den Unglücksboten anstarrend. Die Leuchte zitterte in seiner Hand.

»Spion!«, bebten seine Lippen. Sein Auge glotzte groß und starr auf den Zigeuner; die ganze riesige Serbengestalt schlotterte.

Es ist im Orient selbst in Friedenszeiten eine allbeliebte Gewohnheit, jeden, der im Wege steht, als Spion zu ver­dächtigen, selbst wenn durchaus nichts zu spionieren ist, und gälte es nur, ihn mit der Eigenschaft öffentlich in Misskredit zu setzen; in aufgeregten Zeiten aber ist der Verdacht der Spionage, einmal angeregt, wie ein Brandmal unverwischbar. Es hängt das mit der Willkürherrschaft zusammen. Die Spio­nage ist ein Titel, unter welchem jede Gewalttat gerechtfertigt ist. Wer seinen Gegner nur mit einigem Schein von Glaub­würdigkeit in den Geruch zu bringen vermag, der wird bei der Behörde und der Beschränktheit des Volkes immer seinen Zweck erreichen.

Jowan war seit Beginn des Krieges, wie alle übrigen Bewohner Tirnowas, mehrfach Zeuge der empörenden Gewaltakte gewesen, welche der Verdacht der Spionage über mehr oder minder unschuldige Individuen gebracht hatte. Man hatte sie aus ihren Wohnungen gerissen, sie mit Ketten belastet, in die scheuß­lichsten Kerker geschleppt und niemand hatte gehört, dass irgendein Richter sich um ihre Schuld oder Unschuld bekümmert.

Der Pascha schuldete ihm Geld. Er hatte nie die Rück­zahlung begehrt; aber der Pascha, verschwenderisch wie alle Türken, wenn sie einen hohen Posten bekleiden, brauchte wieder­um Geld. Er hatte also auf eine dankbarere Manier gesonnen, sich in Besitz von größeren Summen zu setzen.

Er konfiszierte Jowans bares Vermögen, verkaufte seine Liegenschaften und niemand forderte Rechenschaft von ihm über den Verbleib des Geldes!

Der Mudir mochte einen der von seinen Agenten an ihn gesandten Briefe aufgefangen haben und der sollte ihm Jo­wans Kasse öffnen. Er hatte offenbar seinen Schurkenstreich damit eingeleitet, dass er sich des Kindes als Geisel für die Person des Vaters bemächtigte. Niemand konnte ihn des Mädchenraubes beschuldigen, wenn es in der Hauptsache auf Jowan abgesehen war. Er hatte auf diese Weise den Vater in seiner Gewalt mit der Anklage auf ein Kapitalverbrechen, und handelte es sich um eine Erpressung, der Mudessarif konnte unter jenem Vorwand ihn ausplündern, ohne irgendwie zur Verantwortung gezogen zu werden.

Vor Jowans Auge stand das alles sonnenhell. Dank der Aufopferung des treuen Dieners war sein Kind noch gerettet, aber wer sicherte es, wenn, was Marko in der Stadt gehört hatte, sich morgen bestätigte! Wer sicherte ihn selbst vor der blutig­sten Misshandlung! Des griechischen Bischofs, des einzigen Rajahs, der noch zuweilen seine Stimme zum Schutz der Bedrückten erheben konnte – des Bischofs Ansehen stieg zwar jetzt, wo die christlichen Armeen ins Land kamen, aber auch seine Stimme war machtlos, wenn es sich um Beschuldigung eines Verbrechens handelte, das mit dem Tod geahndet wurde!

»Gospodin!«, hörte er des Zigeuners Stimme, »des Mudire Arm ist lang, was nützt Euch die Flucht! Ihr müsst ruhig erwarten, was morgen geschieht; aber auch die Nacht ist lang und Ihr wisst, wohin wir schaffen können, was Geld und Geldeswert! Fast Euch und legt Hand an; ich will Euch helfen! Eurer Person, Gospodin, wird der Mudir nichts an­haben können, wenn Ihr beweist, dass Ihr nur Euer Geld drüben zu retten gesucht, dass Ihr nichts mit den Moskows ge­mein habt. Vor Tagesanbruch eile ich zum Popen, um ihm die Nachricht zu bringen, er soll des Bischofs Hilfe aufbieten.«

Jowan regte sich wieder. Er ließ die Leuchte auf den Boden sinken und legte beide Hände über die Augen.

»Was nützt es, mein Haus, mein Kind in Gottes Hand befehlen, wenn dieser Schurke seine Allmacht verhöhnt!«, rief er verzweifelt. »Du, Marko, konntest mein Kind retten, indem du das deine opfertest, mich aber rettet niemand, wenn er es auf mein Leben, meine Habe abgesehen hat!«

»O Gospodin, seid nicht mutlos!« Marko legte ihn schüchtern die Hand auf den Arm. »Es sind ja andere Zeiten; es kommen der Franken so viele hier jetzt in die Stadt, dass der Mudessarif es nicht wagen wird, einen Christen so zu verfolgen. Der Bischof, verlasst Euch drauf, wird seine Stimme erheben, wenn man Euch ein Haar zu krümmen versucht! … Aber seid nicht müßig, Gospodin«, setzte er drängend hinzu. »Schafft in die tiefsten Verstecke, was Ihr an Geld in den Truhen habt; legt Eure Papiere alle zusammen, damit jedermann darin Einsehen nehmen kann, die Briefe, die Ihr vom anderen Ufer erhieltet, und wartet getrost, was man gegen Euch tun will.«

»Aber dein Kind, Marko …!«

Jowan schaute ihn trostlos an. Aller Mut schien noch immer aus diesem Riesenleib gewichen.

»Mein Kind! … O Herr, was ist ein armes Zigeunerkind! Und was wäre das meine ohne all die Wohltaten von Eurer Hand, ein Bettelkind, das der Unbill des Wetters, der Menschen preisgegeben, wie jene Armen, die dort hinten im Tal wieder mit ihren Zelten erschienen, ein nacktes, arm­seliges Geschöpf, das schutzlos, vogelfrei von Stätte zu Stätte zieht und seine Nahrung sucht wie das Wild in den Schluchten der Berge! … Ach, denkt nicht an das Kind, Gospodin! Ihr habt es erzogen zu etwas Besserem, als es sein und werden sollte, zu Besserem, als seine Mutter ist, die damals mit den ihren wieder davongezogen ist, die ihm nicht tat, was der Scha­kal, die Hyäne nicht ihren Jungen versagt; zu Besserem, als sein Vater ist, der doch nur Eurer Gnade sein armseliges Dasein verdankt! … O, denkt nicht an das Kind, Gospodin, und sorgt für das Eure, sorgt für Euch selbst, ehe es zu spät wird!«

Markos Worte rüttelten den Mutlosen auf. Er hob die Leuchte vom Boden und starrte sinnend, überlegend vor sich hin.

»Marko«, sagte er, »eins vor allem, ehe wir beginnen! Du wirst Marinka schützen, wenn mir etwas geschehen sollte! Man hält sie für dein Kind und sie soll Selwas Kleider nicht wieder ablegen; im Gegenteil, du wirst für andere sorgen, die du aus den Zelten drüben holen kannst. Es ist gut, dass deine Leute wieder im Tal erschienen sind. Du wirst Marinka in Lumpen kleiden und unter jenen Zelten verstecken; du wirst deinen Leuten Geld geben, dass sie mit Ma­rinka und dir aus dieser Gegend fortziehen … Nicht wahr, Marko, du wirst?«

»Alles, Gospodin! Ich sorge noch diese Nacht dafür, dass der heimliche Ausgang aus den unterirdischen Semliks, in denen wir unseren Mais aufbewahren, leicht geöffnet werden, dass ich mit dem Mädchen dort hindurch kann, wenn die Gefahr kom­men sollte! Aber jetzt seid gefasst und geht ans Werk.«

Jowan wandte sich in den weiten Gang zurück, um Marko voranzuschreiten. Der Schein der Leuchte fiel auf ein von rabenschwarzem Haar umrahmtes, gelblich bleiches Gesicht, das wenige Schritte von ihm stand. Marinka war leise herangetreten; schweigend, mit gefalteten Händen hatte sie Markos Erzählung mit angehört.

»Ich gehe nicht von dir, Vater!«, rief sie mit Entschlossen­heit, auf ihn zutretend. »Wir fliehen beide diese Nacht. Es ist Schutz genug in den Bergschluchten, wo uns niemand finden wird. Die Franken sind, wie du mir sagtest, nicht fern von hier; ihre Soldaten liegen in Pravadi, nur wenige Stunden von hier; dort wird man uns Schutz gewähren.«

Betroffen schaute Jowan auf sein Kind, das er, ehe Marko zurückkehrte, in die zum Hof zu gelegenen Gemächer zu der alten Dienerin seines Hauses geschickt, um es nicht durch seine eigene Unruhe noch mehr besorgt zu machen. Und nun stand Marinka, als habe sie vollauf die Rolle begriffen, welche ihm die Situation auferlegte, wie ein Kind der Tschaters, der Zelte, da, in ein grobes graues Hemd gekleidet, das lose ihre jugendliche Brust umhüllte, über der Hüfte durch einen Strick gehalten, kaum über die Knie herab auf die nackten Glieder hängend; das rabenschwarze Haar fiel in absichtlicher Unordnung auf ihre Schulter. Ihr Gesicht war mit Hennah dunkler gefärbt, ihre Augen waren dunkel umrahmt, wie die der Töchter der Tschingane, ihre Füße steckten in elenden San­dalen.

Trübe lächelnd, verschämt trotz ihrer Angst, begegnete sie dem erstaunten Blick des Vaters; der ihre glitt halb scham­voll, halb zufrieden an dem groben Hemd hinab. Dann, als wolle sie Jowan Zuversicht eingeben, lächelte sie ihn wieder an.

»Aus den Tschaters drüben habe ich es eben geholt, Vater«, sagte sie, das lose Hemd mit beiden Händen über der halb nackten Brust zusammenlegend, deren Farbe in hellem Kontrast mit dem künstlichen Braun ihrer Gesichtshaut stand. »Selwas Mutter, die auch wieder da ist, verschaffte es mir von einer der Dirnen um wenige Piaster. Meinst du, man werde Jo­wans Tochter in der Kleidung suchen, und bist du noch bange um mich, Vater? … Wenn man uns Übles tun will, lass uns heimlich nach Varna gehen und von da zu Schiff nach Wien. Du hattest es mir ja längst versprochen. Dort werden wir sicher sein, Vater; mir graut, hier länger zu sein, wo wir schutz­los und rechtlos sind. Du quälst dich Tag und Nacht unter Angst und Zagen, und hast du etwa Freude an dem, was du zusammenscharrst, ja kannst du sagen, es gehöre dir, hier, wo du nicht einmal dein Kind dein eigen zu nennen das Recht hast? Du zitterst vor der Willkür roher, gewalttätiger Beamten, die dir deinen Wohlstand neiden, du hast nicht einmal das Recht, mit lauter Stimme deinen Gott um Schutz und Segen anzurufen, und du klebst an dieser elenden Scholle, die keines Christen Freund ist? … Lass uns fort von hier, Vater!« Sie schmiegte sich an ihn, ihre Stimme bat so flehend. »Eine Ahnung sagt mir Schlimmes, und der Gedanke quält mich, dass die arme Selwa …«

Marko winkte ihr ehrerbietig, zu schweigen. In demselben Moment drang ein gellendes Geschrille, wie die Stimme des Sper­bers, von draußen durch die offene Tür des Tschardack herein.

Jowan fuhr erschreckt zusammen. Der persönliche Mut ist dem Bulgarenvolk, einem der schönsten, kräftigsten Stämme der Erde, in jahrhundertelanger Knechtschaft verloren gegangen. Stets zitternd vor der Habsucht der Gouverneure, stets getreten von der Verachtung des Islam, erlahmend in schweißtriefendem Frondienst, ist auch der letzte Nerv diesem unglücklichen Volk getötet, und diejenigen unter ihm, die trotz ihrer Rechtlosigkeit zu Wohlhabenheit und Reichtum gelangt, sind es stets, die am meisten zittern.

Marinka hatte sich erschreckt an den Vater geschmiegt, ihr Herz pochte fast fliegend an des Alten Brust. Nur Marko hatte den gekrümmten Rücken aufgerichtet; wie ein gescheuchtes altes Wild, das der Kraft seiner Glieder nicht mehr vertraut, horchte er auf.

»Es ist ihr Zeichen!«, murmelte er bestürzt. »Haltet Euch bereit zur Flucht, Herr!«, setzte er mit heimlichem Deuten auf das Mädchen hinzu. »Die Zigeuner drüben in den Tschaters versprachen, Acht zu haben, wenn sie zur Nacht Bedenkliches in der Nähe des Hauses sähen. Die Tür ist gut verschlossen; lasst mich sehen! …«

Er nahm die Leuchte und setzte sie in den Winkel, dann beugte er sich zur Erde, und während Jowan angstvoll sein Kind mit beiden Armen umschloss, kroch Marko auf allen vieren durch den dunklen Quergang zur offenen Galerie und ringelte sich trotz seines Alters gewandt wie eine Schlange zu der Gitter­brüstung. Wieder dasselbe Zeichen, aber leiser und unmittelbar unter der Galerie.

Marko hob den Kopf. Halblaut rief er in Zigeunersprache einige Worte hinab, die in gleich gedämpftem Ton, fast zischend, erwidert wurden.

Schnell wie eine an der Mauer dahinflatternde Fledermaus huschte unter dem Tschardack eine graue Gestalt. Auf seinen Knien liegend, die Hände auf den Rand der Brüstung gelegt, war Marko bemüht, seine Sinne zu schärfen. Er sank wie betäubt wieder in sich zusammen.

»Mein Kind gepeitscht und ins Gefängnis geworfen, weil man die Zigeunerin erkannt hat!«, keuchte er vor sich. »Mein Kind misshandelt und ich habe noch Blut in den Adern, aber nicht die Kraft, diese Schande zu rächen …!«

Selwas Mutter war es gewesen, die dem Alten auf seine Bitte den Dienst geleistet hatte, die Frauenwohnung des Konaks zu umschleichen, von den Sklavinnen desselben, wenn sie abends zum Brunnen gingen oder vor den Türen hockten, zu erhorchen, was mit der gefangenen Christin geschehen sei, und diese Weiber hatten der Alten triumphierend erzählt, dass man in der­selben eine Zigeunerin erkannt und sie zur Strafe blutig gepeitscht und eingesperrt habe.

Selwas Mutter hatte dem alten Mann das hinterbracht ohne eigene Teilnahme oder Empfindung, deren sie ja selbst in ihren jungen Jahren nicht einmal fähig gewesen war. Selwa war in ihren Augen Martos Kind, nicht das ihre; was kümmerte sie, was dem Mädchen geschah! Marko hatte ihr Tabak, Kukuruz und Brot in die Zelte zu bringen versprochen und dafür hatte sie den Auftrag übernommen, der ihr umso leichter war, als die alten Zigeunerweiber im Orient oft ganz diskrete Zwischenträgerinnen in geheimen Dingen der Frauenwohnungen sind.

Marko gewann wieder so viel Kraft, sich aufzurichten und zu Jowan zurückzukehren.

»Es ist keine Gefahr jetzt, Herr!«, meldete er mit gesenktem Antlitz und bebender Stimme. »Aber sie ist deshalb nicht minder vorhanden. Man hat Selwa erkannt, gepeitscht und ins Gefängnis abgeführt«, setzte er, das Gesicht ver­hüllend, hinzu.

Marinka tat einen Schreckensschrei. Jowan trat auf den Zigeuner zu und erfasste teilnehmend seine Hand. Marko wehrte ihm ab, das Antlitz zur Seite wendend.

»Hütet Euer Kind desto sorgfältiger, Gospodin!«, sagte er mit gepresster Stimme. »Geht und bereitet alles, wie ich Euch sagte! Ich werde dort draußen im Tschardack Wache halten. Der Schlummer würde doch mein Auge fliehen. Seid gerüstet beim ersten Zeichen, das ich gebe, wenn es Not tut!«

Und Jowan den Rücken wendend, tappte er in der Dunkel­heit zur Galerie zurück und hockte sich in die Ecke derselben. Drüben im tiefen Hintergrund des Tales, am Fuß der schwarzen Granitwände, geschützt durch das Laub der über­hängenden Bäume und Gesträuche, brannte noch das Feuer des Zigeunerlagers. Glitzernd spiegelte sich sein Schein in den von den Felsen herabrieselnden dünnen Armen der droben über den Felsmassen schäumenden, sich weiterhin ins Thal stürzenden Jantra, und gespenstisch schauten im Flackerlicht die schmutzigen grauen Zelte ins Tal herauf.

In sich zusammengesunken saß Marko da, das Auge halb geschlossen, nur zuweilen bei dem leisesten Geräusch, wenn der Fuchs an den Mauern entlang durch das Gestrüpp huschte oder der Iltis aus dem Dickicht drüben lüstern zu Jowans Taubenhaus schlich, hob er das Augenlid und spähte hinaus.

Er dachte an sein Kind; er brütete finstere Pläne. Trotz all der äußeren Demut war ihm in langem, sorglosem Schutz des reichen Jowan das Pariabewusstsein des Zigeuners ab­handen gekommen; die Erziehung seines Kindes an der Seite Marinkas hatte auch in ihm bessere Instinkte geweckt; die Lebensanschauung hatte sich auch in ihm geändert mit dem sorgloseren Gesichtspunkt, den er in diesem Haus eingenommen hatte. Ganz entgegen dem geringen Familieninstinkt des Zigeuners war ihm sein Kind so lieb, wie seinem Herrn das seine, und also doppelt groß sein Opfer gewesen. Er fühlte die Schmerzen seines unglücklichen Kindes und doch band ihm die Rechtlosig­keit seines Volkes die Hände den Gewalthaber, sogar dem Gesetz gegenüber, das für ihn nicht gegeben war.