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Marshal Crown – Band 52

Der Rote Wagen

Das blasse Licht der Morgendämmerung überzog den Nordwesten des Texas Panhandle. Der Wind strich mit einem leisen Säuseln über das Land, während hin und wieder im Osten die Klagelaute eines einsamem Coyoten zu hören waren. Als ihm irgendwann aus der Tiefe des Landes ein Artgenosse antwortete, tauchten plötzlich die Apachen auf. Sechs untersetzte, kräftig gebaute Männer mit olivfarbenen, wettergegerbten Gesichtern und schmalen, dunklen Augen.

Einer von ihnen hielt ein Gewehr in der Hand, die anderen führten nur Pfeile und Bogen mit sich. In schnellem, schlurfendem Trott, der ihrem Volk so eigen war, zogen sie durch das hügelige Land, bis sie ihr Anführer, es war der Krieger mit dem Gewehr, auf einer Anhöhe mit einer knappen Handbewegung zum Stehen brachte.

Stumm deutete er nach vorne.

Die anderen nickten verstehend.

Die kleine Farm lag direkt unter ihnen am Fuße des Hügels. Ein Schuppen, ein Wohnhaus und ein kleiner Corral, in dem zwei stumpfnasige Arbeitspferde mit hängenden Köpfen umherliefen.

Leichte Beute für ein halbes Dutzend entschlossener Krieger. Auch wenn auf dem Anwesen außer den Ackergäulen offensichtlich keine anderen Pferde vorhanden waren, Proviant und vor allen Dingen Schusswaffen würde es dort mit Sicherheit geben. Der Anführer der kleinen Kriegerbande gab sich jedenfalls zuversichtlich.

»Lauft Brüder, lauft so schnell wie der Wind, wir müssen sie überraschen. Wenn wir am Haus sind, bevor sie uns sehen, ist der Sieg unser und ihre Waffen auch.«

Die Apachen nickten und liefen los.

In diesem Moment öffnete sich unten bei der Farm die Schuppentür und eine Frau kam heraus. Sie trug ein knöchellanges, hochgeschlossenes Leinenkleid und eine dunkle Strickjacke und zog, kaum dass sie ins Freie getreten war, fröstelnd die Schultern hoch. Die Luft war feucht und klamm und auf den Gräsern und Sträuchern lag weit nach Sonnenaufgang immer noch der Tau, obwohl das Frühjahr bereits seit Tagen ins Land gezogen war. Aber das war Sarah Wheeler gewohnt, hier, am Fuß der Berge, dauerte es immer etwas länger, bis sich der Winter endgültig verabschiedete.

Sie drehte sich um, verriegelte die Stalltür und ging dann mit raschen Schritten zum Haus hinüber. In der Rechten trug sie einen kleinen Korb, dessen Inneres mit Stroh ausgefüllt war. Darin lagen ein halbes Dutzend weiße Eier.

Sarah Wheeler sah die Apachen erst, nachdem sie etwa die Hälfte der Strecke zum Wohnhaus zurückgelegt hatte. Die Umrisse der Indianer, die im Osten eine Hügelkuppe hinabliefen, hoben sich im Licht der aufgehenden Sonne immer deutlicher vom ockerfarbenen Sandboden des Abhangs ab. Unwillkürlich begann Sarah zu rennen. Als sie erkannte, dass die Indianer direkt auf ihre Farm zuliefen, warf sie den Korb zu Boden. Die Eier fielen heraus und zerbrachen auf der harten Erde. Aber dafür hatte Sarah keinen Blick, stattdessen begann sie zu schreien.

»Apachen! Charles, um Gottes willen, hilf mir! Die Apachen kommen!«

 

*

 

Frühnebel lag wie ein milchiger Schleier über der kleinen Siedlung. Die Luft, so kurz nach Sonnenaufgang, war noch feucht und klamm, der Wind, der von Norden her durch die Straßen wehte, unangenehm kalt. Es war Anfang April und der Winter, der in diesem Jahr scheinbar überhaupt nicht enden wollte, versuchte auch an diesem Morgen noch einmal seine Krallen zu zeigen, bevor ihn das Frühjahr endgültig zum Rückzug zwang.

Zwar war es bereits drei Wochen her, seitdem es das letzte Mal geschneit hatte, aber nachts gab es trotzdem noch stellenweise Bodenfrost und es dauerte meist bis zum späten Vormittag, bis die Sonne so viel an Kraft gewonnen hatte, dass man ohne Jacke vor die Tür gehen konnte.

»Scheiße, ist das kalt«, fluchte Town Mayor Matthew Adams und schlug fröstelnd den Kragen seiner Cordjacke hoch, kaum dass er aus seinem warmen Office herausgetreten war. »Ich kann mich nicht entsinnen, dass ich zu dieser Jahreszeit noch einmal den Ofen anheizen musste. Wollen Sie wirklich bei diesem Wetter in die Berge reiten?«

Der Mann, der neben dem Town Mayor auf dem Stepwalk stand, nickte entschieden.

»Von wollen kann keine Rede sein. Ich muss!«

Adams drehte den Kopf und ließ seine Blicke erneut über den großen, breitschultrigen Mann schweifen, der noch vor Sonnenaufgang sein Büro betreten hatte. Er hatte zwar schon des Öfteren von den US-Marshals gehört, die im Auftrag von Gouverneur Coke im Land für Recht und Gesetz sorgten, doch er hatte bisher noch nie einen von ihnen zu Gesicht bekommen.

Aber das war auch kein Wunder.

Millers Prärie war ein verschlafenes Nest im Nordosten des Panhandels, das seinen Namen einem Siedler namens Andrew Miller verdankte, der sich hier niederließ, nachdem sein Planwagen einen Achsenbruch erlitten hatte und er und seine Familie dem Treck gen Westen nicht mehr folgen konnten. Millers Prärie hatte gerade einmal dreißig Einwohner und Adams war hier nicht nur der Town Mayor, sondern zugleich auch Marshal, Friedensrichter, Stadtschreiber und Anwalt. Das Gehalt, das er bezog, war Freibier und ein kostenloses Mittagessen im einzigen Saloon der Siedlung. Hier hielt seit zwei Jahren keine Postkutsche mehr, es gab keine Zeitung und auch keine Telegrafenverbindung. Millers Prärie lag praktisch am Arsch der Welt und den besuchte weder ein Texas Ranger noch ein US-Marshal gerne.

Inzwischen wusste Adams, das der beinahe schon legendäre Ruf dieser US-Marshals kein Zufall war. Jim Crown, der Mann, der neben ihm stand, war mindestens einen Kopf größer als er. Trotz der Ruhe und Gelassenheit, die von ihm ausgingen, wirkte er nicht behäbig. Im Gegenteil, seine Bewegungen erinnerten Adams an die eines Pumas auf Beutefang.

Crown drehte den Kopf, sein kantiges Gesicht strahlte harte Entschlossenheit aus.

»Aber nicht nur wegen dem Stern, den ich trage. Ich bin es auch den Hinterbliebenen der Opfer schuldig, die Cording ermordet hat. Bei seinem letzten Postkutschenüberfall hat er einer Frau den Kopf von den Schultern geschossen, nur weil sie sich geweigert hatte, ihm die Brosche an ihrer Bluse zu übergeben. Ihre Großmutter hatte sie ihr geschenkt. Sie war nicht einmal besonders wertvoll, sondern einfach ein Erinnerungsstück. Können Sie mir sagen, was verdammt noch mal so ein Killer wie Cording mit solch einer Brosche anfangen wollte?«

Der Town Mayor zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung, aber ich glaube, jetzt verstehe ich Sie. Doch ich muss Sie warnen, die Berge sind so zerklüftet und verwinkelt, dass sich dort eine ganze Armee verstecken kann, ohne dass man sie sieht.«

Jim lächelte schmal. »Ich kann auf mich aufpassen, außerdem kann ich Spuren lesen und das sogar ziemlich gut, oder wie sonst hätte ich seine Fährte bis hierher verfolgen können?«

Adams hob abwehrend die Hände. »Schon gut, ich will nur nicht, das Sie nachher sagen, ich hätte Sie nicht gewarnt.«

»Keine Angst, das werde ich nicht. Aber jetzt noch einmal zurück zu meiner Frage. Sind Sie sich sicher, dass es Cording war, der heute Nacht im Mietstall ein Pferd gestohlen hat?«

Der Town Mayor nickte entschlossen. »Natürlich, ich bin ja nicht blind! Als der Stallbursche deswegen zu schreien anfing, bin ich gleich auf die Straße gelaufen. Es war zwar schon dunkel, aber drüben im Saloon brannten noch alle Lampen, und als der Kerl dort vorbeigeritten ist, konnte ich ihn im Lichtschein deutlich sehen. Es war Cording, ich kenne seine Beschreibung vom Steckbrief her. Als ich die Messernarbe in seinem Gesicht gesehen habe, wusste ich sofort, dass er der Pferdedieb war.«

»Der Kerl ist nicht dumm«, sagte Crown. »Er weiß genau, dass ihm nachts kaum jemand folgen wird. Das Risiko, in der Dunkelheit irgendwo in einen Hinterhalt zu reiten, ist einfach zu groß. Er wird also einen dementsprechenden Vorsprung besitzen, wenn ich mich nachher auf seine Fährte setze. Aber er sollte sich nicht zu früh freuen. Bei Tag komme ich bedeutend schneller vorwärts als er in der Nacht und außerdem sind mein Pferd und ich ausgeruht, während er sich irgendwann einmal hinlegen muss, um zu schlafen.«

»Mag sein«, erwiderte Adams. »Aber Sie werden sich dennoch ziemlich anstrengen müssen, um ihn zu erwischen. Mir scheint, der Kerl ist mit allen Wassern gewaschen.«

Der Town Mayor irrte sich.

Jim musste sich nicht anstrengen, um Harry Cording zu finden. Der Postkutschenräuber und Frauenmörder hatte mit seinem Pferd eine deutliche Spur auf dem sandigen Boden hinterlassen. Dennoch kam der Marshal nur langsam voran, da er, je frischer die Spur wurde, hinter jedem Baum oder Felsen, der ihm Deckung bot, erst eine Zeitlang verharrte und sich umsah, bevor er weiter ritt.

Cording war ein eiskalter Killer und ihm war alles zuzutrauen.

Jim hatte keine Lust, in einen Hinterhalt zu reiten, nur weil er es eilig hatte. Vorsichtig lenkte er seinen Buckskin auf die nahen Berge zu, deren Ausläufer fast vollständig von einem schier undurchdringlichen Dickicht aus Büschen und Dornensträuchern umgeben war.

Irgendwo dort musste sich Cording versteckt halten. Es war in diesem Teil des Landes so ziemlich die letzte Möglichkeit, sich vor fremden Blicken zu verbergen, denn die baumlose Ebene, die sich danach hinter den Felsen erstreckte, war so flach wie ein ausgewellter Teigfladen und bis zum Horizont einsehbar. Und tatsächlich, der Marshal hatte kaum die ersten Sträucher erreicht, als ihm auch schon der Rauch eines Lagerfeuers in die Nase stieg.

Jim zügelte seinen Buckskin, glitt aus dem Sattel und bewegte sich zu Fuß weiter.

Um sein Pferd musste er sich nicht kümmern. Der Buckskin war auf den Mann dressiert und würde sich so lange nicht von der Stelle rühren, an der er die Zügel hatte zu Boden fallen lassen, bis er zurückkam und sie wieder aufhob.

Schritt für Schritt arbeitete sich Jim langsam in den Buschgürtel hinein, immer darauf bedacht, nicht allzu nah an die Sträucher zu kommen, von denen die allermeisten fingerlange Dornen besaßen, die nur darauf warteten, einen unvorsichtigen Wanderer zu durchbohren. Die Vielzahl an kleinen Vögeln und Insekten, die aufgespießt und zum Teil schon verwest zwischen den dornenbewehrten Zweigen hingen, waren ihm Warnung genug.


Die vollständige Story steht als PDF, EPUB, MOBI und AZW3 zur Verfügung.

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