Heftroman der

Woche

Neueste Kommentare
Archive
Folgt uns auch auf

Carrier, der Erzteufel – Teil 6

Carrier, der Erzteufel, in eine Menschenhaut eingenäht, der in wenigen Monaten in der französischen Stadt Nantes mehr als fünfzehntausend Menschen von jedem Alter und Geschlecht erwürgen, ersäufen, erschießen, martern und guillotinieren ließ, ein blutdürstiges Ungeheuer und höllischer Mordbrenner
Zur Warnung vor blutigen Revolutionen
Von Dr. F. W. Pikant (Friedrich Wilhelm Bruckbräu)
Verlag der J. Lutzenbergerschen Buchhandlung, Altötting, 1860

Teuflische Geschichten

»Indem ich nun auf das Entstehen der Französischen Revolution übergehe«, fuhr Richard fort, »muss ich im Voraus sagen, dass leider Ludwig XVI. ein edler, herzlich guter, aber schwacher König, das große Sündenbad seiner Vorgänger austrinken und durch seinen Henkertod büßen musste. Ich war Augenzeuge, als dieser beklagenswerte König am 21. Januar 1793 auf dem großen Rundplatz vor seinem Palast guillotiniert wurde. Er wollte noch zum Volk spre­chen und begann: ›Franzosen, ich sterbe unschuldig …‹

Da übertönte auf ein Zeichen des Kommandanten der Soldaten ein Trommelwirbel seine Worte, sein Haupt fiel! Mein eigener Kopf wäre noch am nämlichen Tag gefallen, wenn ein Verräter meine Tränen des Mitleids gesehen hätte.

Sein Vorfahre auf dem Throne, Ludwig XV., durch Sittenlosigkeit, Ausschweifungen und bodenlose Verschwendung berüchtigt, hatte 59 Jahre lang regiert. Unter seinen vielen Favoritinnen kostete die am 9. Dezember 1792 guillotinierte Gräfin du Barry allein dem königlichen Schatz in 5 Jahren 180 Millionen Livres. Er selbst hinterließ bei seinem an den Kinderpocken erfolgten Tod 4000 Millionen Livres Schulden und ein durch unermessliche Steuern, durch Bedrückungen aller Art und durch die schlechteste Regierung unfä­hige Minister höchst unglückliches Volk. Die Fran­zosen hatten den Nordamerikanern in ihrem siegreichen Befreiungskrieg gegen die Engländer Hilfstruppen geschickt, welche mit Freiheitsgedanken heimkehrten. Die Revolution begann, anfangs ziemlich ruhig, bald aber durch verkehrte Maßregeln der unfähigen Regierung immer drohender. Nach der vereitelten Flucht des Königs nach Barennes war ein schrecklicher Ausgang zu erwarten . Der Nationalkonvent, aus dem blutgierigsten Gesindel zusammengesetzt, begann die Schreckensherrschaft. Die Adligen, welche nicht aus dem Land geflohen waren, und Tausende aus allen anderen verdächtig gewordenen Ständen wurden guillotiniert oder in den verschiedenen Gefängnissen erstochen, erschlagen, in Stücke gehauen. Und so geht es nun noch immer fort, nicht bloß in Paris, sondern auch in sehr vielen anderen Städten, wohin republikanische Emissäre geschickt wurden. In Paris, im Turm des sogenannten Tempels, sitzt noch immer die Königinwitwe, die einst so schöne Marie Antoinette, als Gefangene. Ihre Haare sind aus Kummer ergraut, ihr linkes Auge hat durch beständi­ges Weinen die Sehkraft verloren. Ihr Prozess ist in vollem Gange und ihre Verurteilung zum Tode zweifellos. Vielleicht wird sie schon in acht Tagen guillotiniert.« (Dies geschah am 16. Oktober 1793, sohin gerade neun Tage nach der Erzählung Richards.)

»Sechs Monate nach der Hinrichtung ihres Gemahls entriss man ihr noch ihren legten Trost im Kerker, ihren achtjährigen hoffnungsvollen Sohn Ludwig, und übergab ihn der Aufsicht des Schusters Simon, eines unwissenden, wilden Jakobiners, der sein zartes Leben durch die roheste Behandlung in kurzer Zeit zerstören wird.«

(Dieser junge Prinz starb an den Folgen ausge­standener Qualen an der Rachitis – englische Krank­heit genannt, am 7. Juni 1795 im Tempel. Vier Personen, die sich späterhin zu verschiedenen Zeiten für diesen Ludwig XVII. aus gaben, als wäre dieser Ludwig nicht gestorben, machten nicht viel Aufsehen.)

»Entsetzlich!«

»Das ist teuflisch!«

»Ich kann mich nicht genug wundern, dass die große Überzahl der Pariser dieser Teufelswirtschaft nicht schon lange ein Ende gemacht hat«, bemerkte Richard.

»Wie sollten sie dies anstellen?«, fragte Brochard.

»Durch eine geheime Verschwörung der Gutgesinnten, die an einem großen Sitzungstag des Nationalkonvents denselben durch Pulver in die Luft sprengen oder durch einen gleichzeitigen nächtlichen Überfall in ihren Wohnungen, die Mitglieder in ihren Betten ermorden könnten.«

»Die Pariser werden den Verrat der überall lauernden Spione fürchten«, sagte Duprier, »und deswegen kein Wagestück unternehmen wollen.«

»Sehr richtig«, versetzte Richard, »sie sind furcht­same Schafe, die sich geduldig abstechen lassen, ohne einen entscheidenden Versuch zu ihrer allgemeinen Rettung zu machen.«

»Freund Richard«, sagte Brochard, »du warst so freundlich, uns viel Interessantes zu erzählen, wofür wir dir recht dankbar sind. Vollende nun noch deine Mitteilung über Carrier, der …«