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Nick Carter – Der Raubüberfall im Grand Central Depot – Kapitel 1

Nick Carter
Amerikas größter Detektiv
Der Raubüberfall im Grand Central Depot
Ein Detektivroman

Der Raub der Dokumententasche

»Alle Mann zur Stelle und auf ihren Plätzen?«

»Unbesorgt, es ist alles all right.«

»Auf welchem Gleis fährt der Expresszug ein?«

»Auf dem zweiten Gleis. Ich fragte gerade eben den Portier.«

»Dann werden wir also keinerlei Hindernis oder Aufenthalt haben, eh?«

»Vorausgesetzt, dass unser Mann im Zug ist, was abzuwarten bleibt.«

»Er ist im Zug. Hank telegrafierte mir von Albany aus, dass unser Mann sich im Zug befindet.«

»Well, er mag zwischen Albany und New York ausgestiegen sein … Doch nein, das wohl kaum, denn der Expresszug hält ja nicht zwischen beiden Stationen.«

»Unser Mann kommt zuverlässig; die Frage ist nur, ob er auch mitbringt, was wir erwarten!«

»Das müssen wir abwarten, denke ich.«

»Es handelt sich um eine Handtasche aus schwarzem Marokkoleder, reich mit Messing beschlagen.«

»Pst! Wie unvorsichtig, wiederhole das ja nicht mehr!«

Diese Unterhaltung fand zwischen zwei Männern statt, die im Grand Central Depot an der 42th Street in New York in der mächtigen Bahnhofshalle standen.

Der eine von den beiden war ungefähr ein beginnender Dreißiger, sehr elegant gekleidet und mit kurz gehaltenem, braunem Vollbart.

Er hatte eine ganze Weile lang allein gewartet, bis sein Gefährte auf ihn zugetreten war – ein reifer Fünfziger, Haar und den buschigen Backenbart eisengrau und dem Ansehen nach ein wohlsituierter Kaufmann oder dergleichen.

Unweit hinter den zwei stand Nick Carter, der berühmte Detektiv. Solange jener elegant gekleidete Mann allein vor ihm gestanden hatte, hatte er ihm nicht mehr Aufmerksamkeit geschenkt als den vielen anderen, welche sich in der weiten Halle aufhielten, um die Ankunft des aus dem fernen Osten heranrollenden Expresszuges zu erwarten. Dann jedoch hatte das geschärfte Ohr des Detektivs die Unterhaltung der beiden Männer, so leise sie auch geführt worden war, vernommen. Sie berührte ihn seltsam und veranlasste ihn, die Männer unauffällig näher zu betrachten. Da wollte es ihm auch schon erscheinen, als trüge der Fünfziger eine Perücke und falsche Bartkoteletten. Ob der Jüngere gleichfalls verkleidet war, darüber vermochte Nick Carter sich nicht schlüssig zu werden.

»Ist er es«, schoss es ihm durch den Sinn, »so ist er ein Künstler in seinem Fach … Übrigens kenne ich ihn nicht.«

Ein flüchtiger Orientierungsblick ließ ihn ganz nahebei seinen Vetter Chick gewahren. Es bedurfte nur eines unmerklichen Nickens, um ihn zur Stelle zu bringen.

»Schau dir mal die beiden vor uns an«, raunte ihm der Detektiv leise zu, »kennst du einen von ihnen, eh?«

Chick verneinte.

»Sie scheinen beide verkleidet, ganz sicher der Ältere, der sich ziemlich ungeschickt geschminkt hat«, brummte er. »Detektive sind es kaum, wenigstens keine New Yorker.«

»Well, sind es keine Detektive, so sind es Halunken«, warf Nick Carter trocken ein.

»Großartig«, kicherte Chick, »sind Detektive und Halunken denn nicht ein und dasselbe, Nick?«

»Entschieden die beiden einzigen Berufsarten, welche sich mit Vorliebe verkleiden«, äußerte Nick gelassen. »Was die beiden Männer vor uns anbelangt, so hörte ich ein Stück ihrer Unterhaltung. Sie warten auf einen Mann, der mit dem Zug kommt und nichts von ihrer Anwesenheit am Bahnhof weiß, und ihr Gespräch drängte mir die Überzeugung auf, dass sie entweder Detektive sein müssen, damit beauftragt, einen Schurken zur Strecke zu bringen, oder aber verkleidete Halunken, die in verbrecherischer Absicht einem anständigen Mann auflauern.«

»Dann wird es ganz gut sein, wenn man sie im Auge behält«, meinte Chick nachdenklich.

»Ganz meine Meinung«, erwiderte der Detektiv. »Natürlich dürfen wir darüber nicht unseren eigenen Mann, der mit dem Schnellzug aus dem Westen anlangt, vernachlässigen.«

Chick lachte.

»Wie nun, wenn wir und die beiden dort auf denselben Mann lauerten?«

»Wohl schwerlich, denn unser Mann bringt nur Papiere, die bei einem großen Kaufabschluss von erheblicher Wichtigkeit sind«, entgegnete Nick. »Ich konnte Hoate, dem berühmten Rechtsanwalt, das Ersuchen nicht gut abschlagen, den ankommenden Fremden unauffällig zu bewachen, bis er sicher im Waldorf Astoria Hotel gelandet sein wird.«

»Well«, meinte Chick, »uns ist schon viel Seltsameres passiert. Wäre es der Fall, dass wir auf denselben Fremden lauerten, wie die Männer dort … und ich weiß nicht, mir sagt es ein Gefühl, dass ich mit meiner Vermutung auf der rechten Fährte bin.«

Seine Worte machten ersichtlichen Eindruck auf Nick Carter.

»Nun, ich habe herausgefunden, dass man gut daran tut, auf deine Vorahnungen Gewicht zu legen, denn sie trügen selten. Du bist eben der geborene Spürhund und deine Witterung ist untrüglich … doch trennen wir uns«, fuhr er fort, »du begibst dich auf die andere Seite von Gleis 2, ich dagegen bleibe hier. Es muss auf diese Weise gelingen, alle Ankommenden Revue passieren zu lassen.«

Schweigend verfügte sich Chick an den ihm zugewiesenen Platz. Sowohl er als auch sein berühmter Kollege wendeten kein Auge mehr von den beiden verdächtigen Männern ab.

Der Chicago-Expresszug wies bereits erhebliche Verspätung auf, als ein lautes Signal verkündete, dass er den die Park Avenue entlang führenden Tunnel passiert hatte. Sogleich bemächtigte sich der harrenden Menge lebhafte Unruhe. Man drängte durch die Bahnsteigsperre zum langgestreckten Inselperron, auf welchem die Ankommenden aussteigen mussten. Ein Schieben, Drängen und Stoßen entstand, das durch die aus den Wartesälen und Vorhallen Herbeieilenden noch vergrößert wurde.

Gleich darauf dampfte die lange Wagenreihe des Zuges in die mächtige Halle, und die fauchende Lokomotive blieb, wie eine stolze Siegerin nach erschöpfendem Wettlauf, wenige Fuß vor den Gleispuffern stehen.

In unabsehbarer Menge ergoss sich die Flut der Angekommenen auf den weiten Inselperron, und all die tagtäglichen Szenen, wie sie der Riesenverkehr eines großstädtischen Bahnhofs mit sich bringt, begannen sich abzuspielen.

Den beiden Detektiven war es nicht entgangen, dass die von ihnen beobachteten Männer sich ähnlich verteilt aufgestellt hatten wie sie selbst und nun voll unruhiger Erwartung das bunte Durcheinander der dem Ausgang zueilenden Passagiere scharf beobachteten. Plötzlich durchdrang all den betäubenden Lärm ringsum ein scharfes Pfeifen, das von verschiedenen Seiten aus erwidert wurde. Unwillkürlich blickten die beiden Detektive argwöhnisch nach den beiden Verdächtigen, und da nahmen sie auch schon wahr, wie diese den Inselperron hinunterstürmten, entgegen dem Strom der angekommenen Fahrgäste. Im selben Moment erspähte Nick Carter auch schon den Mann, welchen er selbst beobachten und ohne dessen Vorwissen bis zum Hotel Waldorf Astoria geleiten sollte. Er sah, wie die beiden Männer auf den Ankommenden zueilten und zu dessen beiden Seiten so rücksichtslos dicht vorüberstreiften, dass sie ihn fast anrempelten. Im selben Moment machte der Fremde auch schon eine bestürzte Bewegung und rannte in hochgradiger Erregung dem Braunbärtigen nach, der ihm irgendeinen Gegenstand aus der Hand gerissen zu haben schien, nun wie ein gehetzter Hirsch bis zum Ende des Inselperrons stürmte und hinter dem letzten Waggon des eingelaufenen Expresszuges verschwand.

»Chick, sieh nach unserem Mann. Ich eile dem Braunbart nach!«, rief Nick Carter seinem Gehilfen zu, während er selbst schon in langen Sprüngen hinter dem Flüchtigen hersetzte. Er erreichte das Perronende noch rechtzeitig genug, um den Braunbart durch den hinteren Bahnhofsausgang an Depewstreet sausen und gleich darauf unter der Menge der dort aufgestellten Kutschen, Cabs und Gepäckwagen verschwinden zu sehen.

Der Mann eilte in der Richtung zu der 42th Street. Als er um die Ecke in diese einbog, verlangsamte er seine Hast, als ob er sich nunmehr vor jeder Verfolgung sicher fühlte. Es war dem Detektiv auch schon gelungen, bis auf wenige Fuß Entfernung an den Verfolgten heranzukommen, als dieser sich wieder spähend umschaute. In diesem Moment erblickte er auch schon Nick Carter und erkannte ihn nicht nur, sondern begriff augenscheinlich, dass dieser auf seiner Fährte war. Im selben Bruchteil einer Sekunde sauste der Flüchtende auch schon von Neuem weiter, und zwar mit einer Schnelligkeit und Ausdauer, welche den berühmten Detektiv sofort erkennen ließ, dass er es mit einem Mann zu tun hatte, der in allen körperlichen Übungen nicht minder gewandt war als er selbst.

Eine wilde Jagd begann, die sich in östlicher Richtung über die dritte und zweite Avenue durch die 42th Street zog, bis die kleine Parkanlage zwischen der zweiten und ersten Avenue erreicht war, welche Prospektplatz heißt. An dieser Stelle senkt sich die 42th Street zum East River, dem östlichen Arm des Hudsonflusses, und bildet einen steil abfallenden Tunnel, dessen Krönung eine kleine Parkanlage bildet, zu welcher Steintreppen hinaufführen. Die kreuzende erste Avenue liegt bereits tief, sodass die flachen Dächer ihrer Häuser kaum die erste Stockwerkhöhe der am Prospektplatz sich hinziehenden Gebäudereihe erreichen.

Unausgesetzt war der Verfolgte bisher im Vorteil geblieben. Glaubte Nick Carter, ihm schon nahe genug gekommen zu sein, um ihn packen zu können, so wusste sich der Braunbart immer noch im letzten Augenblick um einen gerade passierenden Wagen oder eine Straßenbahncar herumzuwinden, während sein Verfolger so lange zu warten hatte, bis das Hindernis aus seinem Weg gefahren war. Dadurch entstanden nur sekundenlange Unterbrechungen, doch sie waren gerade genügend, um dem Verfolgten wieder von Neuem einen Vorsprung zu geben. Als dieser nun, an dem zum Prospektplatz führenden Treppen angelangt, die Stufen hinaufeilte, dadurch kurz vor der kreuzenden ersten Avenue mit ihren vielen Versteckmöglichkeiten von der 42th Street abbiegend, umspielte ein flüchtiges Lächeln den energisch geformten Mund des Detektivs, denn nun glaubte er, seinen Mann dingfest zu haben. Er vermeinte nicht anders, als dass der Verfolgte die Parkanlage durchqueren und an deren hinteren Ende die zur ersten Avenue wieder herunterführenden Stufen benutzen würde. Stattdessen aber sah Nick, wie der Braunbart bis zum Ende des nach der Flussseite zu errichteten Steinwalles lief, sich über das dort angebrachte Eisengitter schwand und entschlossen in die Tiefe zu springen schien.

Als gleich darauf Nick das Gitter erreichte, sah er in vielleicht zehn Fuß Entfernung vor sich eines der Hintergebäude der Häuser an der ersten Avenue. Der Tunnelwall befand sich in etwa derselben Höhe mit dem obersten Stockwerk. An einem der Fenster war der sogenannte Fire Escape angebracht; es sind dies an den einzelnen Stockwerken befestigte, untereinander mit steilen Leitern verbundene Eisenbalkone, welche es bei einem plötzlich ausbrechenden Feuer den Bewohnern gestatten, direkt ins Freie zu gelangen.

Mit kühnem Satz hatte der Braunbart den Sprung von der Wallbastei zu dem obersten Fire Escape gewagt, obwohl der zwischen beiden gähnende Abgrund wohl sechzig Fuß betragen mochte, denn die Häuser an der ersten Avenue sind ausnahmslos sehr hoch gebaut. Im nächsten Moment hing er an der schwachen Balkoneinfassung, sodass diese unter seinem Gesicht zitterte und sich nach abwärts zu senken schien. Doch nur einen Moment lang, dann hatte sich der Verfolgte mit bewunderungswürdiger Geschicklichkeit in die Höhe gezogen und stand nun sicher auf dem Balkon, seinem Verfolger einen höhnischen Blick zuwerfend.

Doch er hatte Nick Carter unterschätzt, denn im Nu war auch dieser über das Eisengitter der Wallbrüstung geklettert, um dem anderen nachzuspringen. Der Verfolgte begriff kaum die Absicht des Detektivs, als er das Balkongitter erkletterte und, indem er sich an den in der Wand befestigten Rollen, über welche die gespannten Trockenleinen von den verschiedenen Stockwerken aus zu einem in zentraler Lage errichteten riesigen hölzernen Trockenmast laufen, festhielt, schwang er sich mit erstaunlicher Gewandtheit auf das flache Hausdach.

Im selben Moment hatte Nick Carter mit sicherem Sprung den Fire Escape erreicht. Schon wollte er sich in der nämlichen Weise, wie dies der Verfolgte bewirkt hatte, am Eisengeländer hochziehen, als der halb verrostete und auf derartige Gewaltsprünge nicht eingerichtete Balkonträger auf der einen Seite brach und unter dem Gewicht des daran hängenden Detektivs sich nach der gähnenden Tiefe senkte. Doch mit mächtigem Schwung strebte Nick nach dem noch unversehrt in den Eisenbändern hängenden Balkonteil – und ehe auch dieser unter seinem Gewicht niederzubrechen drohte, hatte Nick schon mit erstaunlicher Geistesgegenwart sich von Neuem hochgeschwungen und mit sicherem Griff die Dachkante erfasst.

Gleich darauf stand er auf dem Hausdach, gerade aber noch rechtzeitig genug, um den Braunbart an dessen anderem, der 42th Street zugewendeten Ende, sich in die Tiefe hinunterschwingen zu sehen.

Gleich den meisten New Yorker Eckhäusern beherbergte auch dieses einen Saloon, und dessen sogenannter Familieneingang, der durch eine Art mit Pappdach bekleideten Holzpavillon bemerkbar gemacht wurde, befand sich unmittelbar unter dem nur noch mit ausgespreizten Fingern am Rand des Hausdach Hängenden, doch mindestens um 25 Fuß tiefer. Wie nun Nick, entschlossen, um jeden Preis den Verfolgten in seine Gewalt zu bringen, sich mit langen Sätzen diesem näherte und sich nach ihm beugte, um ihn bei der Schulter zu fassen und hochzuzerren, da ließ der Braunbart sich kurz entschlossen fallen. Als Nick sich über die Dachbrüstung lehnte und in die Tiefe hinunterstarrte, da sah er gerade noch, wie der niedersausende Körper auf das Dach des Eingangspavillons aufschlug, dieses glatt durchbrach und darunter verschwand.

Dem tollkühnen Flüchtling auf demselben Weg nachzufolgen, wäre Wahnsinn gewesen und hätte sicheren Tod bedeutet. Doch der spähende Blick des Detektivs fiel auf eine Art Abflussröhre der Dachrinne, welche mit Eisenbändern an der äußeren Hausmauer festgemacht war und bis hinunter zum Straßenpflaster lief. Im selben Moment hing Nick Carter auch schon an der Blechrinne und turnte in unglaublicher Hast, geschickt immer an den verschiedenen Bandeisen Halt gewinnend, sodass die dünne Röhre unter seinem schweren Gewicht nicht zerbrechen konnte, von Stockwerk zu Stockwerk nieder.

Als er das Straßenpflaster glücklich erreichte, hörte er ganz entsetzt eine Stimme rufen: »Ewiger, da ist er schon wieder!«

Zugleich sah er einen stark hinkenden Mann in der Richtung zu der an der ersten Avenue gelegenen Gasanstalt quer über die Straße eilen.

Es war der von ihm Verfolgte. So rasch er konnte, versuchte Nick zu folgen, obwohl er durch einige Besucher des Saloons, die durch das Gepolter des einstürzenden Pavillondaches auf die Straße gelockt worden waren, mit neugierigen Fragen bestürmt wurde. Kurz vor der Ecke der ersten Avenue sprang auf den Verfolgten ein Mann zu. Nick gewahrte deutlich, wie der Erstere dem anderen hurtig etwas aushändigte und dann weiterlief, so rasch sein starkes Hinken, das durch eine beim Sprung in die Tiefe davongetragene Verletzung herrühren mochte, dies zuließ.

Der Detektiv war sich ohne Weiteres darüber klar, dass der Dazwischengekommene ein Helfershelfer des Verfolgten war und von diesem die im Grand Central Depot gestohlene Aktenmappe ausgehändigt hatte. Darum setzte er sich ohne Besinnen nun auf die Spur des neuen Mannes. Da dieser frisch und ausgeruht war, während der Detektiv unter dem Einfluss der wilden Hetzjagd und der mit ihr verbunden gewesenen Strapazen gewaltig keuchte, so gelang es dem Ersteren ohne Weiteres, einen ziemlichen Vorsprung zu gewinnen. Doch mit zäher Beharrlichkeit, seine gewaltigen Körperkräfte bis zum Äußersten anspannend, rannte Nick hinter ihm her und kam immer näher an diesen heran.

Der Mann war zur 41th Street gelaufen, durchquerte nun diese und pfiff mehrere Male laut, als ob er Genossen herbeirufen wollte. Zurück nach der zweiten und dritten Avenue ging es; immer lauter und dringlicher pfiff der Flüchtling ein schrilles, kurzes Signal. Dann kurz vor der dritten Avenue sprangen etwa ein halbes Dutzend Männer aus einem Torweg, eilten auf den atemlos voranstürmenden Mann zu, umringten ihn – und schon die Sekunde darauf wirbelte die ganze Schar wieder wie ein Schwarm aufgescheuchter Krähen auseinander, jeder von ihnen in eine andere Richtung. Der bisher von Nick Verfolgte dagegen mäßigte nun seine Geschwindigkeit. An der Straßenecke blieb er stehen und wendete sich nach dem Detektiv um.

»Well, Mr. Carter«, meinte er mit einem frechen Lachen, »warum verfolgen Sie mich eigentlich?«

Der Detektiv war bereits überzeugt davon, dass die sechs Kerle Bundesgenossen des eben von ihm Verfolgten und dessen Vorgängers waren; einer von ihnen hatte die geraubte Aktentasche im Empfang genommen, und jegliche Verfolgung erschien vorläufig völlig aussichtslos.

Mit grimmiger Entschlossenheit packte der Detektiv den Flüchtling beim Arm; ein Blick in das gemeine, durchtriebene Gesicht des anderen hatte ihn erkennen lassen, dass dieser ihm nicht bekannt war.

»Sie kommen mit – nach dem Stationshaus!«, rief Nick bestimmt.

»Fällt mir gar nicht ein!«, entgegnete der Bursche frech, indem er sich loszureißen strebte und drei oder vier übel ausschauende Burschen, die eben um die Ecke tauchten, verstohlen zunickte.

»Lass den Mann los!«, schrie nun einer von ihnen und wendete sich drohend gegen Nick.

Doch der durch sein Missgeschick ohnehin aufs Äußerste Gereizte fuhr wie der Blitz zwischen die Kerle. Stöhnend lagen drei der Burschen im nächsten Moment am Boden, doch nur, um sich schleunigst wieder aufzuraffen und mit äußerster Behändigkeit das Hasenpanier zu ergreifen. Zugleich hatte Nick auch schon seinen Revolver gezogen und rief den Verhafteten, der sich gleichfalls wieder hurtig in Bewegung gesetzt, so drohend an, dass der Mann, kaum dass er sich umgewendet und die Schusswaffe in den Händen des Detektivs wahrgenommen, klein beigab und stehenblieb. »Nicht schießen!«, rief er ängstlich. »Ich habe ja gar nichts verbrochen.«

»Das wird sich im Stationshaus herausstellen!«, erwiderte der Detektiv kurz.

Der diensttuende Sergeant im Stationsgebäude kannte den Gefangenen, wie sich sofort herausstellte, als Nick Carter mit ihm vor der Schranke auftauchte, hinter welcher der Polizeigewaltige amtierte.