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Der Welt-Detektiv Band 6

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Deutsche Märchen und Sagen 148

Johannes Wilhelm Wolf
Deutsche Märchen und Sagen
Leipzig, F. A. Brockhaus, 1845

192. Pfeil gen Himmel geschossen

Ein Spieler hatte durch Würfeln alles verloren und verzweifelte darüber dergestalt, dass er einen Bogen ergriff und einen Pfeil gegen den Himmel schoss, als ob er des Himmels Herrn hätte durchbohren wollen. Bald aber fiel der Pfeil vor dem Frevler nieder. Als dieser ihn genau besah, fand er ihn mit frischem Blut gefärbt. Das ergriff ihn so, dass er seine Sünde bereute und schwere Buße dafür tat.

193. Die Halsbrecherbrücke zu Gent

Alte Leute, welche in der Nähe der Brücke wohnen, erzählen, wie sie von ihren Großeltern gehört hatten, dass diese Brücke ihren Namen von folgender Begebenheit empfangen habe.

In früheren Zeiten, als man die erste Messe zu Weihnachten noch um zwölf Uhr hielt, waren es viele Leute, welche, um beizeiten in der Kirche zu sein, in der Nacht nicht schlafen gingen, sondern sich zu Hause oder in der Schenke die Zeit und den Schlaf vertrieben, bis es zur Messe läutete. Einige junge Burschen, welche zu früh von Zuhause weggegangen waren, traten in einer Christnacht in eine Bierschenke Zum Wannchen, unweit der Kirche. Da kam denn die Rede auf allerhand. Unter anderem erzählte einer der Burschen, er habe gehört, dass in der Weihnacht um zwölf Uhr, dem Augenblick, wo Christus zur Welt kam, alles Wasser sich in Wein verwandle. Ein paar andere lustige Gesellen, welche ihm zunächst saßen und schon manches Maß geleert hatten, lachten dessen und einer von ihnen vermaß sich gar zu sagen: »Das lügst du!«

Darauf sprach der andere: »Ich kann das nur wiedererzählen, wie ich es gehört habe. Ich habe es selbst noch nicht erprobt.«

»Dann will ich das einmal sehen«, schrie der Trunkenbold, »und das noch heute Nacht.«

Als es Zwölf schlug, verließ er die Schenke und ging über die Brücke, um an der Wassertreppe ein Glas voll Wasser zu schöpfen und zu prüfen, ob es denn wirklich in Wein verwandelt sei. Kaum aber hatte er unter Spotten und Fluchen einige Schritte auf der Brücke getan, als er wankte, niederstürzte und kein Zeichen von Leben mehr gab. Die anderen, welche ihm gefolgt waren, eilten herbei und hoben ihn auf, doch er hatte sich den Hals gebrochen. Seitdem heißt man die Brücke die Halsbrecherbrücke.