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Der Welt-Detektiv Band 6

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Der berühmte Sandwirt Andreas Hofer … – Teil 4

Der berühmte Sandwirt Andreas Hofer aus Passeier in Tirol und der Tiroler Freiheitskampf im Jahr 1809
Verlag der J. Lutzenbergerʼschen Buchhandlung, Altötting und Burghausen, 1860

4. Tirol unter bayerischer Administration

So waren also uralte Bande gelöst! Bedenkt man, wie schwer sich der Einzelne an etwas Neues gewöhnt; wie schwer es selbst dem Gebildeten wird, auch dem neuen Besseren den Vorzug zu geben, so weiß man auch ungefähr, wie schwer es damals allen Völkerschaften wurde, die durch die hin und her schwankende Politik aus einem gesetzlichen Staatsverband in einen anderen übergingen, und wie geraume Zeit es dauerte, ehe sie ihn, selbst wenn er besser und weiser gewesen wäre, schätzen lernten.

So erging es auch bei dem alten Bergvolk von Tirol. Wenn seine alten Sitten von Bayern unverändert erkannt worden wären, so würden sich die Tiroler allmählich in ihr neues Staatsverhältnis gefunden haben. Im Allgemeinen hätte selbst hierzu Zeit gehört, denn sie mussten sich doch daran gewöhnen, statt eines Doppeladlers einen Löwen zu sehen; statt einer Kaisers einen König zu haben; statt weißer Uniformen blaue zu erblicken und was solcher Dinge mehr sind, auf die der Gebildete nicht mehr wie auf eine Nussschale achtet, die der allen Neuerungen Abholde aber so fürchtet oder mit Widerwillen betrachtet, wie Gift und Operment.

Gleich die Art, wie Bayern Besitz vom neuen Land nahm, war nicht in der alten hergebrachten Form. Es hätte hergebrachtermaßen auf dem alten Schloss Tirol ein offener Landtag zusammenkommen und Bayern von ihm die Erbhuldigung empfangen sollen sowie gegenteilig das feierliche Versprechen gegeben werden müssen, das Land bei seinen Freiheiten und Rechten zu schützen und zu belassen, wie selbe von jeher bestanden oder neu vermehrt worden waren.

Allein dieses war nicht der Fall. Es war in Bayern damals das Zeitalter der Reformen nach allen Richtungen hin. Der Staat, aus dem alten zerrissenen Reichsverbände in genauen Verkehr mit Frankreich tretend, konnte beim besten Willen wegen der Konsolidation, Zentralisation und Reformation, welche dem Ganzen nötig schien, unmöglich den einverleibten neuen Teil desselben, Tirol, in seiner Eigentümlichkeit verbleiben lassen, wie es dessen ehrliche Bergbewohner glaubten , wenn ihnen vom Pfarrer oder Schulmeister der achte Artikel des Preßburger Friedens ausgelegt wurde.

Die Entwertung der österreichischen Bankozettel und der Kupfermünzen wirkten ebenso nachteilig auf die finanziellen Verhältnisse in Tirol, wie noch mehr die Geringschätzung der kirchlichen Sitten und Gebräuche den bigotten Sinn der Landbewohner aufs Höchste entrüstete. Noch war Tirol kein Jahr in Bayerns Verband und schon zeigten sich in seinen Tälern Spuren von Widersetzlichkeit; schon schwelte hier ein Feuer, dessen Ausbruch über kurz oder lang furchtbare Verheerungen anrichten konnte. Den redlichsten Beweis davon gibt eine unterm 20. November 1807 aus Innsbruck erlassene königliche Proklamation. Der König Maximilian von Bayern hat darin seine Tiroler Untertanen »den falschen Ausstreuungen der Aufwiegler keinen Glauben beizumessen, dass die Religion ausgerottet, die Priester unterdrückt, die Kirchen ausgeplündert und die Altäre zerstört werden solle, etc.« Es zeigt diese Urkunde, dass man das Volk von einer Seite bearbeitete, die ihm noch näher am Herzen lag als der Geldbeutel.

Ja selbst der Name Tirol sollte im Jahre 1808 verschwinden, um im nächsten desto glänzender in der Geschichte zu strahlen. Bei der neuen Einteilung Bayerns war das Land in fünfzehn Kreise eingeteilt worden, wovon drei, der Inn-, Eisack- und Etschkreis, das südliche Bayern bildeten; den Südbayern, nicht mehr Tirol, sollte das Gebirgsland heißen, welches Italien von Deutschland trennt. Ein nicht minder großer Schlag war die Einführung der allgemeinen Militärkonskription; ein Schreckenswort für alle jungen Tiroler, die gern auf ihren Bergen den Stutzen zu führen bereit waren, aber nicht unter der Fuchtel eines Korporals und im Gamaschendienst stehen wollten.

Die Verstimmung und der Missmut der Tiroler nahm unter solchen Umständen mit jedem Tag zu, sodass sie selbst in München kein Geheimnis waren. Der König Maximilian, ebenso redlich wie gutmütig, suchte in allem entgegenzuarbeiten, sofern nur nicht die Hauptsache berührt wurde, vermochte aber eben deshalb nichts zu erzielen. Man hatte 1808 die Tiroler durch ein großes Scheibenschießen versöhnen oder gewinnen wollen, dass am 27. Mai in Münden gegeben wurde. Der beste Schütze sollte 200 Dukaten erhalten und die Besten nach ihm 50, 30 und 20 Dukaten. Aber die Hoffnung, seinen Monarchen zu sehen und zu begrüßen, lockte den Bauer ebenso wenig aus seinen Tälern, wie diese großen Preise.

Tirol stand dazumal größtenteils unter der Gewalt von Beamten, die mit einer Machtvollkommenheit ausgerüstet waren, die sie nicht immer zum Wohle des Königs und des Landes anwendeten. Sie misskannten und verkannten nicht selten den geraden offenen Sinn der treuherzigen biederen Tiroler und legten so selbst den Keim des Hasses und der Zwietracht gegen sie in die Gemüter derselben. Wie in solcher Art die höchsten Beamten handelten, so beeilten sich auch die Subalternen, hierin nicht zurückzubleiben.

Der Landmann äußerte seinen Unwillen gegen solche Unterbeamte bei jeder Gelegenheit. Als der König Maximilian auf seiner Rückreise von Mailand, wo er am Hofe des Schwiegersohnes Eugen gewesen war, mit einem solchen zusammenkam, sagte dieser ganz offen: »Er, der König sei wohl ein guter und trefflicher Herr, aber seine Schreiber seien nichts nütze!«

Als sich im Jahre 1805 die österreichischen Truppen aus Tirol entfernten, hatte der Sandwirt Hofer dem Erzherzog Johann den Handschlag darauf gegeben, bei der erstbesten Gelegenheit wieder eins zu werden, alles zu tun und zu wagen, was dem Haus Österreich wieder zum Besitz dieses trefflichen Schildes verhelfen könnte. In dem Augenblick, wo der spanische Volkskrieg recht entbrannte, gestalteten sich diese Verbindungen umso lebhafter, ernsthafter und dennoch immer vom tiefsten Geheimnis verdeckt. Es war bereits die Zeit nahe, welche jener Tiroler Bauer prophezeit hatte, als er bei einem Scheibenschießen den ersten Preis mit der blau und weiß geschmückten Ehrenfahne gewonnen hatte.

»Nun«, fragte man ihn,» nicht wahr, biese blaue und weiße bayerische Nationalfarbe nimmt sich schöner aus als das Schwarz und Gelb der Österreicher.«

»O ja«, antwortete er ebenso beißend, wie scheinbar unschuldig: »Die Farbe ist schön, aber was wetten wir: Sie dauert nicht in die Länge. Sie steht ab; das Blaue wird mit der Zeit wieder schwarz und das Weiße gelb.«

Schon Ende Januar 1809 kamen bereits mehrere Abgeordnete, unter ihnen zuvörderst der Sandwirt Andreas Hofer nach Wien, um die Stimmung des Hofes zu erforschen, die Klagen des Landes Tirol gegen Bayern vorzubringen und den festen Vorsatz zu erneuern, für das Kaiserhaus, wie für sich selbst, alles zu wagen. Sie baten dann um Munition , Geld und Gruppen, die ihnen zur Unterstützung dienen konnten. Die Abgeordneten hatten beim Erzherzog Johann eine feierliche Audienz, der bereits zum Oberbefehlshaber einer Armee bestimmt war, welche Italien und Tirol zum Ziel hatte.