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Nick Carter – Arizona-Jack als Detektiv – Kapitel 3

Nick Carter
Amerikas größter Detektiv
Arizona-Jack als Detektiv
Ein Detektivroman

Auf der richtigen Fährte

Der Unbekannte hatte Nicks Verdacht erregt, weil er augenscheinlich ihren Besuch im Armoryʼschen Hause überwacht hatte. Seine Verfolgung wurde durch die lange Flucht des Museums, hinter welches er mit Riesenschritten geeilt war, wesentlich erschwert. Als die Detektivs um die Ecke bogen, vermochten sie den Verfolgten nicht mehr zu erblicken. Nick ließ sich dadurch nicht verblüffen; er nahm an, dass ihr Mann um den Riesenbau herumlaufen würde, und riet deshalb Chick, in ihm entgegengesetzter Richtung das Museum zu umkreisen. Diese Taktik hatte jedoch keinen Erfolg. Unverrichteter Dinge trafen sie auf der anderen Seite des Gebäudes wieder zusammen. Sie gewahrten nun einen Mann, der sich vorsichtig im tiefen Baumdunkel hielt und quer über die Rasenflächen in der Richtung zur 81st Avenue zu entkommen suchte.

Ungesäumt nahmen die beiden die Verfolgung auf. Doch dazwischen liegendes Buschwerk ließ sie schon nach wenigen Schritten den Verdächtigen wiederum aus den Augen verlieren. Dafür machten sie eine andere Wahrnehmung. Als sie nämlich den Parkausgang an der 81st Street erreichten, verwirrte sie es nicht wenig, dass von verschiedenen Richtungen her fünf Männer aus den dort einmündenden Parkwegen der Straße zueilten.

Es fiel ihnen sofort auf, dass unter den fünf Männern nur einer mit ersichtlicher Eile voranstrebte. Ohne sich um die anderen weiter zu kümmern, folgten sie diesem, der auch richtig, sobald er sich verfolgt sah, seine Schritte verdoppelte und schließlich in wilder Flucht bis zu der nächsten Treppe der Hochbahnstation davonstürmte. Mit Riesensätzen sprang er dann diese hinauf.

Frühere Erfahrungen hatten die Detektivs gewitzigt; sie wussten, wie leicht sich ein Verfolger auf den in halber Plattformhöhe untereinander verbundenen Treppen unsichtbar machen konnte. Deshalb lief Chick ohne Weiteres zu der anderen Hochbahntreppe, während Nick die Stufen hinter dem Verfolgten her hinaufeilte.

Kaum hatte Chick die Treppenverbindung erreicht, so sah er einen Mann ihm entgegenkommen, der bei seinem Anblick schleunigst kehrtmachte und in entgegengesetzter Richtung zurückstürmte.

Natürlich hatte auch Chick sich sofort gewendet und war die Treppe hinuntergeeilt. Als er eben das Straßenpflaster wieder erreichte, nahm er wahr, wie der soeben erst von ihm beobachtete Mann, verfolgt von Nick, die ursprünglich erstiegene Treppe wieder heruntergesaust kam, quer über die Straße nach der Columbus Avenue eilte und dort in eine mit voller Schnelligkeit gerade vorüberlaufende Straßencar unter direkter Lebensgefahr hineinsprang. Ehe er und Nick noch die Straßenecke erreichen konnten, war die Car schon um einen Block weitergefahren, und es lang nunmehr keine Möglichkeit vor, sie noch zu erreichen!

An der Straßenecke standen zwei Männer zusammen, die der downtown sausenden Car mit augenscheinlichem Interesse nachschauten. Die beiden Detektive, die sich gerade ärgerlich eingestehen wollten, dass der von ihnen Verfolgte entwischt sei, horchten gespannt auf, als sie die Unterhaltung der beiden Gentlemen vernahm.

»Was in aller Welt ist mit Macklyn los?«, sagte kopfschüttelnd einer der Herren zu seinem Begleiter. »Eben sauste er wie ein angeschossener Hirsch an uns vorüber und sprang wie besessen auf die Car dort. Er hätte sofort tot sein können … sollte er wieder mal einer reichen Mitgift nachjagen?«

»Well, ich begreife Macklyn nicht … Er benimmt sich doch sonst nicht wie ein Loafer«, meinte der andere missbilligend.

Rasch entschlossen trat nun Nick Carter auf die beiden zu.

»Ich bitte um Verzeihung«, begann er, leicht den Hut lüftend. »Ich hörte Sie eben den Namen eines Bekannten erwähnen. War es wirklich Mr. Charles Macklyn, der Bankier, der es so eilig hatte, die Car zu besteigen?«

»Allerdings, es war Mr. Macklyn«, entgegnete einer der Gefragten kurz. »Würde ich ihn nicht besser kennen, müsste ich annehmen, er hätte bereits die nötige Bettschwere.«

»Schien mir auch so«, bemerkte Nick lachend und verabschiedete sich kurz. Dann nahm er den Arm Chicks und sagte, nachdem sie ein Dutzend Schritte gegangen waren: »Well, das ging gut. Unseren Mann verloren wir zwar, wissen aber nun alles, was wir von ihm erfahren wollten. Hm, das Herumschnüffeln vor dem Armoryʼschen Hause und dann diese kopflose Flucht machen den Mann äußerst verdächtig. Du wirst gut daran tun, Chick, unverzüglich zuzuschauen, was du alles über diesen merkwürdigen Mr. Macklyn in Erfahrung zu bringen vermagst.«

»Soll geschehen, Nick«, brummte Chick. »Doch ich denke, für dich ist es nun Zeit geworden, mit Ida ins Opernhaus zu gehen, denn sonst dürfte diese Erholungsnacht so ziemlich die geschäftigste deines Lebens werden.«

Beide lachten belustigt und Nick sprach seinen festen Entschluss aus, nunmehr unverzüglich nach Hause zu gehen, sich dort umzuziehen und Ida zum Theater zu folgen. Doch sie waren noch nicht weit auf ihrem Weg zu der Straße, in der das Wohnhaus des Detektivs lag, die Avenue heraufgeschritten, als sie auf der anderen Straßenseite zu ihrem Erstaunen plötzlich Patsy wahrnahmen, wie er behutsam von Laternenpfahl zu Laternenpfahl huschte, augenscheinlich in der Verfolgung eines Dritten begriffen. Als sie weiter voran schauten, da erblickten sie auch den von dem Prärie-Desperado verwundeten Mann mit verbundenem Kopf, und Arm in Arm mit keinem anderen als dem wackeren Arizona-Jack, die Avenue herunterspazieren.

»Das ist aber ein merkwürdiger Anblick, was soll denn das heißen?«, raunte Nick.

»Mir steht der Verstand still … zwar Pack schlägt sich und Pack verträgt sich, doch nach dem Vorgefallenen erscheint dieses Zusammensein zweier schöner Seelen mindestens eigentümlich!«, rief Chick.

»Wir müssen ihnen folgen!«, entschied der Detektiv.

»Ja, was wird denn dann aus deiner freien Nacht – und Ida?«, wollte Chick wissen.

»Well, ich komme schon noch vor Theaterschluss zurecht … Es wird nicht lange dauern!«

Damit nahmen sie, auf derselben Straßenseite bleibend, von Neuem die Verfolgung auf, ohne dabei jedoch Patsy aus den Augen zu verlieren. Arizona Jack und sein nunmehriger Freund mit dem verbundenen Kopf schritten noch einige Blocks weiter und betraten dann einen Saloon.

Sofort kreuzten die Detektivs die Avenue und trafen mit Patsy gerade zusammen, als dieser hinter den beiden den Ecksaloon betreten wollte.

»Well, Kleiner, was ist los?«, fragte Nick.

»Ich will mich hängen lassen, wenn ich es weiß, Meister«, gab der Jüngling zurück. »Ich habe Ida gerade zum Opernhaus gebracht, und auf dem Rückweg traf ich die beiden Kerle, so kreuzfidel wie zwei Kröten in derselben Pfütze. Natürlich folgte ich ihnen unbemerkt.«

»Fein gemacht, Patsy«, sagte der Detektiv anerkennend. »Wir müssen herausfinden, was los ist.«

Als die drei den Saloon betraten, gewahrten sie, wie Arizona-Jack gerade dem Barkeeper bedeutete, das Beste aufzutischen, was seine verd… Wanzenbude aufwies; denn das sei immer noch nicht gut genug für den Mann, aus dem er noch vor kurzem Hackfleisch zubereiten versucht hätte.

Kaum waren die Detektivs eingetreten, als Jack sie auch schon wahrnahm. Mit einem Kriegsschrei, der die Wände zum Erzittern brachte, eilte er auf sie zu und bestand darauf, dass sie mit ihm trinken müssten.

»Well, das ist eine Sache für sich«, erklärte er dann auf Nicks Frage, wie er wiederum in die Gesellschaft seines vorhin doch verhaftet gewesenen Widersachers gekommen sei. »Jim Colton, so heißt mein Freund, ist ein guter Kerl und hat wirklich nur einen Witz gemacht, als er nach meiner Rolle Plungs gelangt hat … Sie haben es mir alle im Saloon gesagt. Well, was sollte da der Mann noch im Loch? Vertobakt hatte ich ihn ohnehin schon gründlich – also Schwamm drüber. Ich ins Stationshaus, und der Sergeant war kein Unmensch … Ich stellte hundert Dollar Bürgschaft für ihn, und nun ist der arme Kerl wenigstens wieder frei … Und nun wollen wir beide die Trinkverhältnisse dieser vergnügten Ansiedlung eingehend weiter als Sachverständigenkommission untersuchen«, schloss Jack behaglich.

»All right«, gab der Detektiv lachend nach. »Sagt mal, Colton, wer waren die beiden, die bei unserem Erscheinen auskniffen?«

»Ich kenne nur einen davon mit Namen, einen gewissen Gould«, berichtete Colton bereitwillig. »Was er eigentlich ist, das weiß ich nicht … doch er hat großen Einfluss auf die Schwarzen Katzen, die berüchtigte Bande von der 10th Avenue. Man will wissen, er sei die rechte Hand eines bekannten Politikers, der großen Einfluss bei der Stadtbehörde hat … doch ja«, unterbrach er sich, »der Mann, der zu Gould kam und ihm zuflüsterte, mit der Mädchengeschichte sei es nichts geworden, heißt Harry Hunton und ist so etwas wie ein Leutnant der Black Cats

Der Mann hielt in seinem Bericht inne, wie unschlüssig, ob er noch weitere Mitteilungen machen sollte.

»Well, Mr. Carter«, wisperte er dann vertraulich, »es ist eine verd… Ehre für unsereinen, sich mit so einem berühmten Detektiv gemein zu machen. Wie sie mich vorhin im Stationshaus eingeschlossen haben, da ging es über Sie her. Sie wissen ja, die drei Kerle, die Sie verfolgt haben – Fred Smithers, Al Baker und Tim Sullivan – sind alle drei Mitglieder von den Black Cats. Sie schimpften«, setzte er mit listigem Augenzwinkern hinzu, »mächtig auf Euch, weil Ihr sie um eine große Summe Geldes gebracht habt, die hätten sie nämlich von Gould ausgezahlt erhalten, wenn das bewusste Fräulein eingefangen worden wäre. Ich meine, da steckt einer dahinter, der ein großes Portemonnaie hat … Die drei Brüder waren riesig erbost und fluchten, weil man sie einsperrte und die eigentlichen Schuldigen frei herumspazierten.«

Nick schien nur zerstreut zuzuhören; in Wahrheit waren ihm die Angaben des Mannes indessen äußerst wichtig und er lauschte mit gespanntem Interesse.

»Well«, sagte er dann Chick zu, »da passt Glied an Glied. Wir dürften Mr. Macklyn nicht unrecht tun, wenn wir ihn für die Treibfeder des ganzen Komplottes halten.«

»Wird schwerlich zu beweisen sein, Nick«, brummte Chick skeptisch. »Unser Mann steht gesellschaftlich und geschäftlich sehr hoch … und er scheint mir ein aalglatter Bursche – doch holla«, unterbrach er sich, indem er gespannt auf einen eben eilig in den Saloon Tretenden schaute. Dann packte er den Detektiv verstohlen beim Arm und wisperte leise: »Nick, der Mann dort ist der von uns verfolgte, der mit Lebensgefahr auf die downtown Car sprang.«

»Macklyn?«, entgegnete der überraschte Detektiv ebenso behutsam. »Du irrst dich, Chick!«

»Dann irre ich mich eben«, bemerkte dieser, verstohlen den Mann betrachtend, der, ohne sich im Lokal umzuschauen, auf den zunächst an der Tür beschäftigten Bartender herangetreten war und diesen etwas fragte. »Aber ich irre mich nicht!«, setzte Chick zuversichtlich hinzu.

So leise die beiden auch gesprochen hatten, so hatte Colton doch ihrer Unterhaltung folgen können; nun mischte er sich ein.

»Well«, sagte er leise, »von Namen und Stand kenne ich den Mann dort nicht, aber ich weiß, dass er ein großer Freund von Gould und dessen einflussreichem Freunde ist … Ich habe die drei häufig schon zusammen in den berüchtigtsten Straßenvierteln auf Abenteuer ausgehen gesehen.«

Auch Patsy hatte gehört, was die beiden anderen miteinander gesprochen hatten. In seiner dreisten Art hatte er sich, ohne von dem vermutlichen Macklyn bemerkt zu werden, in dessen unmittelbarer Nähe aufgepflanzt. Da vernahm er denn, wie der Fremde nach Andrew Gould fragte und vom Bartender zur Auskunft erhielt, der Gesuchte sei seit dem Spätnachmittag nicht mehr dagewesen, halte sich aber höchstwahrscheinlich in einem unweit entfernt gelegenen Saloon auf.

»Das bestätigt Eure Angaben, Colton«, wendete sich der Detektiv an diesen, als der zurückkehrende Patsy ihm das eben Gehörte berichtet hatte. »Der Mann fragte richtig nach Gould.« Er dachte sekundenlang nach und zog dann Chick beiseite. »Well, Chick, das alles scheint deine Annahme, dass jener Mann wirklich Macklyn ist, zu bestätigen. Aber ist es nicht auffällig, dass er so schnell wieder nach der Gegend, aus der er erst vorhin geflohen ist, zurückgekehrt ist?«

»Kann ich nicht einsehen«, entgegnete Chick kopfschüttelnd. »Natürlich nimmt er an, wir wären längst über alle Berge. Sein sicheres Auftreten beweist, dass er sich ungefährdet glaubt.«

»Mag sein!«, stimmte der Detektiv nachdenklich zu. Und dem Fremden, der eben wieder den Saloon verließ, ohne von einem der darin Anwesenden auch nur Notiz genommen zu haben, scharf nachschauend, entschied er kurz: »Well, wir müssen ihm folgen!«

»Aber was wird aus Ida?«, lachte Chick. »Die Oper wird bald zu Ende sein.«

»Schadet nichts, das kostet mich dann nur einen Ohrring«, entgegnete der Detektiv, sich hinter dem Ohr krauend. »Wir holen sie gemeinschaftlich vom Theater ab und speisen dann irgendwo zusammen.« Rasch wendete er sich darauf an Patsy: »Kleiner, du übernimmst die Führung. Aber lasse dir nicht etwa den Vogel unterwegs entwischen … Wir folgen dir auf dem Fuße.«

Damit traten sie auf die Straße und Patsy pirschte sich geschwind und vorsichtig an den ahnungslos Voraneilenden heran.