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Ein Ostseepirat Band 2 – Kapitel 15

Carl Schmeling
Ein Ostseepirat
Historischer Roman, Zweiter Band
XV.
 Eine Vereinigung

Das Schiff der Linie, welches das fremde Segel signalisiert hatte, gab zugleich durch andere Zeichen die Richtung an, in welcher es erschienen war. Jacobson richtete sein Fernrohr demgemäß; die Richtung war südlich.

Der Kapitän blickte lange in derselben durch das Rohr, mit dem er den ganzen Horizont musterte, ohne jedoch etwas zu entdecken. Er setzte das Instrument deshalb ab.

»Entweder«, meinte er, »jene Leute sehen mehr, als gewöhnlich zu sehen ist, oder ich sehe weniger gut als sonst. Der Horizont ist glatt, ich sehe keine Spur von einem Segel. Versucht Ihr mal, Swieten.«

Der Steuermann nahm schweigend das Instrument und wollte es eben an sein Auge bringen.

»Nun!«, sagte Nehls, »ich denke, wir werden uns wohl mit dem Boot da vor unserer Nase begnügen müssen, es ist ja auch ein Fahrzeug.«

»Bei Gott!«, rief der Kapitän, »ein Boot, gebt mir das Glas, zurück, Swieten. Was aber kann das bedeuten? Wir hatten keinen Sturm. Man sucht uns vielleicht!«

»Ohne Zweifel«, murmelte Swieten, »man gibt Winke mit einem weißen Lappen.«

Jacobson musterte das Fahrzeug, welches durch Ruder fortbewegt wurde, mit seinem Instrument. Plötzlich stieß er einen Ruf der Verwunderung aus.

»Nehls!«, rief er hinterher, »betrachtet einmal den Trog und besonders sein Verdeck, ob Ihr nicht auf demselben Leute seht, die wir kennen und die doch vielleicht uns nicht gerade suchen!«

Nehls nahm das Fernrohr und schaute hindurch. »So wahr ich lebe!«, rief er gleich darauf, »aber Kapitän, die Leute suchen uns gerade. Sie werden dem alten Herrn doch an das Magre gekommen sein und da hat er am Ende gut befunden, sich außer Schussweite zu ziehen!«

»Kann sein«, murmelte der Kapitän.

»Aber wer uns nicht suchen dürfte«, meinte Swieten, »das ist der junge Kampfhahn, welcher da mit dem Lappen winkt. Er hätte sicher die wenigste Ursache dazu.«

Der Kapitän zog seine Stirn in Falten.

»Wovon ist die Rede!«, fragte Clara, die so lange aufmerksam zugehört hatte, plötzlich. »Wer ist in dem Boot?«

»Wenn uns nicht alles täuscht, Clara«, antwortete Jacobson, »so nähern sich uns in demselben Ihre Eltern, die Schwester und der Fähnrich Wardow, den alten Klassen nicht zu vergessen.«

Clara ließ einen Ruf der Überraschung hören; es war wirklich, wie der Kapitän sagte.

Glücklich vom Land abgekommen und nicht verfolgt, hatte das Boot mit den Flüchtlingen allgemach trotz widrigen Windes die Höhe vom Meer erreicht. Da der Abend einbrach, beschloss Wardow im Einverständnis mit Klassen beizulegen und die Nacht möglichst auf der Stelle zu bleiben, damit man nicht der schwedischen Küste zu nahe komme.

Überdies um ferner den schwedischen Kreuzern zu entgehen, denn den Freischiffer sofort zu finden, durfte man nicht erwarten.

Zu jenem Zweck betraten dann auch Wardow und Klassen die Kajüte des Fahrzeuges, in die sich bereits die Griebensche Familie zurückgezogen hatte. Auf Klassens Vorschlag beschloss man, der dänischen Küste sich zuzuwenden. Dänemark war nämlich immer noch neutral verblieben und man hatte deshalb dort nichts zu fürchten.

Nach Beendigung des Rates verließ der alte Hochbootsmann die Kajüte wieder, um den Matrosen das Resultat derselben mitzuteilen, da man unter den obwaltenden Umständen auch ihnen eine gewisse Entscheidung einräumen musste.

In der Kajüte fand dagegen noch eine andere Beratung statt.

»Frau«, sagte nämlich der Major, »was wir bis jetzt noch nicht Gelegenheit zu besprechen hatten, und das doch eilt, für alle Fälle in Wichtigkeit gebracht zu werden, ist eine Bestimmung über die Zukunft von uns allen. Du weist bisher indessen noch nicht, was eigentlich geschehen ist und was wir verloren haben. Das Letzte ist bald gesagt, denn es umfasste gerade alles, was von unseren Besitztümern nicht zwischen den Planken dieses Bootes ist.«

Die Frau erschrak nicht wenig, denn so arg hatte sie sich die Sache nicht gedacht, aber sie äußerte nicht viel. Der Major nickte beistimmend mit dem Kopf.

»Gut«, meinte er, »versuche es mit Ruhe zu ertragen, es geht nicht anders; auch dieser junge Herr befindet sich mit uns in derselben Lage – und das um meinetwillen!«

Der Major sprach diese Worte mit einem besonderen Nachdruck und fuhr dann fort, zu erzählen, was sich mit ihm in Stralsund begeben hatte, wie er behandelt worden war, welche Aussichten er gehabt hatte und wie er durch Wardows Hilfe und edle Aufopferung frei geworden war.

Die Majorin reichte nach diesen Mitteilungen dem jungen Mann dankend die Hand und dieser brachte sie respektvoll an seine Lippen.

»Was nun mich betrifft«, fuhr Grieben fort, »so muss ich meine weiteren Schritte tun, um mich in Sicherheit zu bringen. Nach reiflicher Überlegung nun, besonders, nachdem ich in diese Lage geraten bin, erscheint mir Kapitän Jacobson in etwas anderem Licht als früher. Es wäre mir daher lieb, ihn aufzufinden, teils um über Clara Gewissheit zu haben, teils aber, um durch ihn auf preußischem Boden zu gelangen. Finden wir ihn indessen, was zu erwarten steht, nicht, so werde ich durch Dänemark nach Preußen und Dienste bei Friedrich II. suchen. Wahrscheinlich wird mich unser Wardow bei dieser Gelegenheit begleiten!«

»Ganz gewiss«, antwortete der junge Mann lebhaft.

»Für uns beide wäre also gesorgt«, sprach der Major weiter, »doch wohin mit euch? Das ist die Frage.«

»Ich weiß darauf keine Antwort, Lieber«, antwortete die Frau betrübt.

»Aber ich«, sagte Grieben, »wie wäre es, wenn wir für dich und Sophie einstweilen ein Asyl bei deinem Bruder in Mecklenburg suchten?«

»Er wird uns sicher aufnehmen«, sagte die Frau.

»So wäre auch das in Ordnung«, fuhr der Major fort. »Doch nun noch eine andere Sache. Ich bin diesem tapferen Jüngling, diesem kühnen Mann eine Genugtuung schuldig, und zwar eine doppelte, weil ich ihn nach Ausführung einer edlen tapferen Tat noch ein Kind zu nennen wagte. Still, lieber Wardow! Er hat mir anvertraut, liebe Frau, dass ihm Sophie nicht gleichgültig ist – nicht hinaus Mädchen, du bleibst – wenn dasselbe bei dir der Fall hinsichtlich Wardows ist, so sollt ihr heute versprochen werden – doch eure wirkliche Verbindung wird wohl noch eine Weile hinausgeschoben werden müssen!«

Die gute Frau lächelte sanft; sie sagte diesmal nichts darüber, da sie auch diese Annäherung der Kinder bemerkt hatte, doch gab sie ihre Zustimmung. Sophie erklärte stammelnd und unter Erröten, dass Wardow von ihr geliebt werde.

»Gut, gut«, meinte der Major, »du tust mir damit einen großen Gefallen, Kind, denn meine Ansichten über den jungen Herrn haben sich gegen früher ebenfalls bedeutend verändert. Also gebt euch die Hände – Gott segne euren Bund, wie ich es tue!«

Diese einfachen Worte des Majors rührten seine Zuhörer fast zu Tränen. Sophie sank der Mutter an die Brust, der Major schüttelte dem Fähnrich nochmals die Hand, und der Bund war geschlossen.

Als sich die Griebensche Familie zur Ruhe begab, war Wardow bereits auf dem Verdeck, um seine Wache, die sogenannte Kapitänswache, anzutreten.

»Klassen!«, meinte er dabei zu seinem jetzigen Offizier, »ich behielte Euch heute gerne bei mir oben, doch Ihr müsst ruhen – geht also und wisst nur noch, dass ich mich eben mit Sophie von der Grieben verlobt habe.«

»Wünsche Glück!«, sagte Klassen, die ihm gebotene Hand des Fähnrichs ergreifend und begab sich zur Koje.

Wardow blieb mit seinem Glück und seinen Hoffnungen allein. Als er später von Klassen abgelöst worden war, suchte er zwar auch sein Lager auf, blieb jedoch wach, um sich romantischen Schwärmereien und dem Bau von herrlichen Luftschlössern zu überlassen.

In dieser interessanten Beschäftigung wurde er jedoch mit dem Morgengrauen durch einen Mann gestört, den Klassen geschickt hatte, um ihm zu melden, dass man eine Anzahl Schiffe in Sicht bekommen hatte. Wardow sprang empor und eilte auf das Verdeck.

Die Lage der Flüchtigen war bei dieser Gelegenheit misslich. Man konnte zuerst nicht anders als annehmen, dass diese Schiffe eine Eskadre der schwedischen Flotte bildeten. Der beste Rat schien, sofort die Segel aufzuspannen, um hinabzulaufen, woher man gekommen war, so lange man noch nicht entdeckt sei.

Doch das scharfe Auge Klassens erkannte sehr bald den Schoner und auch Wardow schien er schließlich bekannt; nur blieb es unerklärlich, wie derselbe in Gesellschaft so vieler anderer Schiffe segeln könne.

Bei dem entstandenen Lärm erschienen dann auch der Major und die Frauen auf dem Verdeck, und Ersterer erklärte den noch zweifelhaften Umstand dadurch, dass Jacobson ein Geschwader unter preußischer Flagge führen werde. Man beschloss, sich demselben zu nähern und ihm Zeichen zu geben. Schlimmstenfalls konnte man einem schwedischen Geschwader durch eine List entgehen.

Man kann sich ungefähr die Szene denken, welche folgte, als das Boot den Schoner erreichte und die uns bekannten Personen an Bord stiegen. Wenige Worte genügten, alles ins Reine zwischen den verschiedenen Parteien zu bringen. Jacobson nahm seine Gäste mit herzlicher Zuvorkommenheit auf, versprach auch jeden der Wünsche des Majors zu erfüllen, besonders aber die Frauen, Clara eingeschlossen, bevor er seine weiteren Zwecke verfolgte, nach Mecklenburg zu bringen. In Betreff seiner Absichten auf Clara sagte er jedoch kein Wort.

Als aber jenes bewerkstelligt worden und der Major sowie Wardow glücklich bis zu den russischen Vorposten in Pommern befördert worden waren, entspann sich ein Krieg auf der See, in dem Preußens Adler, obwohl nur von geringen Kämpfen unterstützt, dem schwedischen Banner bis zum Herbst viel zu schaffen machte.