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Der Welt-Detektiv Band 6

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Der berühmte Sandwirt Andreas Hofer … – Teil 3

Der berühmte Sandwirt Andreas Hofer aus Passeier in Tirol und der Tiroler Freiheitskampf im Jahr 1809
Verlag der J. Lutzenbergerʼschen Buchhandlung, Altötting und Burghausen, 1860

3. Abtretung Tirols an Bayern

Nachdem das Land Tirol in früheren Jahrhunderten als eigene Grafschaft bestanden hatte, später aber an Bayern gekommen und von diesem als Lehen vergeben wurde, kam es im 14. Jahrhundert durch freiwillige Verzichtleistung und in Übereinstimmung mit den Ständen an Österreich. Die Landgräfin Margaretha, genannt die Maultasche, hatte sich, nachdem sie von ihrem Gemahl geschieden lebte und dieser in seine Heimat Böhmen zurückgekehrt war, freiwillig der Herrschaft begeben und diese dem Haus Habsburg abgetreten, welches fortan das Land zu eigen besaß und dessen Regent herkömmlich auch in der Hauptstadt des Landes Tirol, nämlich in Innsbruck, die Huldigung der Stände entgegennahmen, zu welcher neben dem Adel, den Prälaten und den Städtern auch der Bauer als Landstand erschien. Friedrich IV. mit der leeren Tasche hatte die Rechte der minder bemittelten Grundbesitzer des Tiroler Landes noch mehr erweitert, und von jener Zeit an hingen sie mit unverbrüchlicher Treue an ihren Fürsten und fügten ihr Interesse mit Gut und Blut gegen jede feindlich gesinnte Unternehmung.

Solches erfuhr namentlich auch Kurfürst Maximilian Emanuel von Bayern, als er im Jahre 1703, im Krieg mit dem Haus Habsburg begriffen, die Absicht hegte, durch Tirol vorzubringen und sich mit der Armee des französischen Marschalls Bendome zu vereinigen, um sodann einen entscheidenden Krieg gegen das Herz Österreichs beginnen zu können. Rasch zog der Kurfürst mit einer Armee von 16.000 Mann gegen die Tiroler Veste Kufstein und nahm dieselbe; eine ebenso schnelle Beute waren die Ehrenburg und die Scharnitz. Als Emanuel so schnell drei Eingänge des Landes genommen hatte, gab es anfangs große Bestürzung auf den Bergen und in den Tälern. Des Kaisers Soldaten aber flohen davon. Was taten da die Tiroler Landleute? Sie bewaffneten sich. Es tönte der Glockenruf bei Tage, die Feuersäule leuchtete in der Nacht von Berg zu Berg und alle gelobten, ihr Land vom Feind zu befreien. Ihrer zweitausend nahmen den starken Fernstein an dem Tag wieder ein, als ihn die Bayern erobert hatten. Max Emanuel hoffte das Volk durch Versprechungen zu beschwichtigen und das Heer musste strenge Manneszucht hatten; allein vergebens. Jeder Bayer ein Feind des Erzhauses und somit auch jedes Tirolers. Selbst das Leben des Kurfürsten kam hierbei in große Gefahr. Als er von den Schanzen an der Martinswand hinweg nach Zierl ritt, geschah es, dass er einen Fußweg nehmen musste, der wischen dem Strom und dem Berg hinzog. Der Ort heißt die reißende Wand. Ein Tiroler Schütze lag jenseits lauernd im Gebüsch, in der Hoffnung, den Fürsten zu erlegen. Er kannte denselben nicht persönlich, doch glaubte er, derjenige müsse es sein, der am prächtigsten gekleidet ist. Er ließ einige Herren vorüber, dann erblickte er den Grafen Ferdinand von Arco, Maximilians Kammerherrn, im goldgestickten Kleid. Zwei junge italienische Läufer, die gewöhnlich vor dem Kurfürsten herzugehen pflegten, fanden sich hier zufällig vor dem Ross des Grafen; hinter demselben ritt im einfachen Rock der Kurfürst. Der Schuss brach, der Graf stürzte tödlich getroffen vom Pferd, der Tiroler entkam und verbreitete die Runde, er habe den Kurfürsten getötet. Nach mehreren fruchtlosen Versuchen, das Land zu erobern, zog der Kurfürst wieder zurück nach Bayern.

Den ganzen Krieg aber hatte ein Tiroler Bäuerlein zu Pfans in seiner schlichten Hauschronik so beschrieben: 1703 an Johannes des Täufers Abend sind 20.000 Feinde in Tirol eingefallen, haben großen Schaden getan, viele von unseren Leuten erschlagen, aber noch mehr auf ihrer Seite geblieben, sind hierin gekommen bis in die untere Au, hernach wieder am St.-Anna-Tag (26. Juli) von unseren Schützen und Milizen hinausgeschlagen worden.

Anno 1703 aber blieb ein unvergessliches Jahr für jeden Tiroler bis zum heutigen Tag.

Ungefähr ein Jahrhundert später sehen wir den Helden Napoleon I. im Kampf gegen das Haus Habsburg begriffen und auch hier ist es der Fall, dass die Treue und Anhänglichkeit der Tiroler für dasselbe sich aufs Innigste betätigte und sie durch die wackere Verteidigung ihrer Bergfestungen das Vordringen des Feindes von dieser Seite zu verhindern suchten; obwohl sie nicht selten auch der Übermacht unterliegen mussten und auch hier viele von ihren Leuten als ein Opfer fürs Vaterland fielen. Der Erzherzog Johann, der mit dem Land, seinen Bewohnern und den Terrainverhältnissen innig vertraut war, führte den Oberbefehl über die in Tirol stationierten österreichischen Truppen. Über die für die Erhaltung des Vaterlandes überaus begeisterten und zum Kampf gegen die Feinde im hohen Grade erregten kampflustigen Söhne des starken naturwüchsigen Tiroler Stammes. Allein ungeachtet dessen musste der Erzherzog Johann dennoch zuletzt unterm 13. November 1805 seine Zentralstellung aufgeben und durch das Pustertal über Billach nach Klagenfurt und sofort sich zurückziehen. Der Kampf in Tirol erstickte nun von selbst.

Dass bereits eine Ahnung in den Gemütern der Tiroler auftauchte, als könne wohl nach vierthalbhundertjähriger Dauer das alte Band zwischen ihnen und dem Kaiserhause gelöst werden; dass sich darüber Gerüchte und Andeutungen verbreiteten, geht aus der Vorstellung hervor, welche die Stände Tirols am 14. Dezember an den Kaiser Franz richteten, und die zunächst darauf berechnet war, nicht von seiner Krone getrennt zu werden, dann aber, wenn dieser Schmerz nicht erspart werden könne, doch die Verfassung und Unteilbarkeit Tirols im Friedensvertrag aufzunehmen. Am 26. Dezember 1805 wurde der Preßburger Friede geschlossen und die gefürchtete Trennung trat ein. Im 8. Artikel des Traktates trat der Kaiser Franz I. »die Grafschaft Tirol, die Fürstentümer Brixen und Trient, die sieben Vorarlbergischen Herrschaften etc.« ab. Der einzige Trost, der dem Tiroler bei jener Nachricht blieb, den ihm sein ehemaliger Kaiser durch den Gouverneur des Landes, Graf von Brandis, unmittelbar und mit dem Ton eines väterlichen Freundes zugeben ließ, bestand darin, dass Tirol und Vorarlberg an Bayern mit allen jenen Titeln und Rechten, wie solches Österreich besessen hatte, und nicht anders überlassen werde. Allein der französische Charakter konnte in solche Pedanterie, wie sie ihm erschien, beim Drang der damaligen großen Ereignisse unmöglich eingeben. Was kümmerte es ihn, welche Vorrechte das kleine Tirol hatte! Damals war Ländertausch so gewöhnlich, dass man als Deutscher zu Bett gehen und als Franzose oder doch als Bürger des französischen Reiches am nächsten Morgen erwachen und das besitzergreifende Patent an den Straßenecken lesen konnte. Nicht einmal die Übergabe Tirols wurde in solchem Sinn unmittelbar gestattet. Statt dass sie von österreichischen an bayerische Kommissarien erfolgt wäre, hatten Erstere es mit dem französischen Ordonnateur en chef Billemanzy zu tun, der dann das Land an Bayern übergab und jene Generalbedingung des Preßburger Friedens dabei gänzlich außer Acht ließ.