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Der Hexer 31

Robert Craven (Frank Rehfeld)
Der Hexer, Band 23
Im Netz der toten Seelen

Horror, Grusel, Heftroman, Bastei, Bergisch-Gladbach, 18. Februar 1986, 64 Seiten, 1,70 DM, Titelbild: Terry Oakes

Wie ein Leichentuch aus gewobener Finsternis hüllte die Nacht Arcenborough ein. Schwere, dunkle Wolken hatten sich vor die schmale Sichel des Mondes geschoben, als wollte selbst er sich vor dem Schrecken verbergen, der sich lautlos durch das kleine Dorf bewegte. Die schmalen Gassen waren menschenleer, nur die vereinzelt aufgestellten Laternen warfen verschwommene Lichtflecken auf das nasse Pflaster. Dort konnten sie die Nacht nicht erhellen. Es war, als verschlucke ein substanzloser Schleier ihr Licht bereits nach wenigen Yards. Und es war still. Unheimlich still …

Leseprobe

Die Welt des Hexers

Die ersten beiden der SIEBEN SIEGEL DER MACHT sind für Robert Craven verloren. Sollte Necron auch die anderen aufspüren, wird er die GROßEN ALTEN erwecken. Mit der Hilfe des NECRONOMICON kann er sich dann zum Herrn der Welt aufschwingen – einer chaotischen, verlorenen Welt, denn die ALTEN haben düstere Pläne.

Es gibt nur eine Möglichkeit, dies zu verhindern: Necron zu finden und zu töten. Aber der uralte Magier regiert in einer uneinnehmbaren Festung irgendwo in den Weiten der Mojave-Wüste – der Drachenburg. Als Basis für seine Suche wählt Robert Craven den kleinen Ort Arcenborough. Offiziell ist er als Hauptaktionär der Arcenborough-Textile-Corporation unterwegs. Die Aktien sind ein weiterer (erfreulicher) Teil seines Erbes, das ihm sein Vater vermachte. Doch in Arcenborough geschehen seltsame Dinge. Menschen verschwinden spurlos, im nahen Wald scheint ein dämonisches Wesen umzugehen; ein dunkler Schatten des Todes liegt über dem Dorf.

Und ehe Robert sich versieht, schnappt die Falle zu! Ein Shoggote, Dienerkreatur der GROSSEN ALTEN, fällt über ihn her und lässt seine rechte Hand zu einer Dämonenklaue mutieren. Die Einwohner des Ortes sind plötzlich wie von einem bösen Geist besessen, überwältigen Robert und schleppen ihn zu einem Feuerturm mitten im Wald. Jeff Conroy, ein Junge von fünfzehn Jahren, ist der einzige, der zum Hexer hält. Die beiden werden in den Turm gesperrt, der langsam im Boden versinkt. Endlich, schon tief im Bauch der Erde, können sie die magische Barriere überwinden und in einen Tunnel fliehen. Am Ende des Stollens wartet die Kreatur auf sie, die für all das Leid und den Wahnsinn verantwortlich zeichnet. Roberts Kampf ist nur von kurzer Dauer; er wird von dem Monstrum regelrecht verschluckt. Doch er stirbt nicht. Seine magischen Kräfte lassen den Geist überleben, der Shoggotenstern im Knauf seines Stockdegens rettet den Körper. So erfährt er, dass alle Seelen der verschwundenen Menschen in der Kreatur zu einer einzigen gewaltigen Weseneinheit verschmolzen sind. Und nun weiß er auch um die Verwandlung seiner Hand: die Kreatur selbst ist nurmehr eine Hand – die Hand des GROSSEN ALTEN Shudde-Mell. Vor Urzeiten vom Leib des ALTEN getrennt, befolgt sie einen teuflischen Auftrag.

Doch Robert findet auch einen Verbündeten: einen Geist, der sich ebenfalls in der Einheit behaupten konnte – der Graue Bredshaw, ein geheimnisvoller Mann, der sich einst die Kreatur untertan machen wollte und ihr selbst zum Opfer fiel.

Gemeinsam gelingt es ihnen, den Lebensnerv des Monstrums zu kappen, Sekunden, bevor es Jeff Conroy verschlingt.

Robert, durch seine Kräfte geschützt, überlebt den Zerfall der Kreatur. Bredshaw, der seinen Körper verlor, vergeht mit ihr. Zurück bleibt eine Pfütze unvergänglichen Protoplasmas – eine Lache, in der sich irgendetwas regt – denn noch lebt Shudde-Mells Hand!

 

*

 

Eine streunende Katze entdeckte das Ding als erste. Ihr Rücken krümmte sich zu einem Buckel, und ihr graues Fell sträubte sich. In panischer Angst floh sie, doch noch bevor sie auch nur nach einem Versteck suchen konnte, streifte etwas Kaltes, Schleimiges ihr Fell und riss sie zu sich heran. Ihr klagender, fast menschlich klingender Schrei verhallte ungehört in den dunklen Gassen.

Als das Ding kurz darauf weiterkroch, blieb von dem Tier nicht mehr als ein Haufen weißer, wie poliert glänzender Knochen zurück.

Shudde-Tuur fand seinen Weg in der Dunkelheit mit der Sicherheit eines Wesens, das Äonen von Jahren in einem Labyrinth ewiger, abgrundtiefer Nacht verbracht hatte, eine Welt aus absoluter Finsternis, die niemals auch nur von einem verirrten Lichtstrahl erhellt worden war. Die Katze hatte seine Kraft gestärkt, aber sie vermochte den bohrenden Hunger, der in ihm wütete, nicht zu befriedigen. Aber es wusste, dass es diesem Hunger nicht nachgeben durfte; noch nicht. Denn noch stärker als die Gier nach Menschen spürte es den Hass in sich, und der alleinige Gedanke an Rache bestimmte sein Handeln. Rache an dem Menschen, der ihm fast alle Kraft geraubt, der es fast vernichtet hatte.

Robert Craven!

Schon der bloße Gedanke an ihn erfüllte Shudde-Tuur mit unvorstellbarer Wut. Seit Jahrmillionen arbeitete es darauf hin, den Auftrag Shudde-Mells zu erfüllen, des mächtigen GROßEN ALTEN, dem er seine Existenz verdankte. Die Kraft hunderter Menschen hatte es in sich gesammelt und war noch beständig weiter gewachsen, als Craven den Verbund zerstört hatte. Aus ES, dem unbesiegbar erscheinenden Verbund ungezählter Gehirne und Körper, war wieder Shudde-Tuur geworden, die Keimzelle, die der GROßE ALTE von seinem eigenen Körper abgespalten und mit unseligem Leben erfüllt hatte.

Es hatte lange gedauert, mehr als drei Tage menschlicher Zeitrechnung, die selbst ihm, der es gewohnt war, in anderen Zeitmaßstäben zu rechnen, wie eine Ewigkeit vorgekommen waren, bis es seinen Weg durch sein zerstörtes unterirdisches Reich an die Erdoberfläche gefunden hatte. Eine Ewigkeit grenzenloser Pein, die es von innen heraus zu zerfressen drohte. Aber es hatte auch genug Zeit gehabt, seinen Plan zu schmieden.

Robert Craven musste sterben, und er würde alle anderen Einwohner Arcenboroughs mit in den Untergang reißen!

Es gab keinen Durchschlupf, der für Shudde-Tuur zu klein war. Eine Mauerritze, die selbst eine Maus vor Probleme gestellt hätte, war für ihn wie ein großes Portal, denn es besaß keinen Körper im eigentlichen Sinne. Es war eine amorphe Masse, manifestierter Urschlamm, der sich durch die Gassen vorwärtsbewegte wie zäher, farbloser Schleim. Wäre in diesem Augenblick ein Mensch vorbeigekommen, wäre es ihm nicht einmal aufgefallen.

Aber es kam niemand. Endlich tauchten die Umrisse der großen Fabrikgebäude vor ihm auf: langgestreckte, flache Gebäude mit abgebröckeltem Verputz und kleinen, blinden Fenstern, wie schwarze Löcher in der Nacht, schlafenden Ungeheuern gleich. Moloche, die nur darauf warteten, die Menschen, die bei Tagesanbruch gewöhnlich durch die Portale in ihr Inneres strömten, jetzt bei Nacht zu verschlingen, denn die Nacht war die Zeit der Schrecken und düsteren Dinge. Was nicht Wirklichkeit war, wurde jetzt Realität, Wahrheit zum Traum, Traum zum Alptraum, Furcht zur Wirklichkeit.

Die Vorstellung bereitete Shudde-Tuur eine grimmige Befriedigung. Nicht mehr lange, und die Fabriken würden wirklich lebendig werden, die Alpträume mit knorrigen Fingern an den Türen der Wirklichkeit kratzen und Einlass verlangen.

Unter dem Portal der vordersten Halle drang es in das erste Gebäude ein. Unzählige Spinnräder füllten den gewaltigen Raum. Der körperlose Schatten schlängelte sich zwischen den Reihen hindurch und strich mit schlangenartigen Armen von Zeit zu Zeit über den aufgehäuften Flachs und die Spindeln mit dem bereits versponnenen Leinen.

Als es seine amorphen Fühler wieder zurückzog, ließ es nur die hölzernen Spindeln hinter sich. Der Flachs vermochte seinen Hunger nicht zu stillen, aber er erfüllte ihn mit einem anderen Gefühl von Stärke: der Zuversicht, dass sein Plan gelingen würde.

Das leise Geräusch einer sich öffnenden Tür schreckte Shudde-Tuur auf. Zuckend huschte der Schein einer Laterne über die Wände und schuf schattenhaftes Leben, wo zuvor nur undurchdringliche Dunkelheit gewesen war.

Die Gier in ihm wurde übermächtig, als es das nahende Leben spürte. Um sich nicht zu früh zu verraten, kauerte es sich im Schatten eines Spinnrades zusammen und wartete, bis sich der Mann auf gleicher Höhe befand. Dann stürzte es mit einer blitzartigen Bewegung vor, noch ehe der Wächter die Gefahr überhaupt erkannte. Mit einem schleimigen Fühler erstickte Shudde-Tuur seinen Schrei; dann spürte er nur noch warmes, süßes Leben, das in ihn eindrang und ihn mit einer neuen, gewaltigen Kraft durchpulste …