Heftroman der

Woche

Download-Tipp

Paraforce Band 51

Neueste Kommentare
Archive
Folgt uns auch auf

Oberhessisches Sagenbuch Teil 121

Oberhessisches Sagenbuch
Aus dem Volksmund gesammelt von Theodor Bindewald
Verlag von Heyder und Zimmer, Frankfurt a. M., 1873

Schlechtenwegen und Steinfurt

Als die lieben heiligen Apostel Petrus und Johannes in das Gebirge zogen, das Evangelium zu predigen, kamen sie auch in die Gegend von Altenschlirf. Da ging es ihnen aber mächtig übel. Denn es lagen so viele grausige Steine auf den Wegen, dass ihre Schuhe an den Füßen vollends zerrissen und sie mit schwerem Seufzen barfuß gehen mussten. Umso mehr freuten sie sich, als sich danach der Weg besserte. Sie riefen fröhlich, als sie dies sahen: »Stein fort!« Von dieser Begebenheit haben die Dörfer Schlechtenwegen und Steinfurt ihre Namen.

Die Ansage der Kriegsnot

Kurz vor dem Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges ging eine arme Frau aus Grünberg in den Wald, um Holz zu lesen.

Da trat ein unbekannter, grau gekleideter Mann zu ihr und sprach: »Geh hin in die Stadt und sage dem Pfarrer Braun, er solle von jetzt an Buße predigen dem Volke, denn es ist Pest und Krieg im Anmarsch!«

Die Frau versprach den Auftrag auszurichten, aber sie vergaß es.

Als sie in der folgenden Woche wieder im Wald Holz las, kam der graue Mann abermals zu ihr. Sein Gesicht war zornig, doch gab er ihr dieselbe Weisung.

Die Frau versprach hart und fest zu tun, was er sie geheißen hatte, doch vergaß sie es, sobald er ihr aus den Augen war.

Zum dritten Mal bei derselben Gelegenheit erschien ihr der graue Mann und hob dräuend den Finger.

»Wenn du jetzt nicht ausrichtest, was ich dir gesagt habe, dann wird das größte Unglück über dich und die ganze Stadt kommen.«

Mit Zittern und Zagen gelobte ihrer die Frau nunmehr Gehorsam, und der Graue verschwand. Trotzdem zögerte sie von Tag zu Tag.

Da starb ein nahes Glied ihrer Freundschaft einen unerwarteten Todes und nun wurde es ihr sehr Angst, was noch mehr folgen würde. Als die Leute vom Kirchhof heimgingen, begab sie sich zu dem ehrwürdigen Herrn und beichtete ihrer das Begebnis.

Der hörte sie lange und in tiefem Sinnen an und schüttelte einmal ums andere Mal den Kopf zu der Erzählung. Dann blickte er gen oben und sprach: »Kommt es von Gott oder kommt es vom Teufel?« Er fiel darauf auf seine Knie, trug Gott die Sache vor im Gebet und begehrte die Erleuchtung des Heiligen Geistes.

Der Geist aber antwortete: »Es kommt von Gott, predige Buße!«

So tat denn auch der Pfarrer Braun und predigte des Herrn Wort gewaltig mit aller Kraft und Gewissheit und nicht wenige Seelen hörten auf seinen Ruf. Er sagte vorher die Kriegsnot an, und sie kam wirklich mit all ihrem bitteren Wehe über die bis dahin so blühende Stadt. Das Hauptunglück aber sollte dieser treue gesegnete Knecht nicht erleben, denn die Pest raffte ihn zu Beginn dieser Zeit hinweg.