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Der Welt-Detektiv Band 6

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Adventskalender 2021 – 20. Türchen

Die drei Nüsse
Aus: Deutsches Märchenbuch. Herausgegeben von Ludwig Bechstein, Leipzig 1849

Es war einmal ein Prinz, der war ein großer Jagdliebhaber. Obwohl seine Eltern ihm das Jagen streng verboten hatten, so ging er doch eines Tages wieder in den Wald. Hier verfolgte er anhal­tend einen Hirsch, bis dieser sich in ein großes schönes Haus flüchtete, das plötzlich vor dem überraschten Jäger stand, der aber auch in dieses Asyl dem Hirsch nachfolgte. Es war aber dieses Haus ein bezaubertes Schloss, und darinnen lebten drei schöne Prinzessinnen unter strenger Obhut ihrer Eltern, welche böse Zauberer waren.

Kaum war der Jüngling eingetreten, so fiel hinter ihm ein starkes Gattertor, und er sah sich gefangen.

Der alte Zauberer legte ihm gleich eine Arbeit auf, mit der er sich selbst erlösen sollte. Er sollte mit einem hölzernen Beil und mit einer hölzernen Säge eine große Menge Holz zerkleinern. Wenn er dies nicht vollbringe, wurde gedroht, würde er sein Leben verlieren.

Als der Prinz sehr traurig über die Unmöglichkeit dieser schweren Aufgabe nachdachte und sich schon auf den unvermeidlichen Tod vorbereitete, trat die eine Prinzessin zu ihm und sagte mitleidig und freundlich: »Ruhe du jetzt, müder Jüngling, ich will dich von deiner Sorge befreien und diese dir unmögliche Arbeit für dich vollbringen.«

Bald fiel der Prinz in Schlummer, da er von der Verfolgung des Hirsches sehr ermattet war. Als er erwachte, war die schwere Aufgabe gelöst. Er dankte der liebreichen Jungfrau, wobei es geschah, dass ihre Schönheit und Liebenswürdigkeit sein ganzes Herz bezauberte. Heimlich trug er ihr Herz und Hand an, und die holde Jungfrau lächelte ihm Gewährung, sagte ihm aber auch schmerzlich, dass es ihm und ihr noch schwere Kämpfe kosten werde, ehe sie zum Ziel gelangen würden. »Denn«, so sagte sie, »meine Eltern werden einen Tag festsetzen, wo ich mit meinen zwei Schwestern, ganz überein angekleidet, vor dir erscheinen werde, dazu mit bedecktem Gesicht, sodass es dir wegen der großen Ähnlichkeit unserer Gestalten schwer werden wird, mich von ihnen zu unterscheiden. Wählst du aber im Irrtum eine meiner Schwestern, so kostet es dir das Leben – vielleicht auch mir, zur Strafe, dass ich Mitleid mit dir hatte. Doch will ich, Teurer, dir ein Zeichen geben, mich zu erkennen. Sieh hier an meinem Hals eine blaue Ader, welche dir das bange Klopfen meines Herzens verkünden wird; diese haben meine Schwester nicht so sichtbar.«

Der ängstliche Tag der schweren Wahl kam heran. Die sich ganz ähn­lichen Schwestern saßen, überein gekleidet, mit ihren Eltern in ei­nem Zimmer, in welches der Prinz geführt wurde. Lange sah er zweifelnd und ängstlich die drei Mädchengestalten an, doch plötzlich gewahrte er die klopfende Ader am Hals seiner auserwählten Braut, die ihm nun von den Eltern zugesagt wurde.

Aber diese hegten beide Zorn und Tücke gegen die jüngste Prinzessin, denn das war des Prinzen Geliebte und hatten das Glück gern einer älteren Tochter gegönnt. Dieses wusste die kluge Braut aber recht gut, und da sie auch etwas von der Zauberkunst verstand, so gab sie irgendeinem Gegenstand im Palast eine geheime Kraft, dass, wenn die Mutter aus feindlicher Absicht fragen würde, ob sie und der Prinz schliefen, eine Stimme immer Nein antwortete.

Des Nachts kam auch die Mutter und fragte einmal um das andere: »Schlaft ihr?«

Drei Mal ertönte es: »Nein!«

Doch beim vierten Mal schwieg es. Nun glaubte die Mutter, sie seien eingeschlafen und rief dem Vater ganz laut zu: »Jetzt ist die Zeit, jetzt kannst du den Prinzen töten!«

Dieses entging den lauschenden Ohren des Prinzen und der Prinzessin nicht. Sie flüchteten eilig, und als der Vater mit einem Speer in das Schlafgemach trat, fand er es leer.

Als das Brautpaar eine Strecke geflohen war, sagte die Braut: »Sieh dich um, es brennt mich heiß auf den Rücken.«

Der Prinz tat es, sah sich um und gewahrte hinter sich einen großen Raben.

Als er dies der Prinzessin sagte, denn sie selbst durfte sich nicht umdrehen, sprach sie erschrocken: »Der schwarze Rabe, das ist meine Mutter, welche sich in diese Gestalt verwandelt hat. Ich will mich schnell in einen Garten verwandeln und dich in einen Gärtner, aber behüte die Blumen sorgfältig, dass sie keine abpflücke.«

Sogleich erfolgte die Verwandlung und der Rabe umschwärmte kreischend den blühenden Garten, indessen der Gartner wohl auf seiner Hut war, dass ihm keine Blume entwendet würde, und wehrte den Raben kräftig ab. Nach langem vergeblichen Streben, eine Blume nehmen zu können, flog der Vogel zu­letzt mit hässlichem Gekreische davon. Die Prinzessin und der Prinz nahmen nun wieder ihre natürliche Gestalt an und eilten weiter.

Nach einiger Zeit sagte die Braut wieder: »Sieh dich um, es brennt mich heiß auf meinen Rüden.«

Der Prinz sah sich wieder um und gewahrte einen großen Stoßvogel. Als er es seiner Braut sagte, verwandelte sie sich in einen Teich und ihren Geliebten in eine Ente. Schnell stürzte sich der Vogel herab und trank das Wasser so rein aus, dass nicht ein Tröpfchen mehr darin blieb; dann flog er in die Höhe und ließ drei Nüsse fallen mit dem Zuruf: »Damit, meine Tochter, wirst du dein Glück machen!«

Dieser Vogel war der verwandelte Vater der Prinzessin. Das Brautpaar nahm nun wieder seine natürliche Gestalt an und erreichte nicht lange darauf eine Mühle.

Der Prinz war aber der Zaubereien und Verwandlungen schon müde; er gedachte an seine Eltern, die nicht wussten, was aus ihm geworden war, und sprach zu seiner Begleiterin: »Meine Teure, verbirg dich jetzt in dieser Mühle und erhole sich. Ich will erst einmal in meine Heimat gehen, meine alten Eltern vergehen sonst vor Gram, wenn ich nicht wieder zurückkehre. Dann will ich dich festlich von hier abholen und heimführen.«

Traurig ging die Prinzessin in die Mühle hinein. Da sie unerkannt bleiben wollte, so verdingte sie sich als Magd und diente dort. Der Prinz ging fort in seine Heimat. Bald vergaß er die gute Braut, die ihn doch befreit und errettet hatte, und verlobte sich mit einer anderen Prinzessin.

Dieses hörte die Verlassene in der Mühle, nahm dort Abschied und ging traurig zu dem Schloss des Untreuen. Hier öffnete sie eine der drei Nüsse, es entfaltete sich ein herrliches Gewand daraus. Darauf ging die Prinzessin mit dem kostbaren Kleid zu der neuen Braut des Prinzen und ließ ihr das Kleid zeigen. Das gefiel der Braut über alle Maßen wohl. Sie ließ gleich die Besitzerin kommen und fragen, was sie dafür verlange. Da verlangte jene, ohne Beisein eines Menschen in das Gemach des Prinzen gelassen zu werden. Dies sagte die Braut zu und bestimmte die Stunde, in welcher sich die Prinzessin dem Prinzen nähern durfte. Aber als nun die Unterredung stattfinden sollte und die Prinzessin in das Gemach des Prinzen trat, fand sie ihn schlafend, denn die arge Braut hatte ihm einen Schlaftrunk eingegeben, sodass er nicht mit der reden konnte , die ihn zu sprechen begehrte.

Da diese Arme nun so überlistet war, ging sie weinend fort und öffnete ihre zweite Nuss. Aus der quoll noch ein schöneres Kleid, und damit tat die Prinzessin, wie sie es mit dem ersten getan hatte.

Die habgierige Braut wollte wohl auch dieses Kleid haben, deshalb sagte sie auch der Prinzessin zu, dass sie ohne Beisein eines Menschen mit dem Prinzen reden sollte. Sie hatte jedoch einen abgerichteten großen Hund, den ließ sie in das Gemach des Prinzen kurz vorher, ehe die Prinzessin eintrat. Der bellte nun so laut und fürchterlich, dass sie erschrak und kein Wort sprechen konnte und weinend fortgehen musste, denn er ließ sich von dem Prinzen nicht beschwichtigen

Nun nahm sie zur dritten Nuss ihre Zuflucht, öffnete sie und das allerkostbarste Gewand, schöner als je eins auf Erden war, kam heraus. Dies trug sie abermals der Prinzessin hin, ließ sich aber diesmal das Wort geben, dass ihr vergönnt sein müsse, mit dem Prinzen zu reden, ansonsten würde sie das Kleid nicht lassen.

Da siegte die Pracht des Kleides und der Braut Punksucht und Eitelkeit über ihre Eifersucht und Tücke. Sie gewährte die erbetene Unterredung.

Als aber nun die Prinzessin zu dem Prinzen trat, gab sie sich ihm zu erkennen und hielt ihm sein Unrecht sanft vor, sagte ihm auch, wie hartnäckig und arglistig ihr die Unterredung zweimal vereitelt worden sei.

Da schwand alle Neigung zu der Braut aus des Prinzen Herzen und kehrte sich wieder zu der sanften und duldenden Prinzessin. Er führte sie zu seinen Eltern und gab jener an­deren Braut wiederum den Abschied, doch die Kleider durfte sie behalten. Als sie sich aber damit schmücken wollte, fiel eins nach dem anderen in eitel Fetzen ihr vom Leibe herab.