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Slatermans Westernkurier 12/2021

Auf ein Wort, Stranger, Poker ist heute unser Thema; genauer gesagt der kalifornische Todespoker.

Glücksspiel war im Wilden Westen so verbreitet wie Sandstürme, Cowboys oder Colts.

Jeder spielte, egal ob arm oder reich, ob Richter, Farmer, Pfarrer oder Arbeiter.

Eine der beliebtesten Varianten des Glücksspiels war dabei das Kartenspiel und hiervon im Speziellen Poker.

Doch wie bei jeder Art von Glücksspielen gab es auch hier nicht nur ehrliche Spieler, sondern oftmals auch welche, die ihrem Glück auf die unterschiedlichste Art etwas nachhalfen, und auch solche, die es einfach nicht hinnehmen wollten, dass sie ihr Geld am Spieltisch verloren hatten. Die Folgen waren manchmal mörderisch. Einer der absonderlichsten und ungewöhnlichsten Fälle hierzu ereignete sich im Jahre 1891 in Bridgeport, Kalifornien.

 

*

 

Es war im April des besagten Jahres, als in dem kleinen Städtchen der erfolgreiche, chinesische Kaufmann Ah Quong Tia an einem lauen Abend in eine Pokerrunde mit einer Gruppe von Indianern geriet, unter denen sich ein erfahrener Spieler namens Poker-Tom befand.

Irgendwann im Laufe des Abends, Poker-Tom hatte inzwischen 200 Dollar gewonnen, erklärte dieser, dass er nun mit dem Spielen aufhören und sich zur Nachtruhe zurückziehen wollte. Ah Quong Tia war über diese Aussage mehr als nur verärgert, was nicht weiter verwunderlich war, hatte doch er das meiste Geld an Poker-Tom verloren. Nach einigem Hin und Her einigte sich der Chinese mit Tom und dessen indianischen Freunden schließlich darauf, die Pokerparty am nächsten Abend im Laden des Kaufmanns zu wiederholen.

Als Poker-Toms Freunde jedoch am Abend darauf zum Laden des Chinesen kamen, entdeckten sie, dass dort Türen und Fenster verschlossen und alle Vorhänge zugezogen waren. Einer der Indianer konnte schließlich durch einen Spalt in der hölzernen Hauswand hindurch erkennen, dass Ah Quong Tia und Poker-Tom drinnen beim Pokern an einem Tisch gegenübersaßen und sich verbissen auf ihre Karten konzentrierten.

Alles deutete darauf hin, dass sich das Spiel in eine private Angelegenheit verwandelt hatte, und so kehrten die Männer wieder nach Hause zurück.

Es gab keine Zeugen für das, was danach folgte, aber man nahm später an, dass Poker-Tom dem Chinesen wieder einen hohen Geldbetrag abgenommen oder dessen Gefühle auf andere Art verletzt hatte, denn Ah QuongTia fiel über den Indianer her und erschlug ihn.

Ah Tia zerstückelte den Leichnam seines Opfers, legte die Arme und Beine in ein Fass Sole und zerhackte dann Herz, Leber und andere Innereien in Stew gerechte Stücke, die er zusammen mit einigen in Scheiben geschnittenen Wurzeln und Zwiebeln in einen großen Kessel warf.

Wie es sich für einen guten chinesischen Koch gehörte, gab er noch einen ordentlichen Schuss Sojasauce dazu. Ah Tai nahm dann, was von Poker-Tom übrig geblieben war – hauptsächlich der Rumpf und ein paar vereinzelte Überreste – und stopfte alles in einen Koffer, den er im nahe gelegenen West Walker River ins Wasser warf.

 

*

 

Während der nächsten Tage nahm Ah Quong Tia die Gliedmaßen des Indianers wieder aus der Salzlake heraus, zerschnitt sie in passende Stücke und verkaufte sie in seinem Laden als Ziegenfleisch für sechs Cent das Pfund. Dann lud er die anderen Indianer, die an dem ursprünglichen Pokerspiel teilgenommen hatten, zu einem großartigen Stew-Essen ein, das diese äußerst genussvoll verzehrten.

Mehrere Wochen später, nachdem Poker-Toms Pferd allein in die Reservation zurückgekommen war und sich seine Freunde auf die Suche nach ihm gemacht hatten, wurde der Koffer im Fluss entdeckt und man fand in der Nähe des Fundortes auch einen Sattel, eine Decke und einen Mantel, die Poker-Tom gehört hatten. Als bekannt wurde, dass man Poker-Tom im wahrsten Sinne des Wortes geschlachtet hatte, erinnerten sich die Indianer an das Essen, das ihnen Ah Quong Tia serviert hatte.

Es gab eine Untersuchung und der chinesische Kaufmann wurde daraufhin des Mordes angeklagt.

Allerdings gelang es dem örtlichen Anklagevertreter nicht, den chinesischen Händler mit schlüssigen Beweisen des Verbrechens zu überführen. Im Gegenteil, der wohlhabende Kaufmann hatte die besten Verteidiger der Gegend engagiert, die prompt erfolgreich eine Einstellung des Verfahrens durchsetzten. Der Richter erklärte Ah Tia schließlich, dass er das Gericht als freier Mann verlassen konnte. Ah Tia jedoch sträubte sich dagegen mit Händen und Füßen. Er hatte längst durch die Fenster des Gerichtsaals gesehen, dass die Straßen schwarz vor Indianern waren, die außer sich vor Wut regelrecht schäumten.

Ah Quong Tia bat um Leibwächter und versprach jedem, der ihn beschützte, fünf Dollar pro Tag. Aber bevor einer der Anwesenden das Angebot annehmen konnte, stürmten die aufgebrachten Indianer den Gerichtssaal und zerrten den Chinesen auf die Straße. Niemand war angesichts des roten Mobs in der Lage, Ah Tia zu helfen. Draußen warfen die Indianer Ah Tia zu Boden, fesselten ihn an den Fußknöcheln und schleiften ihn mit einem Pferd zu einem Pferd am Rande der Stadt, wo die ihn schließlich auf grausamste Weise umbrachten.

Der Fall wurde landesweit berühmt und ging in die Annalen der Stadtgeschichte als Todespoker ein.

Im August 1891 schickte das Distriktgericht der Vereinigten Staaten einen Colonel nach Bridgeport, um den Vorfall und seine Folgen zu untersuchen. Aber dieser kam lediglich zu dem Schluss, dass die Stadtbevölkerung Ah Tia besseren Schutz hätte geben müssen, und nannte die Indianer ein barbarisches Geschlecht.

 

*

 

Ah Tia war nicht der Einzige, der bei oder nach einer Pokerparty den Tod fand, aber sein Fall war der wohl spektakulärste. Pat Hogan zum Beispiel, der seine Spielerkarriere in den Tagen des Goldrausches begann und viele Jahre Gast an den Spieltischen von San Francisco und später Virginia City war, erschoss sich nach einer fürchterlichen Pechsträhne. In seiner Tasche fand man ein Herz-As, auf dem in Form eines Gedichtes sinngemäß stand:

Das Leben ist nur ein Pokerspiel, gut oder schlecht gespielt. Manche haben vier Asse, manche finden die passende Karte. Manche haben beim Bluffen Glück, während andere etwas riskieren, aber nie etwas gewinnen.

Quellenhinweis:

  • Die Glückspieler, ein Buch aus der Time-Life-Reihe Der Wilde Westen von Paul Clancy und Susan Feller, aus dem Englischen übertragen von Alexander Brandenburg und Andrea Haman.
    Redaktionsleitung der deutschen Ausgabe Hans Heinrich Wellmann
  • dreamingcasuallypoetry.blogspot.com