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Nick Carter – Ein Kampf um Millionen – Kapitel 11

Nick Carter
Amerikas größter Detektiv
Ein Kampf um Millionen
Ein Detektivroman

Ein Kampf im dunkelsten New York

Wenige hundert Fuß vom East River entfernt, in einer düsteren Seitengasse, lag das niedrige, baufällig erscheinende Gebäude, welches als Teddy Reagans Platz bekannt war. Nach außen erschien es unbewohnt; doch die Wissenden waren sich einig darüber, dass die Polizei jederzeit mindestens fünfzig gesuchte Verbrecher im Inneren aufzugreifen vermocht haben würde, wenn sich die Jünger der heiligen Hermandad überhaupt in das Innere der Spelunke gewagt hätten. Doch auch die New Yorker Policemen wissen, dass man sein Leben nur einmal verlieren kann, und deshalb bleiben sie dem gefährlichen Ort hübsch fern.

Gerade in dem Augenblick, als Nick Carter mit seinen beiden Gefährten herankam, stahl sich eine zerlumpt gekleidete Gestalt aus dem Kellerzugang des Gebäudes auf die Straße. Es war Ten Itchi, der dritte Gehilfe des großen Detektivs.

»Renfrew und Loomis sind drinnen in einem besonderen Raum«, wisperte Ten Itchi, den Meister erkennend. »Soll ich euch in das Zimmer führen?«

»Selbstverständlich!«, gab Nick Carter zurück. »Nur immer vorwärts!«

Ten Itchi hatte keine Schwierigkeit, die Kellertür wieder zu öffnen – und die Sekunde darauf waren die vier Männer eingetreten. Hinter ihnen schloss sich die Tür von Neuem.

Das war kaum geschehen, als ein halbes Dutzend anderer Männer, die nahebei auf der Lauer gelegen haben mussten, in der Straße auftauchten und an das Reagansche Gebäude heranschlichen.

»Sie sind durch den Keller hineingegangen«, flüsterte einer von ihnen.

»Nun, dann sind sie in der Falle!«, wisperte ein anderer.

»Dummkopf!«, knurrte ein dritter. »Dieser Nick Carter steckt mit dem Teufel im Bunde … Für den gibt es kein Festhalten, der schlüpft durch ein Mauseloch, kann er nicht sonst wo durchkommen.«

»Du schwatzt wie ein Kind, das sich vor einem schwarzen Mann fürchtet, Holzmann.«

»Sei du nur still, Hefferan … Du kneifst zuerst, kommt es zum Äußersten«, knurrte der Verhöhnte.

»Streitet euch nicht«, verwies wieder ein anderer. »Wir müssen es Teddy Reagans wissen lassen, wer in seinem Bau ist – falls er es nicht ohnedies schon weiß!«

»Voran, also … hinein und den Schuften nach!«, drängte Terrible Turk.

Die sechs Rowdys schlüpften durch die Kellertür und durchliefen einen dunklen, engen und niedrigen Gang mit einer Gewandtheit, die bewies, dass sie sich in dem verrufenen Bau wie Zuhause fühlten.

Inzwischen hatte sich der Detektiv mit Chick und Patsy unter Ten Itchis Führung durch ein Netzwerk von Gängen begeben, durch welches in der Dunkelheit den Ausgang zu finden wohl auch ihr unvergleichliches Orientierungsvermögen auf eine harte Probe gestellt haben würde. Schließlich, als sie mindestens schon den inneren Mittelpunkt des Häusergevierts erreicht haben mussten, ging es baufällige Treppenstufen hinauf.

»Lasst euch nur ja nicht zu denken einfallen, Jungs, wir hätten ein Kinderspiel vor uns«, warnte der Detektiv. »Das ist eine böse Geschichte … und wir können von Glück sagen, kommen wir heil und unbeschadet wieder hinaus!«

»Es ist ein Höllenloch und wohl der schlimmste Platz in ganz New York«, wisperte Chick zurück. »Beim ersten Alarm sind mindestens ein halbes Hundert Kerle bereit, sich auf uns zu werfen und uns die Kehlen durchzuschneiden … Und der Allerschlimmste ist Teddy Reagan selbst, denn der hat so viele Mordtaten auf dem Gewissen, dass er sie selbst nicht mehr zählen kann!«

»Pst!«, machte Ten Itchi, stehenbleibend. »Die beiden Männer gingen in das Zimmer hier!«

Der Detektiv gab ein Signal, dass alle sich lautlos verhalten sollten, und dann lauschte er angestrengt an der Tür.

In dem Zimmer befanden sich Menschen. Durch die Fugen der Tür schimmerte Licht; doch im Inneren war alles still. Nick zog seine Blendlaterne vor und leuchtete vorsichtig mit dieser umher, um zu erfahren, wo sie sich eigentlich befanden. Sie standen in einem schmalen, kaum 10 Fuß breiten Korridor, von dessen beiden Enden Stiegen nach unten führten. Gegenüber der Tür, welche in das von den beiden Gesuchten besetzte Zimmer führte, befand sich eine andere Tür; doch ob der Raum dahinter gleichfalls bewohnt war oder nicht, ließ sich nicht feststellen.

»Wohin führen die Stiegen dort?«, fragte Nick leise.

»Das weiß Gott allein«, wisperte Ten Itchi zurück. »In diesem Fuchsbau gibt es mehr Gänge als in einem Ameisenhaufen.«

»Hm, wir hätten vielleicht besser daran getan, uns ein Dutzend Policemen mitzunehmen!«

»Weise gesprochen, mein teurer Chick«, scherzte der Detektiv. »Nur würden wir dann wohl einzig Ratten und Mäuse in diesen Gängen entdeckt haben, nicht aber die von uns Gesuchten!«

Kurz entschlossen klopfte Nick an die Tür des Zimmers, in welchem Renfrew sein sollte.

»Wer ist draußen?«, fragte innen eine Stimme; es war diejenige des Gesuchten.

»Mach auf, und ich werde es dir sagen!«

»Erst sage, wer du bist, eher wird nicht geöffnet!«, rief die Stimme wieder.

Als Antwort warfen sich die Detektive gegen die Tür, und unter ihrer vereinten Körperkraft krachte das morsche Holz zusammen, und der Eingang lag frei vor ihnen. Doch im selben Augenblick ertönte auch schon nahebei das anhaltende, laute Klingeln einer elektrischen Alarmglocke, zugleich wurde der Widerhall schnell herbeieilender Schritte und rauer Männerstimmen hörbar.

Die Detektive stürzten ins Zimmer. Loomis stand gerade im Begriff, durch ein Fenster zu fliehen, während Renfrew verzweifelte Versuche machte, eine Lampe auszulöschen.

»Stehengeblieben!«, donnerte Nick Carter.

Doch keiner der beiden Männer gehorchte. Patsy huschte durch das Zimmer, packte Loomis beim Kragen und zerrte ihn gewaltsam in das Innere zurück, während sich Chick auf Renfrew warf. Dieser stieß mit einem langen Messer nach ihm und würde ihm den Hals durchbohrt haben, hätte der Detektiv nicht eine rasche Seitenbewegung gemacht. Immerhin wurde ihm durch den wütenden Hieb der Rock von oben bis unten aufgeschlitzt.

Chick packte den Arm des Verbrechers mit derart scharfem Ruck, dass Renfrew mit einem Schmerzenslaut die Waffe fallen lassen musste. Fast im nämlichen Augenblick hatte er mit der Linken jedoch schon ein zweites Messer gezückt. Aber wiederum fing Chick seinen Arm rechtzeitig auf und drehte ihn so blitzschnell und unbarmherzig um, dass die Sehnen laut knackten und der Entwaffnete vor Schmerz laut aufbrüllte. Mit einem Faustschlag streckte Chick den Verbrecher nieder; dieser taumelte zurück, stieß beim Fallen mit dem Kopf schwer gegen die Tischkante und blieb bewusstlos liegen.

All das hatte nur einen Moment gedauert, doch dieser hatte ausgereicht, um von verschiedenen Seiten her mindestens ein Dutzend Männer auftauchen zu lassen, die sich nun gegenseitig anfeuerten, ins Zimmer einzudringen und Nick Carter zu töten.

Im Nu hatte Nick Carter den Tisch gegen den Türeingang geschleudert, so eine Art Schutzbarrikade bildend.

»Haltet Frieden, ihr Männer!«, donnerte er den Rowdys entgegen. »Wir kamen nur hierher, um zwei Gefangene zu machen. Sie sind in unserer Gewalt, und wir begehren nichts anderes, als mit den Arrestanten das Haus unbehelligt zu verlassen!«

»Das wollen wir Euch versalzen!«, höhnte eine raue Stimme.

»Zurück!«, schrie der Detektiv. »Der Erste, der es wagt, Hand an unsere Gefangenen zu legen, wird von mir wie ein toller Hund niedergeschossen!«

»Halts Maul, Prahlhans!«, höhnte ein heiserer Bass. »Weißt du vielleicht, wo du steckst, eh?«

»Gewiss!«, rief der Detektiv zurück. »In der schlimmsten Räuberhöhle von New York, der Unterschlupf der verächtlichsten Gauner und Halsabschneider!«

»Auf sie – auf sie, Kameraden!«, schrie die heisere Stimme wieder. »Es sind ihrer nur vier!«

»Feigling!«, rief Nick Carter verächtlich. »Zeige dich doch, Teddy Reagan, ich will dir dann vormachen, wie man einen Hasenfuß abschlachtet!«

Ein rasendes Hohngelächter antwortete. Doch der Detektiv kehrte sich nicht daran. Mit einem Fußtritt schleuderte er den Tisch wieder von der Türöffnung. Dann trat er in diese, einen schussbereiten Revolver in jeder Hand. »Ich zähle bis zehn … wer von euch Kerlen dann noch im Korridor steht, der stirbt von meiner Hand!«, sagte er mit eiserner Entschlossenheit.

Diesmal lachte niemand. Von irgendwo her schien ein helles Licht gerade in den Korridor, und bei dessen Schimmer vermochten die zu den beiden Treppenseiten zusammengerotteten Rowdys in den stahlharten Zügen des Detektivs den unerbittlichen Ernst seiner Drohung zu lesen.

Er begann zu zählen. »… sechs … sieben … acht …«

»Wollt Ihr es leiden … Jungs, wollt Ihr es leiden?«, kreischte Teddy Reagans.

»Neun!«

»Auf ihn, Pards!«, feuerte der Schurke an. »Schlagt ihn tot … schlagt ihn …«

»Zehn!«, vollendete Nick Carter mit markiger Stimme.

Im selben Moment stürzten sich von beiden Seiten her die Rowdys auf ihn, und der Detektiv schoss aus beiden Revolvern zugleich.

Wildes Jammern und Stöhnen folgte. Das war mehr, als die Feiglinge ertragen konnten. Wie ein aufgestörter Hornissenschwarm fegten sie die Treppen hinunter.

Nick Carter trat ins Zimmer zurück. Zu seiner Befriedigung nahm er wahr, dass Loomis bereits gefesselt war, während Chick dabei war, dem wieder zu Bewusstsein gekommenen und sich rasend wehrenden Renfrew Handschellen anzulegen. Den Bärenkräften Chicks war der entnervte Schauspieler nicht gewachsen; fast in derselben Sekunde knackten auch schon die Federn der Handschellen, und der wutschäumende Verbrecher war wehrlos gemacht.

Aber kaum war dies geschehen, als die eine Seitenwand des Zimmers wie durch Zauberkraft zurückwich und aus einem Raum dahinter ein wütendes Schießen auf die Detektivs begann.

Dass diese nicht sofort getötet wurden, erschien als ein wahres Wunder. Standen sie doch in einem hellerleuchteten Zimmer und waren den Schüssen ihrer Feinde, die sich im Dunkeln befanden, fast wehrlos preisgegeben. Alles, was die heimtückisch Angegriffenen zu sehen vermochten, war das Aufflammen der Revolver.

Doch Nick Carter bewahrte seine wunderbare Geistesgegenwart. Mit einem Schuss zerschmetterte er die brennende Lampe und hüllte das Zimmer in tiefe Dunkelheit.

»Seid auf eurer Hut, Jungs!«, rief er mit donnernder Stimme. »Den alten Weg zurück!«

Damit feuerte er auch schon seine Revolver in den Nebenraum ab. Die drei anderen folgten augenblicklich seinem Beispiel. Ob sie trafen, konnten sie in der Dunkelheit nicht gewahren; doch das den Schüssen wiederholt folgende Aufwimmern und Stöhnen sagte ihnen genug. Natürlich feuerten auch die Gegner immer in die Richtung, von welcher her die Schüsse aufflammten; doch da die Detektivs sofort, kaum, dass sie die Revolver entladen hatten, hurtig zur Seite sprangen, entgingen sie jeglicher Verletzung.

Dann verstummte plötzlich das gegnerische Feuer. Auch die Detektive hielten mit Schießen inne und lauschten angestrengt, denn natürlich vermuteten sie hinter dem plötzlichen Schweigen, das unheimlich über dem pulvergeschwängerten Raum lag, eine neue Gefahr.

Doch als Minuten verstrichen, ohne dass etwas anderes gehört wurde als das Stöhnen der im schmalen Korridor liegenden Verwundeten, zog Nick Carter schließlich entschlossen seine Laterne hervor und leuchtete um sich. Von den Angreifern war keine Spur zu entdecken. Dagegen stellte sich heraus, dass das plötzliche Verschwinden der einen Seitenwand ganz natürlich vor sich gegangen war. Die Wand bestand aus einer großen Schiebetür, welche die Rowdys einfach geöffnet hatten.

In dem Nebenzimmer fanden sie einen Mann mit durchschossener Stirn tot vor und einen Zweiten mit einer Kugel in der Kehle im Sterben. Im Zimmer selbst, wo die Detektive standen, lagen ihre beiden Gefangenen hilflos auf der Diele.

Nick sprang in den Nebenraum und entdeckte, dass aus diesem eine Hintertür führte, welche auf eine Treppe mündete. Auf ihr waren die Angreifer ins Zimmer gelangt. Schnell verschloss und verriegelte der Detektiv die Tür und kehrte zu seinen harrenden Gefährten zurück.

Im Korridor, den sie nun betraten, lagen zwei Tote an dem einen Treppenende, während vor dem anderen sich ein in die Schulter Geschossener fluchend und wimmernd im Blut wälzte.

»Wir müssen versuchen, mit unseren Gefangenen die Straße zu erreichen!«, versetzte der Detektiv kaltblütig.

»Well, wir müssen es versuchen, Nick!«, brummte Chick achselzuckend. »Ob wir herauskommen, ist eine andere Frage … Dies ist ein gefährliches Rattenloch, und wir dürfen auf Überraschungen zählen!«

»Ten Itchi«, ordnete Nick Carter unbeirrt an, »du nimmst den einen Gefangenen, und Patsy befasst sich mit Loomis. Ich gehe voran, und Chick macht den Schluss!«

»Lass mich lieber vorangehen, Nick«, bat Chick, »wir werden uns durchschlagen müssen!«

Schon hatte Patsy seinen Gefangenen derart gepackt, dass dieser ihm mit seinem Körper als Deckung dienen musste, und Ten Itchi gebrauchte den Leib des mit kraftvollem Arm von ihm Festgehaltenen in gleicher Weise als Schild.

Nick wollte sich an die Spitze setzen, doch sein Vetter hielt ihn beim Arm zurück. »Lass Patsy mit seinem Gefangenen voran und folge ihm«, bat er. »Schießen die Kerle von vorn, so trifft es Loomis und nicht dich … Ich komme nach dir, und Ten Itchi geht rückwärts und hält Renfrew als Schild vor sich. Voran!«

Sein Vorschlag leuchtete Nick ein, und er winkte Patsy zu, voranzugehen. Als dieser, mit beiden Armen seinen Gefangenen dicht vor sich herschiebend, das untere Treppenende erreicht hatte, schrie er übermütig: »Nur heran, Ihr Beutelschneider … Aber schießt Ihr, so macht Ihr ein Sieb aus Eurem Kameraden … Mir soll es recht sein!«

Alles blieb still. Doch als Ten Itchi, wie ein Krebs die Treppe rückwärts herunterschreitend und seinen Gefangenen zum Schutz vor den eigenen Körper haltend, die Treppenmitte erreicht hatte, hörte man vom Korridor her eilige Schritte, und gleich darauf wurde vom oberen Treppenende aus wieder geschossen.

»Schießt nicht – schießt nicht!«, heulte Renfrew in schrecklicher Todesangst. »Der Kerl hält mich als Schild vor sich – o weh! Ihr schießt mich tot … so haltet doch ein!«

Sofort hörte das Schießen oben auf. Dafür aber schoss Ten Itchi nach oben, ohne jedoch seinen Mann dabei loszulassen. Dann setzten die vier Detektive mit ihren Gefangenen den Weg fort, immer in tiefster Finsternis tappend und nicht wissend, wo sie sich eigentlich befanden, aber von der Hoffnung aufrechterhalten, immer näher heran zum rettenden Ausgang zu kommen.

Plötzlich wurde von beiden Seiten aus Feuer auf Patsy eröffnet, und sogleich heulte Loomis wild auf, dass er getroffen worden sei. Sofort sprang Nick dicht an Patsy heran und schoss wiederholt, während der Lärm rings um sie immer gewaltiger anschwoll und beinahe das Knattern der Schüsse verschlang. Stöhnen und Fluchen bewies, dass die Detektivs trotz der alles einhüllenden Finsternis gut trafen. Schritt um Schritt erkämpften die entschlossenen Männer ihren Rückzug, bis endlich Patsy an ein den Gang versperrendes Hindernis stieß und durch Tasten sich davon überzeugte, dass es eine Tür war. Er riss sie auf, und im selben Moment streifte auch schon ein kalter, frischer Luftzug sein Gesicht.

»Hurra, es ist die Straße, Meister!«, schrie er erleichtert auf.

Ein Wutgeheul hinter ihnen kündete an, dass die Rowdys dies ebenfalls wussten und fürchteten, die ihnen sicher verfallen geglaubten Opfer noch im letzten Moment in Sicherheit sehen zu müssen. Wie rasend schossen die Kerle. Doch da die Revolver der Detektive sie in respektvoller Entfernung hielten, erfüllte das Knallen ihrer Schüsse nur die Luft und verwundete keinen der heldenmütigen Männer.

»Und wenn es mein Leben kostet, Nick Carter muss dran glauben!«, ertönte die heisere Stimme Teddy Reagans. Ein ungeschlachter Kerl stürzte beim Schein der durch die offene Tür eindringenden ersten Morgendämmerung auf den Detektiv los.

Es kostete Teddy Reagan das Leben, denn mit durchschossener Stirn stürzte der Unhold, von Nick Carters nie fehlender Hand niedergestreckt, mit dem Gesicht nach unten auf die Erde. Das war das Signal zu einem panikartigen Rückzug für die übrigen Strolche, und die vier Detektive vermochten unverletzt mit ihren Gefangenen zu entrinnen.

Mit einem tiefen Atemzug trat Nick Carter auf die Straße und sog begierig die frische Morgenluft ein.

»Well, Jungs«, sagte er, »das heißt wirklich im heißen Wasser gewesen zu sein. Nun, zum Glück lohnt es, denn die Burschen haben wir … Und nun zur Polizeiwache.«

Zehn Minuten später waren die Verhafteten im Stationshaus sicher verwahrt, und ein herbeigerufener Arzt verband ihre Wunden, die sich indessen sämtlich als ungefährlich erwiesen.

 

*

 

Mrs. Crombie und Mlle. Viola waren beide nicht wenig überrascht, als sie erfuhren, dass sie einander als Mutter und Tochter angehörten. Nachdem Nick Carter die Gefangenen zur Strecke gebracht hatte, war es anhand der bereits genommenen Beweise nicht schwer, den ganzen Sachverhalt ans Tageslicht zu bringen. Als Renfrew erkannte, dass seine Schuld als Urheber der beiden Mordattentate gegen die junge Künstlerin ohne jeden Zweifel festgestellt war, brach er zusammen und gestand. Er war wirklich, wie Nick Carter richtig vermutet hatte, nach England gefahren und hatte seinen dort lebenden entfernten Verwandten, Sydney Cariston, den Erbschaftsprätendenten, von der Existenz der wirklichen Erbin Marion Hepworth unterrichtet, es aber wohlweislich für sich behalten, dass aus ihr inzwischen die berühmte Königin der Lüfte, Mlle. Viola, geworden war. Er hatte sich bereit erklärt, das junge Mädchen zu beseitigen, falls ihm die Hälfte der Erbschaft gewährleistet würde.

Als aber der Mordanschlag auf Mlle. Viola misslungen und deren Sache von Nick Carter in die Hand genommen worden war, da hatte Hagar, welcher sozusagen als Oberleiter fungiert hatte, es mit der Angst zu tun bekommen. Er hatte schließlich eine Entlarvung befürchtet und nun alles aufgeboten, sich mit der Gegenpartei ins Einvernehmen zu setzen. Renfrew indessen hatte dessen Absicht durchschaut. Zuerst waren beide hart aneinandergeraten, und dann hatte der verkommene Schauspieler ihm zuvorkommen und seinerseits alles verraten wollen.

Hagar freilich war ein aalglatter, mit allen Hunden gehetzter Advokat. Er leugnete mit frecher Stirn alles und behauptete, nur der legitime Berater und Vertreter des englischen Erbschaftsprätendenten gewesen zu sein. Da Renfrews Aussagen zu seiner Überführung nicht genügten und sonst keine Beweise vorlagen, so kam Hagar mit einem blauen Auge davon und musste nur die Verachtung aller anständig Gesinnten in Kauf nehmen.

Kurz darauf reisten Mutter und Tochter nach England, begleitet von Berenice und dem treuen Adams, welche entschlossen waren, auch in Zukunft bei der lieblichen Viola, die sich nun allerdings wieder Marion Hepworth nannte, zu bleiben. Doch ehe diese abreiste, verehrte sie Nick Carter und dessen getreuen Gehilfen ein sinniges Andenken, bestehend aus je einem goldenen, reich mit Diamanten besetzten Miniaturtrapez.

Blanche Everitt und ihr Bruder Loomis kamen mit je zwei Jahren Gefängnis davon, der schurkische Bellew dagegen wanderte als Mr. Renfrew auf zwanzig Jahre nach Sing Sing, natürlich nur, um hinter den Zuchthausmauern zu sterben.

Sydney Cariston endlich hatte ein Haar darin gefunden, der lieblichen Viola-Marion das reiche Erbe noch weiter auf dem Prozessweg zu bestreiten. Er zog es vor, um allen unerquicklichen Auseinandersetzungen zu entgehen, sich ins Ausland zu begeben – und keiner weinte ihm eine Träne nach.

Ende

 

Als Band 7 dieser Serie erscheint

Eine sensationelle Gerichtsverhandlung