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Ritter Busso von Falkenstein – 11. Teil

Ritter Busso von Falkenstein
oder die Geheimnisse der Totengruft
Ein schauderhaftes Gemälde aus den Ritterzeiten
Verlegt durch Gottfried Basse zu Quedlinburg, 1813

Als er bei der Höhle ankam, versuchte er, die dick ineinander gewachsenen Gesträuche zurückzubiegen; aber mit bloßen Händen war es unmöglich. Er suchte sich also mithilfe seines Schwertes einen Weg zu bahnen Die Vögel, welche seit langen Jahren in dieser Gegend einen sicheren Aufenthalt hatten, wurden in ihrer Ruhe gestört und entflohen in so großer Anzahl, dass sich der Ritter genötigt sah, einige Schritte zurückzutreten, indem sie gleich einem Strom zum Licht flogen und es ihm sonst vielleicht ausgelöscht hätten. Da sie sich etwas zerstreut hatten und der Eingang frei war, flehte er den Himmel um Verstand in seinem Unternehmen an und betrat die Höhle.

Anfangs schritt er, das Schwert in der Hand, vorwärts; nach und nach aber konnte er nur mit Mühe weiter vordringen,  indem er große Felsenstücke übersteigen musste, weshalb er es für nötig fand, sein Schwert in die Scheide zu stecken, um mit Hilfe seiner Hände weiter zu klimmen. In der Tat befürchtete er auch nicht, hier auf Gegenstände zu stoßen, zu deren Wegräumung sein Schwert nötig sei. Je weiter er kam, desto schauerlicher wurde es um ihn her. Eine kalte Luft machte sein Blut erstarren.» Die schreckensvolle Stille wurde mitunter durch das Herabfallen einiger Felsenstücke unterbrochen, und bei jedem Schritt wurde der kühne Ritter besorgter und vorsichtiger.

Wenn er einen Stein mit seinem Fuß berührte, so pochte ihm das Herz heftiger. Endlich stieß er auf einen unterirdischen Strom, dessen Getöse die furchtbare Totenstille unterbrach und der sich tobend durch herabgefallene Felsenstücke wand.

Busso sah sich nun genötigt, mehr kriechend als aufrecht gehend weiter zu dringen, indem der Weg immer enger und niedriger wurde. Da er aber eine Zeitlang auf Händen und Füßen vorwärts gekrochen war, befand er sich auf einmal in einem großen unabsehbaren Raum, dessen Ende er der schrecklichen Finsternis wegen nicht sehen konnte. Beim dunklen Schein seiner Fackel konnte er nur die ihn zunächst umgebenden Gegenstände bemerken. Als er bedachtsam weiter schritt, wurde er gewahr, dass jener wütende Strom von einer gewaltigen Höhe herabstürzte. Sein furchtbares Toben versetzte ihn in eine nie gekannte Furcht und Schrecken. Nun erstieg er einen hohen Fels, welcher das Ende der Höhle zu sein schien. Ermüdet setzte er sich einige Augenblicke nieder und überließ sich seinen Gedanken. Kein lebendiges Wesen unterbrach seine stillen Betrachtungen, und die Schreckbilder jenes bedeutungsvollen Traums stellten sich in ihrer ganzen Kraft von Neuem vor seine Seele.

Er versuchte jedoch die furchtbaren Traumbilder bald wieder zu verscheuchen und erinnerte sich seines sonst unerschütterlichen Mutes, der ihn in den augenscheinlichsten Gaben stets so mächtig beseelt hatte. Er schämte sich seiner Feigheit, zumal da ihm noch eine Gefahr aufgestoßen sei.

Indem sich Busso von dem Felsen, auf dem er einige Minuten nachsinnend geruht hatte, entfernte, entschloss er sich, seine Untersuchung fortzusetzen. Plötzlich fühlte er sich aber von hinten mit mächtiger Hand gefasst. Erschrocken wandte er sich um und sah nichts. Forschend spähte er nach allen Seiten hin und schrieb dies unerklärbare Ereignis endlich seiner erhitzten Einbildung zu. Er wollte weiter gehen, wurde abermals durch einen Stoß von hinten in Schrecken gesetzt, sah sich um und bemerkte eine Erscheinung, von der er in diesem Augenblick selbst nicht wusste, ob er sie für ein menschliches oder überirdisches Wesen halten sollte, indem sie mit Blitzesschnelle hinter einen Felsen verschwand, den er bisher, der Dunkelheit wegen, noch nicht bemerkt hatte, der aber, als er sich ihm näherte, seinem Blick einen langen, breiten Gang eröffnete, in dessen Hintergrund er ein dunkles Licht gewahrte, dem der untergehenden Sonne bei nebligem Wetter ähnlich.

Der Ritter fasste Mut und ging entschlossen vorwärts. Bisher war der Weg hart und steinig gewesen, nun aber wurde er bei jedem Schritt weicher und sandig. Er näherte sich jenem Licht, das immer größer und heller wurde. Dies, meinte er, sei unstreitig der Ort, den ihm eine überirdische Macht in jenem Traum so deutlich bezeichnet habe. Hier würde sich dieses ganze rätselhafte Abenteuer lösen Er fiel auf die Knie und bat den Himmel um Beistand. In einiger Entfernung sah er ein Totengewölbe, das durch die schwachen Strahlen des im Hintergrund stehenden Lichts erleuchtet wurde. In der Nähe hörte er ein Geräusch, gleich dem Flattern der Fledermäuse. Er betrachtete das Gewölbe einige Augenblick und wurde endlich etwas Glänzendes gewahr. Er näherte sich, stieß daran und bemerkte das Gefäß eines Schwertes. Wie groß war aber sein Erstaunen, als er ein an die Wand gelehntes menschliches Gerippe, auf dem Deckel eines Sarges sitzend, sah, welches das Schwert mit seiner kalten und knöchernen Hand hielt.

Die Worte, welche jenes Traumbild so vernehmlich gesprochen hatte, fielen ihm nun ein. Er fiel auf seine Knie und betete: »O überirdischer, unbekannter Geist, dessen Name mir nicht bewusst, der du mich aber unstreitig an diesen rätselhaften Ort geführt hast, und, obwohl unsichtbar, doch gewiss zugegen bist, ich ergreife dieses Schwert und schwöre, nicht eher zu ruhen, als bis ich die Rache geübt habe, wozu ich bestimmt zu sein scheine und von der vielleicht mein eigenes Glück abhängt.«

Kaum hatte er dies mit ängstlicher Stimme gesprochen, so griff er nach dem Schwert, und das Skelett zog seine Hand sogleich zurück. In diesem Augenblick verschwand jenes Licht mit Blitzesschnelle, ein gewaltiger Sturmwind erhob sich, verlöschte es und hüllte ihn in eine Staubwolke ein. Nun stieg seine Furcht aufs Höchste, seine Kräfte verließen ihn und er sank erschöpft neben dem Skelett zur Erde. Einige Augenblicke danach erholte er sich wieder und fühlte, dass das Skelett seine Hand gefasst habe. Er zog sie erschrocken zurück, strengte nochmals all seine Kräfte an und fasste neuen Mut. Indem er aufstand, hörte er das Getöse des Stroms und glaubte der engen Öffnung nahe zu sein, durch welche er vorher in diesen großen Raum gekrochen war.

Bald entdeckte er selbige auch und wurde zugleich ein Licht gewahr, welches vom Eingang der Höhle zu kommen schien. Er kam näher, sah mehrere Liter, die sich in verschiedenen Richtungen hin und her bewegten, und glaubte Fußtritte und Waffengeklirr zu hören. Plötzlich aber erhob sich ein fürchterliches Geschrei. Der Ritter vernahm unter anderen deutlich die Worte: »Blut! Ein Blutstrom!«

In diesem Augenblick erbebte die ganze Höhle und bei einem schrecklichen Krachen verstummte das Geschrei, welches noch einige Male widerhallte. Endlich hörte man nur das Rauschen des Stromes, alle Lichter waren verschwunden und bloß ein schwacher Schein leitete des Ritters Schritt, Mit dem gefundenen Schwert in der Hand erreichte er endlich einen etwas breiteren Gang und fand daselbst noch einige Reste von seiner vorher in der Bestürzung verlorenen, noch brennenden Fackel, von welcher obiger Schein kam. Erfreut hierüber, versah er sich nun wieder mit Licht und entdeckte bald die Ursache des vorher gehörten fürchterlichen Getöses.

Ein großes Felsenstück war nämlich herabgestürzt, unter welchem er zu seinem großen Erstaunen die blutigen Glieder zweier zerschmetterter Menschen liegen sah.

Indem er sie, von neuem Schrecken ergriffen, betrachtete, hörte er in einiger Entfernung dumpfe Seufzer, denen eins in den letzten Zügen liegenden Menschen gleich. Er zitterte, sah sich um und wurde einen bewaffneten Menschen auf der Erde liegend gewahr, der bei seiner Annäherung neue Seufzer ausstieß.