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Der Welt-Detektiv Band 6

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Hanns Heiling … – Teil 13

Friedrich Wilhelm Bruckbräu
Hanns Heiling, vierter und letzter Regent der Erd-, Luft-, Wasser- und Feuergeister und sein Kampf mit den Teufeln der Hölle
Eine höchst merkwürdige, abenteuerliche und wundervolle Ritter-, Räuber-, Geister- und Teufelsgeschichte
Verlag der J. Lutzenberger’schen Buchhandlung, Altötting, 1860

Versöhnung

Ein Herzog hatte damals eine sehr schöne Tochter, die sich in einen Dienstmann ihres Vaters, einen braven, aber armen Ritter, verliebte, dessen Gemahlin sie zu werden, niemals hoffen durfte, obwohl dies des Ritters höchster Wunsch war. Leider war des Herzogs, von ihm innigst geliebte Gemahlin gestorben, welcher er seinen Wunsch versagen konnte. Hätte sie, deren Liebling ihre Tochter war, noch gelebt, so würde sie ihren Gemahl gewiss bewogen haben, durch seine väterliche Einwilligung das Glück der beiden Liebenden zu begründen.

Der Herzog schlug seiner Tochter Isabella zwei junge, ebenso reiche wie vornehme Ritter als Bräutigame vor, mit dem Auftrag, in der Zeit von acht Tagen unausweichlich einen von beiden zu ihrem Gemahl zu wählen.

Isabella erschrak bei diesem Antrag, aber ihre Mienen verrieten keine Spur der inneren Aufregung. Die Liebe zum Ritter Oswald verlieh ihr diese Kraft per Selbstbeherrschung.

»Lieber Vater«, erwiderte sie mit kindlich zärtlichem Ton, »ich habe nicht die geringste Neigung zu heiraten und liebe dich zu innig, um mich von dir trennen zu wollen.«

»Von einer solchen Trennung ist auch gar keine Rede, Isabella. Du bleibst mit deinem Gemahl an meinem Hof.«

»Ich kenne aber noch nicht einmal die Gemütsart der beiden Ritter. Wie kann ich also einen von ihnen lieben? Da wäre es aber leicht möglich, dass die Ehe sehr unglücklich werden könnte, und ein so trauriges Schicksal würde gewiss auch dein väterliches Herz tief betrüben.«

»Allerdings, wenn es so wäre, wie es du dir einbildest, aber ich kenne beide Ritter als ehrenwerte Männer, und jeder von ihnen ist würdig, mein Schwiegersohn zu werden, wovon du dich selbst überzeugen wirst, da sie von mir zu einem Bankett eingeladen, dieser Tage noch an meinem Hof erscheinen.«

»Wenn ich aber keinen von ihnen heiraten mag?«, entgegnete Isabella fragend.

»Jeder Ritter wird sich glücklich schätzen, eine so schöne und tugendhafte Tochter eines Herzogs zur Gemahlin zu erhalten. Prüfe nur und wähle! Jetzt geh!«

Isabella klagte ihrer vertrauten Zofe Irma das ihr drohende Schicksal und trug ihr auf, ihren geliebten Ritter Oswald davon in Kenntnis zu setzen, der seiner treuen Isabella raten ließ, sich zu verstellen, bei dem Bankett heiter zu scheinen, und ihn selbst kaum zu beachten, um keinen Argwohn zu erregen. In der Nacht des siebenten Tages, also einen Tag vor dem Entscheidungstag, werde er sie entführen und ihr zuvor durch Irma das Nötige sagen lassen.

Dadurch vollständig beruhigt, war Isabella bei dem Bankett fröhlich, überzeugte sich aber noch an demselben Abend, dass der eine von den eingeladenen Gästen höchst hochmütig und gebieterisch, der andere hingegen ein trunksüchtiger Raufbold sei. Sie machte ihrem Vater diese Bemerkung lachend, mit dem Beifügen, dass sie bei dem Gewählten große Mühe mit seiner Besserung haben werde, was den Vater denn doch nicht gleichgültig zu sein schien. Beide Ritter machten Isabella nur sehr hölzern den Hof, und der Trunksüchtige sogar ganz unanständig, ja beleidigend, mit dem Humpen in der Hand, was dem Herzog nicht entging. Festmahle und Jagden füllten die übrigen Tage aus und am siebenten Tage nach dem Mittagmahl ritten die beiden Ritter von dannen.

Am achten Tag, am Wahltag, war Isabella in der herzoglichen Burg und deren Gärten, worin sie sich immer so gern aufhielt, nicht zu finden. Ritter Oswald, den man nun auch am Hofe vermisste, hatte sie in der Nacht auf bereitgestandenen Rossen auf eine ärmliche Burg entführt, wo schon ein Kaplan sie erwartete, um sie sogleich zu trauen. Oswald wusste wohl, dass man ihn zuerst auf seiner Burg suchen würde, ritt daher nach einem kurzen Imbiss mit seiner Neuvermählten, nachdem er noch zwei Säcke mit Lebensmitteln und verschiedenen Werkzeugen, worunter sich auch seine Armbrust mit zahllosen Bolzen befand, auf die beiden Rosse geladen hatte, zehn Stunden weit in die böhmischen Urwälder hinein, in einen ihm bekannten alten Turm, der mitten in einer hohen Gruppe von Felsen lag , wo ihn so leicht niemand finden konnte. Zwei Jahre lebten sie da glücklich in der Verborgenheit. Frisches Moos war ihr Lager, klares Quellwasser ihr Getränk, das von Oswald erlegte Wild ihre Speise und ein wunderliebliches Söhnlein von einem Jahr und zwei Monaten ihre höchste Wonne.

Ein bald nach der Entführung Isabellas wegen eines Diebstahls vom Herzog davongejagter Jäger, namens Wolf, trieb sich zurzeit in dieser wilden Gegend herum, erblickte und erkannte Oswald auf der Jagd, lauerte mehrere Wochen und sah ihn eines Tage mit Isabella und dem Kind nicht weit vom Turm lustwandeln. In der Hoffnung auf Verzeihung und Wiederaufnahme wurde er zum Verräter des liebenden Ehepaares und zum Wegweiser des nach Rache dürstenden Herzogs, der mit allen seinen Reisigen zu jenem Turm zog und Oswald durch einen Herold zur Übergabe des Turmes auffordern ließ, ansonsten er durch angezündetes Heu und Stroh ihn darin ersticken würde.

Oswald erschien mit Isabella, die ihr Kind auf dem Arm trug und küsste, auf dem Söller des Turmes und erwiderte mit volltönender Stimme: »Eher soll meine Hand verdorren, als dass ich sie gegen den Herzog, als den Vater meiner lieben Gemahlin und den Großvater meine lieben Kindes erhebe. Der Herzog mag tun, was er will und was er vor Gott verantworten kann. Lässt er aber Brand legen in den Turm, so stürze ich mich mit Frau und Kind in die Felsenschlucht hinunter.«

Bei dem Anblick der Tochter und ihres Kinder traten dem Herzog die Tränen väterlicher Rührung in die Augen, aber bald unterdrückte sie das Gefühl der Rache. Er befahl, Heu, Stroh, Holz, was tauglich am nächsten liege , in den Turm zu werfen und anzuzünden. Alsogleich erschienen auf der Zinne des Turmes Oswald mit Frau und Kind, welches Isabella fest an ihr Herz drückte, in liebender Umarmung.

»Gott, sei unseren Seelen gnädig!«, rief Oswald laut.

Alle drei verschwanden von der Zinne des Turmes durch den Sturz in die zerschmetternde Tiefe. Dem lebenden Herzoge presste plötzlich die Reue das Herz zusammen.

Aber der Sturz in die Tiefe blieb unvollendet.

Hanns Heiling ließ durch Luftgeister die Stürzenden sanft auf den Boden stellen, trat sichtbar vor sie hin und sagte: »Ich bin Hanns Heiling, ließ euer Leben erhalten und werde euch retten. Werft euch dem Herzog zu Füßen, der euch mit väterlicher Liebe verzeihen wird!«

Als der Herzog, der sie für tot hielt, sie von Weitem heranschreiten sah, erstaunte er über dieses Wunder im höchsten Grade und freute sich unermesslich über deren glücklichen Erhalt.

Plötzlich stand, nur ihm sichtbar, Hanns Heiling in der Gestalt seiner ersten, vielgeliebten Gemahlin vor ihm und sagte mit liebevoller Miene: »Mein unvergesslicher Gemahl, aus Auftrag einer höheren Macht habe ich unsere Kinder gerettet. Verzeihe ihnen und liebe sie, wenn du willst, dass auch dir Gott einst in deiner Sterbestunde verzeihen möge!«

Sie verschwand. Der Herzog half den Flehenden, die vor ihm knieten, mit Freudentränen auf und drückte sie verzeihend liebevoll an sein Herz. Der kleine Knabe hatte ihm seine zarten Händchen lächelnd entgegen gestreckt.

Am Hofe des Herzogs herrschte nun fort und fort ein ungestörtes glückliches Familienleben. Der Herzog belohnte den Verräter Wolf unter der Bedingung, das Herzogtum zu verlassen , weil ihm sein Verrat Gelegenheit bot, seine Kinder wiederzufinden.

Um diese Zeit war es auch, dass Hanns Heiling im Buch des Schicksals fand, schon der zweite Regent habe die Aufträglerin Martha, mit welchem unser Büchlein beginnt, zum langen Schlaf in einer Einsiedelei mit einer Felsenwand verschlossen und auf ihre Freigebung vergessen, an welche auch der dritte Regent Tycson nie gedacht habe. Hanne Heiling aber zögerte nicht, dieses Versehen sogleich gutzumachen.

Hanns Heiling wandte seine Macht nur zum Guten an. Er unterstützte stets die Armen, war ein Beschützer der Witwen und Waisen und immer bemüht, schwache Sünder auf den Weg der Besserung zu bringen , um sie vor dem ewigen Verderben zu bewahren.