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Die drei Musketiere – Zwanzig Jahre danach – 7. – 10. Bändchen – Kapitel II

Alexandre Dumas
Zwanzig Jahre danach
Siebentes bis zehntes Bändchen
Fortsetzung der drei Musketiere
Nach dem Französischen von August Zoller
Verlag der Frankh’schen Buchhandlung. Stuttgart. 1845.

II. Wie die Unglücklichen zuweilen den Zufall für die Vorsehung halten

»Nun, Madame«, sagte von Winter, als die Königin ihre Dienerin entfernt hatte.

»Nun, was ich vorhergesehen hatte, geschieht, Mylord.«

»Er weigert sich?«

»Habe ich es nicht gesagt?«

»Der Kardinal weigert sich, den König zu empfangen? Frankreich verweigert einem unglücklichen Fürsten Gastfreundschaft? Das geschieht zum ersten Mal, Madame.«

»Ich habe nicht gesagt, Frankreich, Mylord. Ich habe gesagt der Kardinal, und der Kardinal ist nicht einmal ein Franzose.«

»Aber, die Königin, habt Ihr dieselbe gesehen?«

»Es ist unnütz«, erwiderte Madame Henriette und schüttelte traurig den Kopf, »die Königin wird nie Ja sagen, wenn der Kardinal Nein gesagt hat. Wisst Ihr nicht, dass dieser Italiener alles leitet, sowohl auswärts als auch im Inneren. Mehr noch, ich komme auf das zurück, was ich Euch bereits gesagt habe. Ich würde, mich nicht wundern, wenn uns Cromwell zuvorgekommen wäre. Er war verlegen, während er mit mir sprach, und dennoch fest in seinem Willen, sich zu weigern. Habt Ihr ferner die Bewegung im Palais-Royal bemerkt, das Hin- und Herlaufen geschäftiger Leute? Sollten sie Nachrichten bekommen haben, Mylord?«

»Von England kann dies nicht sein, Madame; ich habe mich so sehr beeilt, dass mir sicherlich niemand zuvorgekommen ist. Ich bin vor drei Tagen abgereist und wie durch ein Wunder durch die ganze puritanische Armee gelangt. Ich habe mit meinem Lakai Tomy die Post genommen, und die Pferde, welche wir reiten, haben wir in Paris gekauft. Übrigens bin ich fest überzeugt, dass der König, ehe er etwas wagt, die Antwort von Eurer Majestät abwartet.«

Ihr werdet ihm melden, Mylord«, versetzte die Königin in Verzweiflung, »dass ich nichts vermöge, dass ich so viel gelitten habe, wie er, mehr sogar als er, ich, die ich genötigt bin, das Brot der Verbannung zu essen und Gastfreundschaft von falschen Freunden zu verlangen, und dass er, was seine königliche Person betrifft, sich edelmütig aufopfern und als König sterben müsse; ich werde an seiner Seite sterben.«

»Madame, Madame«, rief von Winter, »Eure Majestät überlässt sich der Mutlosigkeit, und es bleibt uns vielleicht noch einige Hoffnung.«

»Wir haben keine Freunde mehr, Mylord, keine Freunde in der ganzen Welt, außer Euch. Oh, mein Gott!«, rief Madame Henriette, die Arme zum Himmel emporstreckend. »Hast du denn alle edle Herzen, welche auf Erden bestanden, hinweggenommen?«

»Ich hoffe dass dies nicht der Fall ist, Madame«, erwiderte von Winter träumerisch, »ich habe Euch von vier Männern berichtet …«

»Was wollt Ihr mit vier Männern machen?«

»Vier ergebene Männer, vier bis zum Tode entschlossene Männer vermögen viel, glaubt mir, Madame. Und diejenigen, welche ich kenne, haben in einer gewissen Zeit viel getan.«

»Und diese vier Männer, wo sind sie?«

»Das ist es, was ich gerade nicht weiß. Seit etwa zwanzig Jahren habe ich sie aus den Augen verloren und dennoch dachte ich bei allen Gelegenheiten, wo ich den König in Gefahr sah, an dieselben.«

»Und diese Männer waren Eure Freunde?«

»Einer von ihnen hatte mein Leben in seinen Händen und schenkte es mir. Ich weiß nicht, ob er mein Freund geblieben ist, aber seit jener Zeit bin ich wenigstens der seine geblieben.«

»Und diese Männer sind in Frankreich, Mylord?«

»Ich glaube.«

»Sagt mir ihre Namen, ich habe sie vielleicht nennen hören und könnte Euch in Eurer Nachforschung unterstützen.«

Der eine von ihnen nannte sich Chevalier d’Artagnan.«

»Oh! Mylord, wenn ich mich nicht täusche, so ist dieser Chevalier d’Artagnan Leutnant bei den Garden. Ich habe seinen Namen aussprechen hören, aber merkt wohl, ich befürchte, dieser Mann gehört ganz dem Kardinal an.«

»Das wäre mein letztes Unglück«, erwiderte von Winter, »und ich müsste zu glauben anfangen, dass wir wirklich verdammt sind.«

»Aber die anderen?«, fragte die Königin, welche sich an diese Hoffnung anklammerte, wie ein Schiffbrüchiger an die Trümmer seines Fahrzeuges, »die anderen, Mylord?«

»Der zweite, ich hörte zufällig seinen Namen, denn ehe sie sich mit uns schlugen, sagten uns diese vier Edelleute ihre Namen – der zweite hieß Graf de la Fère. Die Namen der zwei anderen habe ich vergessen, weil ich gewohnt war, sie bei ihren entlehnten Namen zu nennen.«

»Oh, mein Gott! Es wäre doch vom höchsten Belang, sie wieder zu finden«, sprach die Königin, »da Ihr glaubt, diese würdigen Edelleute dürften dem König nützlich sein.«

»O ja«, sprach von Winter, »denn es sind dieselben … hört wohl, Madame, und ruft alle Eure Erinnerungen in Euch zurück. Habt Ihr nicht erzählen hören, die Königin Anna von Österreich wäre einst aus der größten Gefahr, die eine Königin je gelaufen ist, errettet worden?«

»Ja, während ihrer Liebschaft mit Buckingham. Es handelte sich um Diamantnestelstifte.«

»So ist es, Madame. Diese Menschen retteten sie. Es wundert mich nicht, wenn die Namen dieser Edelleute Euch nicht bekannt sind, da die Königin sie vergessen hat, während sie die Ersten ihres Königreiches aus ihnen hätte machen sollen.«

»Nun, Mylord, man muss sie suchen. Aber was werden vier Männer ober vielmehr drei vermögen, denn ich sage Euch, man kann nicht auf Monsieur d’Artagnan zählen.«

»Das wäre ein tapferer Degen weniger, Madame, doch es blieben immerhin noch drei andere, ohne den meinen zu zählen. Vier ergebene Männer aber in der Umgebung des Königs, um ihn vor seinen Feinden zu hüten, ihn in der Schlacht zu decken, im Rat zu unterstützen, auf seiner Flucht zu geleiten, das wäre hinreichend, nicht um den König zum Sieger zu machen, doch um ihn zu retten, wenn er besiegt wäre, um ihm über das Meer zu helfen. Und befände sich Euer königlicher Gemahl einmal an der Küste von Frankreich, so würde er, was auch Mazarin sagen mag, so viele Zufluchtsorte finden, wie der Seevogel bei den Stürmen findet.«

»Sucht, Mylord, sucht diese Edelleute, und wenn Ihr sie findet und sie willigen ein, mit Euch nach England zu ziehen, so gebe ich jedem von ihnen ein Herzogtum an dem Tag, wo wir wieder den Thron besteigen, und so viel Gold, wie man brauchen würde, um den Palast Whitehall zu pflastern. Sucht also, Mylord, sucht, ich beschwöre Euch.«

»Ich würde wohl suchen, Madame«, sagte von Winter, »und fände auch, aber es gebricht mir an Zeit. Vergisst Eure Majestät, dass der König Ihre Antwort erwartet, und zwar mit Bangigkeit erwartet?«

»So sind wir also verloren!«, rief die Königin mit dem Ausdruck eines gebrochenen Herzens.

In diesem Augenblick öffnete sich die Tür, die junge Henriette erschien, und die Königin drängte mit der erhabenen Kraft, welche der Heldenmut der Mutter ist, ihre Tränen bis in den Hintergrund des Herzens zurück und gab Lord Winter ein Zeichen, das Gespräch zu verändern.

Aber diese Reaktion, so mächtig sie auch war, entging der jungen Prinzessin nicht. Sie blieb auf der Schwelle stehen, stieß einen Seufzer aus und sagte, sich an ihre Mutter wendend: »Warum weint Ihr beständig ohne mich, meine Mutter?«

Die Königin lächelte und sprach, statt ihr zu antworten: »Hört, Lord Winter, ich habe wenigstens eines dadurch gewonnen, dass ich nur noch zur Hälfte Königin bin, das, dass mich meine Kinder Mutter statt Madame nennen.«

Dann sich gegen ihre Tochter wendend, fuhr sie fort: »Was willst du, Henriette?«

»Meine Mutter«, antwortete die junge Prinzessin, »es ist ein Reiter im Louvre erschienen und bittet, Eurer Majestät seine Ehrfurcht bezeugen zu dürfen. Er kommt vom Heer und hat, wie er sagt, Euch einen Brief vom Marschall von Grammont zu übergeben.«

»Ah, sprach die Königin zu Winter, »das ist einer von meinen Getreuen. Aber bemerkt Ihr nicht, mein lieber Lord, wie wir so armselig bedient sind, dass meine Tochter das Geschäft der Einführerin versehen muss?«

»Madame, habt Mitleid mit mir«, versetzte Lord Winter, »Ihr zerreißt mir das Herz.«

»Und wer ist der Reiter, Henriette?«, fragte die Königin.

»Ich habe ihn aus dem Fenster gesehen, Madame. Es ist ein junger Mensch, der kaum sechzehn Jahre alt zu sein scheint und sich Vicomte von Bragelonne nennt.«

Die Königin machte lächelnd ein Zeichen mit dem Kopf, die junge Prinzessin öffnete die Tür wieder und Raoul erschien auf der Schwelle.

Er machte drei Schritte gegen die Königin, kniete nieder und sprach: »Madame, ich überbringe Eurer Majestät einen Brief von meinem Freund, dem Monsieur Grafen von Guiche, welcher mir sagte, er habe die Ehre, zu Euren Dienern zu gehören. Dieser Brief enthält eine wichtige Nachricht und den Ausdruck seiner Ehrfurcht.«

Bei dem Namen des Grafen von Guiche verbreitete sich eine Röte über die Wangen der jungen Prinzessin. Die Königin schaute sie mit einer gewissen Strenge an.

»Aber du hast mir gesagt, der Brief käme vom Marschall von Grammont, Henriette?«, sprach die Königin.

»Ich glaubte es, Madame«, stammelte die Prinzessin.

»Das ist mein Fehler, Madame. Ich meldete mich wirklich, als käme ich von Seiten des Marschalls von Grammont, aber am rechten Arm verwundet konnte er nicht schreiben und der Graf von Guiche diente ihm als Sekretär.«

»Man hat sich also geschlagen?«, sagte die Königin und gab Raoul ein Zeichen, sich zu erheben.«

»Ja, Madame«, antwortete der junge Mann und übergab den Brief an Winter, welcher vorgeschritten war, um denselben in Empfang zu nehmen, und ihn sodann der Königin einhändigte.

Bei der Nachricht, dass eine Schlacht geliefert worden sei, öffnete die junge Prinzessin den Mund, um eine Frage zu machen, welche sie ohne Zweifel interessierte, aber ihr Mund schloss sich wieder, ohne ein Wort gesprochen zu haben, während die Rosen ihrer Wangen nach und nach verschwanden.

Die Königin sah alle diese Bewegungen und übersetzte sie ohne Zweifel in ihrem mütterlichen Herzen; dann sich abermals an Raoul wendend, fragte sie: »Dem jungen Grafen von Guiche ist nichts Schlimmes widerfahren? Er gehört nicht allein zu unseren Dienern, Monsieur, sondern auch zu unseren Freunden.«

»Nein, Madame«, antwortete Raoul, »er hat im Gegenteil an diesem Tag einen großen Ruhm errungen und es wurde ihm die Ehre zuteil, vom Monsieur Prinzen auf dem Schlachtfeld umarmt zu werden.«

Die junge Prinzessin klatschte in die Hände, aber ganz beschämt, dass sie sich zu einer solchen Kundgebung der Freude hatte hinreißen lassen, wandte sie sich halb um und neigte sich über eine Vase voll Rosen, als wollte sie den Geruch einatmen.

»Lasst sehen, was uns der Graf schreibt«, sprach die Königin.

»Ich hatte die Ehre, Eurer Majestät zu sagen, dass er im Namen seines Vaters schrieb?«

»Ja, Monsieur.«

Die Königin entsiegelte den Brief und las:

Madame und Königin

Da ich nicht die Ehre haben kann, Euch selbst zu schreiben, wegen einer Wunde, die ich an meiner rechten Hand erhalten, so lasse ich Euch durch meinen Sohn, den Grafen von Guiche, schreiben, von dem Ihr wisst, dass er ein ebenso treuer Diener von Euch ist, wie sein Vater, um Euch zu melden, dass wir die Schlacht von Lens gewonnen haben und dass dieser Sieg unfehlbar dem Kardinal Mazarin und der Königin eine große Gewalt über die Angelegenheiten von Europa geben muss. Möchte Eure Majestät, wenn sie meinem Rat trauen will, diesen Augenblick benutzen, um zu Gunsten ihres erhabenen Gemahls bei der Regierung des Königs nachdrückliche Schritte zu tun. Der Monsieur Vicomte von Bragelonne, der Euch diesen Brief übergeben wird, ist der Freund meines Sohnes, dem er aller Wahrscheinlichkeit nach das Leben gerettet hat. Es ist ein Edelmann, dem sich Eure Majestät vollkommen anvertrauen kann, falls sie mir einen mündlichen oder schriftlichen Befehl zukommen zulassen hätte.

Ich habe die Ehre zu sein
Mit Ehrfurcht usw.
Marschall von Grammont

In dem Augenblick, wo vom Dienst die Rede war, den er dem Grafen geleistet hatte, konnte sich Raoul nicht enthalten, der jungen Prinzessin den Kopf zuzuwenden. Er sah in ihren Augen einen Ausdruck unendlicher Dankbarkeit für seine Person. Es unterlag keinem Zweifel mehr, die Tochter von Karl I. liebte seinen Freund.

»Die Schlacht von Lens gewonnen!«, sprach die Königin. »Sie sind glücklich hier, sie gewinnen Schlachten! Ja, der Marschall von Grammont hat recht, das wird das Angesicht der Dinge verändern. Aber ich befürchte, es wirkt nicht für die unseren, wenn es ihnen nicht gar schadet. Diese Nachricht ist neu, Monsieur«, fuhr die Königin fort, »ich weiß Euch Dank, dass Ihr mir dieselbe mit so großer Eile überbracht habt. Ohne Euch, ohne diesen Brief hätte ich sie erst morgen, übermorgen vielleicht, die Letzte in Paris, erfahren.«

»Madame«, sprach Raoul, »der Louvre ist der zweite Palast, in welchen diese Nachricht gelangt ist. Niemand kennt sie noch, und ich habe dem Monsieur Grafen von Guiche geschworen, diesen Brief Eurer Majestät zu übergeben, sogar ehe ich meinen Vormund umarmt haben würde.

»Euer Vormund ist ein Bragelonne, wie Ihr?«, fragte Lord Winter. »Ich habe einst einen Bragelonne gekannt. Lebt er immer noch?«

»Nein, Monsieur, er ist tot, und von ihm hat mein Vormund, welcher in einem nahen Grade mit ihm verwandt war, das Gut geerbt, dessen Namen ich führe.«

»Und Euer Vormund, Monsieur?«, fragte die Königin, welche nicht umhin konnte, an dem schönen jungen Mann Anteil zu nehmen, »wie heißt er?«

»Monsieur Graf de la Fère«, antwortete der junge Mann, sich verbeugend.

Lord Winter machte eine Bewegung des Staunens, die Königin schaute ihn freudestrahlend an.

»Der Graf de la Fère!«, rief sie, »habt Ihr mir nicht diesen Namen genannt?«

Von Winter konnte nicht glauben, was er hörte.

»Der Monsieur Graf de la Fère!«, rief er ebenfalls. »Oh! Monsieur, antwortet mir, ich bitte Euch: Ist der Graf de la Fère nicht ein Mann, den ich einst als einen schönen, tapferen Monsieur gekannt habe, ein Mann, der Musketier unter Ludwig XIII. war und jetzt ungefähr siebenundvierzig bis achtundvierzig Jahre alt sein kann?«

»Ja, Monsieur, ganz so ist es.«

»Und der unter einem entlehnten Namen diente?«

»Unter dem Namen Athos. Ich hörte kürzlich erst seinen Freund, Monsieur d’Artagnan, ihm diesen Namen geben.«

»Es ist so, Madame, es ist so. Gott sei gelobt! Und er befindet sich in Paris?«, fuhr der Lord, sich an Raoul wendend, fort. Dann wieder zu der Königin zurückkehrend: »Hofft, hofft, die Vorsehung erklärt sich für uns, da sie macht, dass ich diesen braven Edelmann auf eine so wunderbare Weise wiederfinde. Sagt mir, ich bitte, wo wohnt er, Monsieur?«

»Der Monsieur Graf de la Fère wohnt in der Rue Guénégaud im Villa du Grand-Roy-Charlemagne.«

»Ich danke, Monsieur. Sagt diesem würdigen Freund, er möge zu Hause bleiben; ich komme sogleich, ihn zu umarmen.«

»Monsieur, ich gehorche mit großem Vergnügen, wenn Ihre Majestät mir Urlaub geben will.«

»Geht, Monsieur Vicomte von Bragelonne«, sprach die Königin, »geht und seid unserer Wohlgeneigtheit versichert.«

Raoul verbeugte sich ehrfurchtsvoll vor den zwei Fürstinnen, grüßte Lord Winter und entfernte sich.

Von Winter und die Königin besprachen sich noch eine Zeit lang mit so leiser Stimme, dass die Prinzessin dieselben nicht hörte; aber diese Vorsicht war überflüssig, denn sie unterhielt sich mit ihren eigenen Gedanken.

Als Lord Winter Abschied nehmen wollte, sagte die Königin: »Hört, Mylord, ich hatte dieses Diamantkreuz, das meiner Mutter gehörte, und diesen Sankt-Michaels-Stern, welchen ich von meinem Gemahl erhielt, bis jetzt bewahrt. Diese beiden Gegenstände sind ungefähr fünfzigtausend Franken wert. Ich hatte geschworen, eher bei diesen kostbaren Pfändern Hungers zu sterben, als mich derselben zu entäußern. Jetzt aber, da diese zwei Juwelen ihm und seinen Verteidigern nützlich sein können, muss man alles dieser Hoffnung aufopfern. Nehmt sie, und wenn Ihr für Eure Expedition Geld braucht, verkauft sie ohne Scheu, Mylord. Seid Ihr aber imstande, sie zu behalten, so bedenkt, Mylord, dass ich es betrachte, als hättet Ihr mir den größten Dienst geleistet, den ein Edelmann einer Königin zu leisten vermag, und dass derjenige, welcher mir am Tage unseres Glückes diesen Stern und dieses Kreuz wiederbringt, von mir und meinen Kindern gesegnet sein wird.«

»Madame«, erwiderte von Winter, »Eure Majestät wird von einem treu ergebenen Mann bedient werden. Ich gehe und hinterlege an sicherem Ort diese Gegenstände, welche ich nicht annehmen würde, wenn uns Mittel von unserem ehemaligen Vermögen übrig blieben; aber unsere Güter sind konfisziert, unser bares Geld ist versiegt, und wir sind dahin gekommen, uns aus allem, was wir besitzen, Hilfsquellen machen zu müssen. In einer Stunde begebe ich mich zu dem Grafen de la Fère, und morgen soll Eure Majestät eine bestimmte Antwort erhalten.«

Die Königin reichte Lord Winter die Hand. Er küsste sie ehrfurchtsvoll, und sie sagte, sich gegen ihre Tochter wendend: »Mylord. Ihr hattet den Auftrag, diesem Kind etwas von seinem Vater zu überbringen.«

Lord Winter war sehr erstaunt; er wusste nicht, was die Königin damit sagen wollte.

Die junge Henriette schritt lächelnd und errötend vor, bot dem Edelmann ihre Stirn und sprach: »Sagt meinem Vater: König oder Flüchtling, Sieger oder besiegt, mächtig oder arm, habe er in mir die gehorsamste und zärtlichste Tochter.«

»Ich weiß es, Prinzessin«, antwortete Lord Winter und berührte mit den Lippen die Stirn von Henriette.

Dann entfernte er sich, durchschritt, ohne zurückgeführt zu werden, die großen, verlassenen, dunkeln Gemächer und trocknete sich die Tränen, deren er sich, so abgestumpft er auch durch ein fünfzig Jahre langes Leben bei Hofe war, bei dem Anblick dieses zugleich so tiefen und so würdigen königlichen Unglücks nicht erwehren konnte.