Heftroman der

Woche

Download-Tipp

Paraforce Band 51

Neueste Kommentare
Archive
Folgt uns auch auf

Stephen King – Billy Summers

Stephen King
Billy Summers

Thriller, Hardcover, Heyne Verlag, München, August 2021, 720 Seiten, 26,00 Euro, ISBN: 9783453273597. Auch als E-Book und Hörbuch erhältlich. Übersetzt aus dem Amerikanischen von Bernhard Kleinschmidt

Der 44-jährige Billy Summers ist ein internationaler Top-Auftragskiller. Der ehemalige US-Soldat und Scharfschütze überlässt bei seinen Aufträgen nichts dem Zufall, bereitet sich akribisch vor und verschwindet nach getaner Arbeit spurlos von der Bildfläche. Mit einem letzten Job will er sich zur Ruhe setzen. Für zwei Millionen Dollar soll er einen inhaftierten Ganoven erschießen, während dieser auf dem Weg zum Gericht ist, um seine Hintermänner zu verpfeifen. Billy nimmt den Job an, obwohl noch nicht feststeht, wann die Verhandlung stattfinden soll. Das bedeutet eine ungewisse Wartezeit von mehreren Wochen.

Die überbrückt Billy, indem er sich eine Scheinidentität als angehender Autor zulegt. Unter falschem Namen wird für ihn ein Haus in einer Nachbarschaft angemietet, in der Billy bald – trotz aller Vorsicht – Freunde findet. Auch in dem Bürogebäude, in dem seine Auftraggeber ihm ein Schreibzimmer mit exzellenter Aussicht und freier Schussbahn auf das Gerichtsgebäude besorgt haben, sucht und findet Billy Anschluss. Er beginnt sogar damit, das Alibi-Buch zu schreiben. Dabei greift er auf seine eigenen Erinnerungen zurück: über seine gewaltsame Jugend, in der er seinen ersten Mord aus Notwehr beging, bis hin zum Einsatz in Afghanistan, wo er miterleben musste, wie seine Kameraden im Kugelhagel eines Hinterhalts sterben.

Mit der Zeit beginnt Billy seinen Auftraggebern zu misstrauen und bekommt das Gefühl, das man in selbst abservieren möchte. Er trifft also Vorkehrungen, nach der Tat endgültig zu verschwinden und baut dafür eine weitere Scheinidentität auf. Als dicklicher IT-Experte mietet er sich im Untergeschoss eines Hauses in einem heruntergekommenen Stadtviertel ein. Als er sich dort nach getaner Arbeit sowohl vor der Polizei als auch seinen Auftraggebern versteckt, beobachtet er eines Nachts, wie eine fast bewusstlose junge Frau aus einem Lieferwagen geworfen wird. Billy nimmt die Frau, die offenbar betäubt und mehrfach vergewaltigt wurde, bei sich auf. Der Killer und das Mädchen namens Alice schmieden eine fragile Allianz – denn beide sind inzwischen auf Rache an denen aus, die ihnen das Leben zur Hölle machen wollen.

 

Vorweg: Stephen King ist mit Billy Summers ein wahres Meisterstück gelungen. So vielschichtig hat sich der Autor lange nicht präsentiert, selbst seine starke Bill Hodges-Thriller-Trilogie wirkt dagegen wie eine Vorstudie. Denn was King hier als Ideen- und Stil-Konzentrat an Erzählkunst aufbringt, ist absolut bemerkenswert. Allein die Figur Summers ist fantastisch komponiert: Als Kind aus der Not zum Töten gezwungen, vom Staat in einen traumatischen Einsatz geschickt, als Auftragskiller mit hochprofessionellem Profil, das zu bröckeln beginnt, als Alice in seinem Leben auftaucht – die ihn wiederum an seine in jungen Jahren getötete Schwester und eine Jugendliebe erinnert.

Summers, eigentlich sehr belesen und klug, gibt sich zur Tarnung gerne als simples Gemüt. Als er seine Biografie zu schreiben beginnt, behält er zunächst diese tumbe Perspektive à la Forrest Gump bei. Das Buch im Buch entblättert nach und nach seinen Werdegang, der Stil wird eloquenter, aus dem Thrillerbeginn wird ein Jugendbuch und dann ein Kriegsveteranen-Roman – und das, wie gesagt, nur als Teil einer Nebengeschichte. Das alles ist bewundernswert dicht mit den vordergründigen Ereignissen verbunden, die sich vom Hitman-Roman über ein Roadmovie bis hin zum Rache-Thriller entwickelt.

Die Ebenen der auto-fiktionalen Biografie ziehen sich wie ein roter Faden (ein treffendes Bild, wird man nach der Lektüre des Roman erkennen) durch das Buch, bis hin zum konsequenten Ende – oder sind es sogar mehrere Enden? Noch bemerkenswerter ist dabei, dass King es schafft, den Roman in seinen Schaffenskosmos wie beiläufig einzubinden, indem ab einem gewissen Zeitpunkt und in einer vernachlässigbaren Rolle ein vor längerer Zeit abgebranntes Berghotel und ein sich offenbar veränderndes Wandbild auftauchen. Akribische King-Leser wissen natürlich sofort, welche Geschehnisse im Overlook-Hotel stattgefunden haben.

Fazit:
Man kann es nicht anders sagen: Mit Blick auf die Veröffentlichungen Kings diesseits der Jahrtausendwende steht Billy Jenkins in Sachen stilistischer und thematischer Vielseitigkeit sowie Cleverness beim Erzählen an der Spitze der Rangliste. Vielleicht war bislang sogar noch nie einer seiner Romane derart dicht komponiert, klug beim Verweben von Figur und Handlung und ausgereift sowie treffsicher bei den verwendeten Bildern. Möge er dafür die entsprechende Würdigung und Beachtung finden!

(sv)