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Oberhessisches Sagenbuch Teil 112

Oberhessisches Sagenbuch
Aus dem Volksmund gesammelt von Theodor Bindewald
Verlag von Heyder und Zimmer, Frankfurt a. M., 1873

Im Schloss zu Burggemünden

wohnte schon seit undenklichen Zeiten der herrschaftliche Forstmeister, der aber neben seinem Amt meist noch starte Landwirtschaft betrieb und so mancherlei Gesinde nötig hatte. Sein Pferdeknecht hatte das Nachtlager im Stall, oben an der Wand, damit er doch gleich bei der Hand sei, wenn es irgendetwas gab. Aber gerade darüber beschwerten sich die meisten Knechte und wollten ihm nicht bleiben. Sie behaupten, im Stall hause etwas, das lasse ihnen des Nachts keine Ruhe. Sie wüssten nicht zu sagen, was es wäre.

Nun dingte sich der Forstmeister einen Knecht aus der Umgegend, der war nicht enggeherzt und mit dem Maul immer voran.

»Nimm dich in Acht«, sagten zu ihm die übrigen Dienstboten, aber er schalt sie Hasenfüße und lachte sie aus.

In der ersten Nacht, als er im Stall lag, konnte er nicht schlafen. Nach elf Uhr gab es ein Geräusch darin, an der Wand her krabbelte etwas herum, auf einmal war es bei den Gäulen, dass die unruhig wurden und hinten und vorn ausschlugen, als wehrten sie sich gegen einen Feind.

Der Knecht rief sie bei Namen und gab ihnen alle guten Worte, aber sie parierten ihm nicht. Da er keine Flüchtigen (Streichhölzer) bei sich hatte, musste er dem Ding seine Weile bis Mitternacht lassen. Da hörte es auf. Am Morgen standen die Gäule schweißtriefend und zitternd vor der Raufe.

Beim Frühstück fragten ihn die anderen, wie es gegangen hätte, und als er den Vorfall aufrichtig erzählte, spotteten sie ihn tüchtig aus. Darüber ärgerte er sich denn nicht wenig und vermaß sich im Zorn heilig und teuer: Wenn es noch einmal so käme, dann wolle er dem Wahnerding zu Leibe rücken, es möge dann gehen, wie es wolle. Allein man braucht den Teufel nicht an die Wand zu malen, er kommt doch.

In der nächsten Nacht, wieder um dieselbe Zeit, gab es ein entsetzliches Rumoren, dass die Tiere schier außer sich gerieten und alles Zureden vergeblich war. Dann flatterte etwas im Stall herum wie ein großer Urhoiwel (Ohreule) und schlug schauerlich mit den Flügeln um sich, dass dem Knecht doch ganz sonderlich zumute wurde.

Weil er sich aber der Sache verheißen und auch ein Kännchen Branntwein zuvor getrunken hatte, um bei Courage zu bleiben, erhob er sich im Bett, ballte die Faust und schrie: »Du Teufel, komm einmal her, wenn du dich an mich getraust. Ich will schon mit dir fertig werden!«

Kaum war ihm das Wort aus dem Maul, so war auch der Unhold auf ihm und wollte ihn würgen. Doch er fasste unerschrocken zu und tat einen starken Griff, dass ihm deuchte, er spüre ordentlich die Federn desselben in seiner Hand.

Der Geist aber war ihm zu mächtig, schleuderte ihn wie einen Ball aus dem Bett, schleifte ihn im ganzen Stall herum und malträtierte ihn ganz furchtbar. Hören und Sehen verging ihm. Morgens, als der Stall nicht geöffnet wurde und der Knecht ausblieb, ließ der Forstmeister mit Gewalt die Thür aufbrechen.

Siehe, da lag sein Knecht auf der Erde, zerschunden am ganzen Leib und zum Sterben bereit. Mit abgesetzter, schwacher Stimme erzählte er, was mit ihm sich begeben hätte, dann brach ein Blutstrom aus seinem Mund und er war tot.

Von da ab hatte es dem Forstmeister immer schwer gehalten, einen richtigen Pferdeknecht zu bekommen, weil kein Mensch so leicht im Stall schlafen mochte.