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Guillermo Martínez – Die Oxford-Morde

Guillermo Martínez – Die Oxford-Morde

Im Sommer 1993 ist der Erzähler, ein Stipendiat aus Buenos Aires, der in Oxford seinen Doktor In Mathematik erwerben möchte, gerade zweiundzwanzig Jahre alt. Seine künftige Tutorin, Emily Bronson, hat seinen Besuch in Oxford sorgfältig vorbereitet und ihm nahegelegt, nicht in den ungemütlichen Zimmern des Colleges zu logieren, sondern lieber ein Zimmer mit eigenem Bad, einer kleinen Küche und separatem Eingang im Haus von Mrs Eagleton zu mieten. Diese ist die Witwe eines ehemaligen Professors von Emily Bronson.

Der Stipendiat schickt einen Scheck mit der ersten Monatsmiete als Vorauszahlung an Mrs Eagleton, setzt sich in sein Flugzeug und fliegt über den Atlantik nach England. In Heathrow angekommen nimmt er dann den Bus direkt nach Oxford, wo er, da seine Tutorin noch in London an einem Algebra-Kongress teilnimmt, noch ein paar Tage für sich hat, bevor seine Pflichten beginnen.

Es ist April und noch ziemlich kalt, als er ein Taxi besteigt, um zur Adresse seiner Vermieterin zu gelangen. Als er endlich dort ist und sich fragt, wie alt wohl die Hausherrin sein mag, öffnete ihm ein großes, schlankes Mädchen mit kantigem Gesicht und dunkelblauen Augen, das nicht viel älter ist als er selbst. Das Mädchen heißt Beth und ist offenbar die Enkelin der Hausherrin, in deren Wohnzimmer sie den Gast führt. Beth spielt zudem in einem Orchester Cello.

Nach der Begrüßung durch die alte Dame mit blitzenden Augen und lebhaften Bewegungen, deren Finger eine zittrige Zerbrechlichkeit spüren lassen, zeigt Beth dem Ankömmling sein Zimmer. Um halb sieben erwarten ihn Beth und ihre Großmutter zum Abendessen.

Bei der Unterhaltung mit seiner Gastgeberin und Beth anlässlich dieses Abendessens erfährt dann der Doktorand, dass Mrs Eagleton im Zweiten Weltkrieg die Mission erfüllt hat, Alan Turing und seinem Stab an Mathematikern zu helfen, die Nazi-Codes der Chiffriermaschine Enigma zu entschlüsseln. Dabei lernte sie ihren Mann kennen, mit dem sie sich dann in Oxford niederließ. Seitdem spielt sie gerne Scrabble, ein Spiel, das er nun mit ihr spielen muss.

In den kommenden Tagen stellt sich der junge Mann am Mathematischen Institut vor, erhält einen Schreibtisch im Besucher-Arbeitszimmer, eine E-Mail-Adresse und eine Magnetkarte zur Bibliotheksnutzung auch außerhalb der Öffnungszeiten. Endlich lernt er Emily Bronson persönlich kennen. Außerdem bekommt er eine Einladung zu einem Tennis-Doppel, an dem auch eine junge Krankenschwester namens Lorna teilnimmt, sehr hübsch und sehr bewandert im Tennisspiel.

Einige Wochen später lernt der Stipendiat den Mathematikprofessor Arthur Seldom persönlich kennen, einen berühmten Wissenschaftler und Verfechter der Logik, der ihn in Oxford ein wenig unter seine Fittiche nimmt. Sie treffen sich zum ersten Mal bei Mrs Eagletons Haus. Während sie mehrmals klingeln, beginnen sie, sich um die Hausherrin zu sorgen, die nicht öffnet. Da die Haustür normalerweise nicht verschlossen ist, dringen sie in das Haus ein und finden sie tot auf der Chaiselongue. Sie rufen die Polizei.

Kurze Zeit später sind Inspektor Petersen und seine Leute am Tatort und Seldom teilt ihm mit, dass er vor dem Mord einen Zettel in seinem Fach im Merton College gefunden hat, auf welchem geschrieben stand Nummer eins in der Reihe, darunter Mrs Eagletons Adresse und die Uhrzeit 3 p.m. Der Zettel, den Petersen gerne sehen möchte, ist allerdings im Müll gelandet, der auch schon vom Hausmeister entsorgt wurde.

Und es gibt noch ein sonderbares Detail. Unter dem Text befand sich ein säuberlich gezeichneter Kreis. Seldom zieht hier Rückschlüsse zu einem seiner Bücher. In einem Kapitel schreibt er dort über Serienmorde und er vermutet nun, dass dieser Kreis eventuell das erste Symbol einer logischen Reihe ist, das darauf hinweist, dass der Mörder die Reihe fortsetzen will.

 

Guillermo Martínez schreibt mit Die Oxford-Morde einen gehobenen Kriminalroman, der sehr viel mit Mathematik und Logik zu tun hat. Obwohl er an manchen Stellen sehr viel über diese Wissenschaft und ihre Vertreter erzählt, was für den Laien zunächst nicht nachvollziehbar ist, sind die entscheidenden mathematischen Fachbegriffe in diesem Buch doch recht leicht verständlich gehalten, sodass auch der mathematisch Unbedarfte mit Ihnen etwas anfangen kann.

Zudem ist die Geschichte sehr spannend. Am Ende denkt man, dies sei nun die Lösung des Falles, aber der Autor zeigt dem Leser eine lange Nase und packt eine zweite, ganz andere Lösung aus, die man so nicht hat kommen sehen. Und damit nicht genug, Martínez deutet sogar noch eine dritte Lösung an, die sich von der zweiten wieder ein wenig unterscheidet. Also ein durch und durch atemberaubendes Ende, das seinesgleichen in der Krimiwelt sucht.

Außerdem beschreibt der Autor die Universitätsstadt Oxford und insbesondere den Fachbereich Mathematik und dessen Studenten und Lehrende sehr lebendig, mitunter auch ein wenig witzig und scheint eine gewisse Liebe zu den Bewohnern dieser Stadt und zum Geschehen am Fachbereich aufgebaut zu haben. Hierbei steht ihm seine Gabe zur Seite, psychologisch sehr genau zu beobachten und Menschen recht gut analysieren zu können.

Fazit:

Der Erzähler liefert mit Die Oxford-Morde einen bemerkenswerten, außergewöhnlichen Kriminalroman ab, wie er mir zuvor wohl noch niemals untergekommen ist. Sowohl der Ort des Geschehens als auch die handelnden Personen sind sehr besonders, genau wie das Hauptthema des Romans, die logische Reihe, die mit äußerst ungewöhnlichen Taten verknüpft ist. Am Ende steht dann ein furioses Finale, das den Leser voll auf seine Kosten kommen lässt.

Ich möchte dieses Buch dem Leser empfehlen, der gerne einmal einen ungewöhnlichen Krimi liest und keine Angst vor der Mathematik hat.

Der Autor:

Guillermo Martínez wurde 1962 in Bahia Blanca geboren und lebt heute in Buenos Aires. Er ist Doktor der Mathematik und verbrachte zwei Jahre seiner Doktorandenzeit in Oxford.

2003 bekam er als erster Argentinier für Die Oxford-Morde den Premio Planeta, den wichtigsten Literaturpreis der spanischsprachigen Welt. Man übersetzte das Buch in vierzig Sprachen und verfilmte es 2008 mit John Hurt und Elijah Wood erfolgreich für das Kino. Seit den 80er-Jahren und auch nach diesem Buch veröffentlichte der Autor mehrere sehr beachtete Romane, Essays und Kurzgeschichten, für welche er ebenfalls einige Preise erhielt.

Die Übersetzerin:

Angelica Ammar übersetzte den Roman aus dem argentinischen Spanisch. Sie ist bekannt für Übersetzungen, zum Beispiel von Felisberto Hernandez oder Mario Vargas Llosa. Sie erhielt für eine Übersetzung den Internationalen Literaturpreis 2019.

Quellen:

  • Guillermo Martínez, Die Oxford-Morde, Eichborn Verlag in der Bastei Lübbe AG, Köln, 2020.
  • Hinweis: Dieser Roman erschien unter dem Titel Die Pythagoras-Morde bereits 2006 im Eichborn Verlag.
  • de.wikipedia.org
  • www.luebbe.de

Bilder:

  • Cover des Romans. Mit freundlicher Genehmigung der Bastei Lübbe AG.
  • Foto des Autors. Copyright: Alejandra Lopez. Ebenfalls mit freundlicher Genehmigung der Bastei Lübbe AG.

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