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Marshal Crown – Band 48

Der Marshal und das Greenhorn

Jim Crown kam am frühen Abend aus dem Hügelland.

Langsam ritt er in das unter ihm liegende Tal hinunter, wobei sein Blick unablässig auf den Boden gerichtet war. Trotz der hereinbrechenden Dämmerung war Curly Jones’ Spur leicht zu verfolgen. Das Kiowa-Halbblut hatte sein Pferd nicht geschont und der wilde Galopp auf dem weichen Grasboden der Talebene eine deutliche Spur hinterlassen.

Der US-Marshal schätzte, dass Jones höchstens noch zwei Stunden Vorsprung besaß.

Noch, denn inzwischen wusste er auch, warum das Halbblut sein Pferd zuschanden ritt. Ihm waren die Gebäude am nördlichen Ende des Tals nicht entgangen, die zu einer kleinen Farm gehörten, die nur aus Wohnhaus, Stall und Scheune bestand. Curly Jones wollte sich dort mit Sicherheit ein frisches Pferd holen.

Jim befürchtete, dass es dabei aber nicht blieb. Wahrscheinlich sorgte Jones auch dafür, dass keine Zeugen zurückblieben und er kein frisches Pferd mehr vorfand, um die Verfolgung fortzusetzen, nachdem Jones die Farm wieder verlassen hatte.

Crown kannte das Halbblut zur Genüge.

Curly Jones war ein gnadenloser Mörder. Er tötete einfach alles und jeden, der nutzlos für ihn war oder seinen Plänen im Weg stand. Jim war deshalb nicht besonders überrascht, als er kurz darauf den leblosen Körper eines Hundes entdeckte, der auf dem ausgefahrenen Karrenweg lag, der zum Hof des Anwesens führte.

Das Tier gehörte mit Sicherheit zu der Farm.

Der Marshal hielt an, stieg aus dem Sattel und näherte sich mit dem Colt in der Hand dem Hund. Noch während er vor ihm in die Knie ging, sah er, dass Jones dem Tier die Kehle durchgeschnitten hatte. Deshalb hatte er auch nichts gehört, ging es ihm durch den Kopf. Jim hatte den Gedanken kaum zu Ende gebracht, als es ihn plötzlich siedend heiß durchlief.

Und was war mit den Bewohnern der Farm? Hatten sie auch nichts bemerkt?

Er sprang auf, lief mit raschen Schritten zu seinem Pferd zurück und ritt, so schnell es sein erschöpfter Buckskin zuließ, zur Farm.

Aber er kam zu spät.

Jim wusste es, lange bevor er den Hof erreichte.

Er sah es am offen stehenden Tor der leeren Pferdekoppel, an Jones’ dunkelbraunem Falben, der ohne Sattel und Zaumzeug schweißnass und mit zitternden Flanken vor dem Wohnhaus stand, und daran, dass kein Rauch aus dem Kamin des Wohnhauses drang, obwohl es längst Zeit zum Abendessen war.

Er zügelte sein Pferd neben dem Falben, glitt aus dem Sattel und zog sein Gewehr aus dem Scabbard.

»Hallo, ist da jemand?«, rief Jim.

Niemand gab Antwort, auch dann nicht, als er knackend den Abzugsbügel seiner Winchester spannte. Jim nickte bitter, während er auf die Eingangstür zuging. Er wusste, was er im Haus vorfinden würde, er wusste nur noch nicht, wie viele Tote Curly Jones dieses Mal zurückgelassen hatte.

 

*

 

Bakertown war kaum mehr als eine Ansammlung von einem halben Dutzend schäbiger Hütten am Ufer eines namenlosen Rinnsals, dessen Wasserstand selbst im Sommer kaum ausreichte, um eine Wühlmaus darin zu ertränken.

Kein normaler Mensch konnte verstehen, warum sich Miles Baker ausgerechnet hier niedergelassen hatte und nicht dreißig Meilen weiter südlich, wo die große Überlandstraße am Brazos River entlang führte.

Vielleicht lag es daran, dass Baker nicht das Zeug zu einem gewieften Geschäftsmann hatte, oder dass es ihm genügte, von dem bisschen Geld zu leben, das die wenigen umliegenden Farmer in seiner Raststation liegen ließen, oder die Buschläufer, die hin und wieder in der Gegend auftauchten, um mit den Indianern Handel zu treiben. Vielleicht lag es aber auch daran, dass er keine große Menschenansammlungen mochte. Doch, was es auch war, für all diejenigen, die auf der anderen Seite des Zaunes ritten und versuchten, in der Wildnis unterzutauchen, war Miles Baker die letzte Anlaufstation, bevor die Zivilisation endete.

Hinter seiner Raststation lag das Indianerland, wüstenähnliche, karg bewachsene Ebenen, undurchdringliche Dornenbuschgebiete und kahles Felsgestein. Ein Land, in das kaum ein Sternträger seinen Fuß setzte und in dem der Colt das Gesetz war.

Das war auch der Grund, warum Curly Jones an diesem Vormittag vom Brazos her auf Bakertown zuritt und nicht, weil der Himmel sich zusehends bewölkte und in der Ferne der Donner eines aufziehenden Gewitters grollte.

Jones war ein feister, untersetzter Mann mit einem runden Mondgesicht, das von einer schulterlangen Flut brauner Haare umrahmt wurde, die untypisch für ein Halbblut voller Locken waren. Ein Umstand, den er dem Erbteil seiner weißen Mutter verdankte und der ihm auch seinen Zweitnamen Curly eingebracht hatte. Sein Mund war breit und seine Nase sah aus, als wäre sie in der Vergangenheit des Öfteren mit einer Faust in Kontakt gekommen. Seine tückisch funkelnden Augen glichen dunklen Höhlen und strahlten wie sein ganzes Wesen nichts als Bösartigkeit und Mordlust aus.

Er lenkte sein Pferd auf Miles’ Rasthaus zu, dem größten Gebäude von Bakertown, von dem er wusste, dass dort gleichzeitig auch ein Store und ein Saloon untergebracht waren. Auf dem Verandavorbau saßen zwei Männer, die ihn abfällig musterten. Hagere, unrasierte Kerle, die vor Dreck nur so strotzten. Ihre Kleider waren abgerissen und schäbig, das Leder ihrer Stiefel brüchig und die Absätze schiefgelaufen. Das einzig Gepflegte an ihnen schienen ihre Waffen zu sein. Jones beachtete sie nicht weiter, sondern stieg vom Pferd und schlang die Zügel um den Haltebalken. Er hatte seinen Fuß kaum auf die ausgetretenen Holzdielen des Vorbaus gesetzt, als zwei weitere Männer, die genauso abgerissen und verdreckt waren wie die beiden Kerle, die ihn so unverhohlen musterten, aus der offen stehenden Eingangstür traten.

»Du kannst dir den Weg nach drinnen sparen«, sagte der Größere der beiden. »Baker schenkt an Indianer keinen Schnaps aus, also setz dich wieder auf deinen Gaul und reite weiter.«

Jones verharrte und hob den Kopf.

Der Sprecher war ein großer Mann mit eckigen Schultern und einem breitkrempigen Texashut, den er sich so tief in die Stirn geschoben hatte, dass die obere Hälfte seines Gesichts vollkommen von der Hutkrempe beschattet wurde. Zu erkennen waren nur ein kantiges Kinn und ein breiter Mund, auf dessen Oberlippe ein ungepflegter Schnurrbart wucherte.

Jones bleckte die Zähne und wollte weitergehen, als der Begleiter des Breitschultrigen neben ihn trat und ihn am Arm packte.

»Hast du Bohnen in den Ohren, Rothaut?«, zischte der Mann, ein mittelgroßer, weißblonder Kerl, während er Jones aus seinen schmalen Augen anstierte.

»Wenn der Boss sagt, dass du da nicht reingehen sollst, dann gehst du da auch nicht rein!«

»Und wenn doch?«

»Dann …«

Weiter kam der Weißblonde nicht, denn Jones reagierte mir der Schnelligkeit einer zustoßenden Klapperschlange. Mit einer Bewegung, die so schnell war, dass sie kaum ein menschliches Auge verfolgen konnte, packte er ihn mit der einen Hand am Hemd und hielt ihm mit der anderen die Spitze seines Messers an die Kehle.

»Was dann!«

Der Weißblonde wurde bleich wie eine frisch gekalkte Hauswand, als er spürte, wie die scharfe Klinge seine Haut ritzte und ihm mehrere Blutstropfen den Hals hinunter liefen.

Eine Sekunde später hörte Jones, wie hinter ihm die Abzüge zweier Colts gespannt wurden.

»Du magst zwar verdammt fix mit dem Messer sein, aber auch du bist nicht kugelfest. Also steck das Ding weg oder meine Jungs machen ein Sieb aus dir«, sagte der Breitschultrige.

»Kann sein«, erwiderte Jones mit einer Stimme, die wie knirschendes Glas klang. »Aber ich versichere dir, dass es mir vorher dennoch gelingen wird, diesem Kerl hier die Kehle durchzuschneiden und dir das Messer in die Eier zu rammen.«

»Überschätze dich nicht, Rothaut.«

»Wollen wir es auf einen Versuch ankommen lassen?«

»Macht keinen Scheiß, Jungs!«, kreischte der Weißblonde.

Auf dem Vorbau herrschte plötzlich eine geradezu unwirkliche Stille. Außer dem keuchenden Atmen der Männer und dem Gewitterdonner, der immer näher rückte, war sekundenlang kein anderes Geräusch zu hören.

Es war schließlich der Breitschultrige, der die angespannte Stille durchbrach.

»Verdammt! Wer zum Teufel bist du, Rothaut?«

»Meine Mutter war eine Weiße, also nenn mich nicht ständig Rothaut«, erwiderte das Halbblut. Dann nahm er das Messer von der Kehle des Weißblonden und ließ ihn los.

»Mein Name ist Curly Jones.«

»Curly Jones?«, erwiderte der Breitschultrige ungläubig.

Gleich darauf begann er schallend zu lachen.

»Okay Jungs«, sagte er, nachdem er sich wieder etwas beruhigt hatte. »Ihr könnt die Waffen wieder runternehmen, der Kerl ist einer von uns.«

»Wie kannst du so etwas sagen, Hank«, fragte der Weißblonde unwirsch, während er sich mit dem Handrücken das Blut vom Hals wischte. »Wir kennen den Kerl doch kaum.«

»Anscheinend bist du derjenige, der Bohnen in den Ohren hat, Whity, oder hast du gerade nicht zugehört, als er sich vorgestellt hat? Junge, das da ist Curly Jones, besser bekannt als Crazy Jones. Na, ist der Groschen jetzt gefallen?«

Die Augen des Weißblonden wurden so groß wie Spiegeleier.

»Du meinst dieses Halbblut, von dem gesagt wird, dass er bereits vier Sternträger aus den Stiefeln geholt hat?«

»Genau der«, erwiderte Hank Reeves und wandte sich wieder Jones zu.

»Na dann mal willkommen in Bakertown. Darf man fragen, was uns die Ehre deines Besuches verschafft?«

»Einiges«, erwiderte Jones lapidar. »Mein Pferd braucht ein bisschen Ruhe und ich sollte mal wieder meinen Proviantvorrat auffüllen. Außerdem geht meine Munition auch langsam zur Neige. Der Hauptgrund aber ist, dass ich mich gerne euch anschließen würde.«

»Oha und darf man auch den Grund dafür erfahren?«

»Natürlich, ich hab es langsam satt, mich nur noch mit meinem Pferd oder den Präriehunden unterhalten zu können, außerdem würde ich gerne mal wieder in einem anständigen Bett schlafen.«

»Dann bist du hier genau richtig. Jemand, der so mit dem Messer umgehen kann wie du, ist bei uns immer willkommen.«

Mit einem zufriedenen Grinsen drehte sich Reeves wieder zu seinen Männern um.

»Ihr habt gehört, was er gesagt hat. Also los, kommt alle rein und lasst uns auf unseren neuen Sattelpartner einen trinken.«

Die Männer grölten und drängten beinahe gleichzeitig in Miles Raststation, aber nicht alle. Whity, der Weißblonde und Clay Shields blieben noch für einen Moment auf dem Vorbau stehen und sahen ihren Kumpanen nachdenklich hinterher.

»Also ich weiß nicht«, sagte Shields skeptisch. »Ein Indianer in unserem Verein, ob das wohl gut geht?«

»Magst wohl keine Rothäute, was?«

»Das auch«, erwiderte Shields spröde. »Aber vor allem mag ich keine Kerle, die sich bei uns einschmeicheln wollen und gleichzeitig einem von uns das Messer an die Kehle setzen.«

»Yeah«, erwiderte William Stone, der Mann, den alle nur Whity nannten. »Wenn mir das Halbblut noch einmal so dumm kommt, lege ich ihn um, egal, ob das Reeves gefällt oder nicht.«

»Siehst du«, sagte Shields. »Damit sind wir schon zwei, denen es nicht gefällt, dass unser neuer Sattelpartner eine Rothaut ist. Ich fürchte, das wird noch Ärger geben, gewaltigen Ärger sogar.«


Die vollständige Story steht als PDF, EPUB, MOBI und AZW3 zur Verfügung.

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