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Die Sternkammer – Band 4 – Kapitel 5

William Harrison Ainsworth
Die Sternkammer – Band 4
Ein historischer Roman
Christian Ernst Kollmann Verlag, Leipzig, 1854

Fünftes Kapitel

Wie Sir Jocelyn in das Fleetgefängnis gebracht wurde

Nach seiner Verhaftung von dem Sergeanten wurde Sir Jocelyn zuerst vor die Sternkammer geführt, wo einige von den Richtern zugegen waren und ihn wegen der verleumderischen Sprache und der falschen Nachrede verhörten, die er in Betreff des Verfahrens jenes hohen und ehrenvollen Gerichtshofes in Umlauf gesetzt hatte. Der junge Ritter versuchte nicht die Wahrheit der gegen ihn vorgebrachten Anklage zu leugnen, auch sprach er keine Reue aus oder bat um Verzeihung. Obwohl er verlangte, dass ihm seine Ankläger gegenübergestellt werden sollten, wurde ihm die Bitte abgeschlagen und man sagte ihm  sie würden zur rechten Zeit erscheinen. Dann wurden mehrere Fragen an ihn gerichtet, die er auf eine Weise beantwortete, die sein ursprüngliches Vergehen nach der Ansicht seiner Richter noch erschwerte. Hierauf wurde er aufgefordert, das Protokoll seines Geständnisses zu unterschreiben. Es wurde ein Befehl ausgefertigt, ihn in das Fleetgefängnis zu bringen und ihn streng zu bewachen.

Wieder der Obhut des Sergeanten übergeben, wurde er in eine Barke von unheimlichem Aussehen gebracht, die gleich einer venezianischen Gondel mit schwarzem Tuch bedeckt und für die Delinquenten der Sternkammer bestimmt war . Hierin wurde er die Themse hinunter und den Fleet hinauf bis zum Eingang des Gefängnisses gerudert. Da man den Fortschritt der wohlbekannten schwarzen Barke den schmalen Fluss hinauf bemerkte, wurde einige Neugierde unter den Vorübergehenden an den Ufern sowie unter denen,  welche die Fleetbrücke überschritten, erregt, wen sie wohl enthalten möge, und es versammelte sich eine Menge vor dem Gefängnistor, um die Landung zu sehen.

Als der Name des jungen Ritters und die Art seines Vergehens, welches Letztere in ihren Augen nicht so groß erschien wie in denen der Richter, den Umstehenden bekannt wurde, zeigten sie viel Teilnahme für ihn. Vielleicht mochten sie versucht haben, ihn zu befreien, wäre nicht die Wache dagewesen, die das Gedränge zurückhielt.

In diesem Augenblick hörte Sir Jocelyn in bekannten Tönen seinen Namen aussprechen. Als er sich nach dem Redner umsah, bemerkte er einen Menschen, der dicht neben ihm in einer Tonne stand. Der Mensch, der diese seltsame und entehrende Stellung einnahm, war der unglückliche Dick Taverner, der am dritten Tag nach seiner Gefangenschaft einen Fluchtversuch gemacht hatte und nach der an dem Ort herrschenden Gewohnheit bestraft wurde, indem man ihn an Händen und Füßen gebunden in eine Tonne stellte und ihr so den Blicken und dem Spott des Publikums aussetzte.

»Ach! Sir Jocelyn!«, rief der Lehrling, »Ihr seid schuld, dass ich hier bin. Ich unternahm ein undankbares Geschäft und es ist mir recht geschehen für meine Torheit. Wir haben beide unseren Weg in das Fleetgefängnis gefunden, aber ich zweifle sehr, dass einer wieder herauskommen wird. Was mich betrifft, mir gefiel der Ort und die Gesellschaft darin so wenig, dass ich mich sogleich davon zu befreien beschloss und es folglich unternahm, jene hohe Mauer hinaufzuklettern, in der Hoffnung, dadurch meine Befreiung zu bewirken, ohne den Kerkermeister um Erlaubnis zu fragen, ob ich hinausgehen dürfe. Als ich mich von dieser großen Höhe hinunterließ, verrenkte ich mir unglücklicherweise den Fuß und fiel wieder in die Hände der Philister und hier bin ich gleich Diogenes in seiner Tonne.«

Sir Jocelyn würde einige Worte des Trostes an den armen Kerl gerichtet haben, aber in diesem Augenblick wurde das Nebenpförtchen geöffnet und er von den Begleitern des Sergeanten, die sich vor der Menge fürchteten, hinein geschoben. Die kleine Öffnung, durch die er in das Gefängnis gelangte, wurde augenblicklich geschlossen und alle Möglichkeit der Rettung abgeschnitten.

Als der Gefangene so in Sicherheit gebracht war, fühlten sich die Offizianten ruhiger. Einander zulächelnd, begaben sie sich gemächlich zu der Wohnung des Portiers, vor deren Eingang ein großer, kräftig gebauter Mann mit widerwärtigen Zügen stand, den man ohne Zweifel wegen seiner Stärke und seiner wilden Gemütsart zum Posten als Portier gewählt hatte.

Mit einem Brummen gleich dem eines Bullenbeißers, mit dessen schwarzer Schnauze seine eigenen Gesichtszüge eine auffallende Ähnlichkeit hatten, begrüßte der Portier die Ankommenden und führte sie in ein von Steinen gebautes achteckiges Gemach mit gewölbter Decke, schmalen Fenstern, gleich Schießscharten, und einem großen steinernen Kamin. Die Wände, welche denen einer alten Wachstube glichen, waren angemessen genug mit Fesseln verziert, zwischen welchen, um den Beschauern größeren Schrecken einzuflößen, schwere Peitschen, mit Knoten versehene Riemen, verschiedene Messer mit ungewöhnlich gestalteten Klingen, deren Zweck einleuchtend genug war, und Eisen zum Brandmarken sich befanden. Als Sir Jocelyn von seiner Wache in dieses Gemach geführt wurde, kam ihm ein ältlicher Mann mit kahlem Kopf und grauem Bart entgegen, der ungeachtet seiner Jahre ein sehr abstoßendes Gesicht hatte. Sein Wams und Beinkleid waren von braungelber Farbe und sein entflammtes Gesicht, seine blutunterlaufenen Augen, seine feurige Nase und seine fleckige Stirn standen mit der Farbe seines Anzuges in Übereinstimmung. Dies war Joachim Tunstall, Aufseher des Fleetgefängnisses.

Hinter ihm befand sich ein halbes Dutzend Gefangenwärter in Jacken und Beinkleidern von dunkelbraunem Wollzeug, wovon jeder ein großes Schlüsselbund am Gürtel trug. Alle waren rüstige Männer mit harten Gesichtszügen und trugen den Stempel ihres Berufes auf ihren Gesichtern .

Der Befehl zu Sir Jocelyns Ablieferung in das Fleetgefängnis wurde von dem Sergeanten dem Oberaufseher übergeben. Nachdem der Letztere denselben aufmerksam durchgelesen hatte, beriet er sich mit einem der Gefangenenwärter, wohin man den Gefangenen führen solle, als plötzlich eine Seitentür geöffnet wurde und Sir Giles Mompesson hereintrat, der den Aufseher auf die Schulter klopfte.

»Ihr dürft nicht lange überlegen, wo der Gefangene unterzubringen ist, Herr Tunstall«, sagte er, indem er Mounchensey die ganze Zeit über fest ansah. »Der Kerker, den er bewohnen soll , ist der dunkelste, tiefste und feuchteste im ganzen Fleetgefängnis. Es ist der, worin sein Vater starb. Ihr kennt den Ort wohl, Grimbald«, fügte er zu einem der rüstigsten Gefangenenwärter hinzu. »Bringt ihn sogleich dorthin und ich will mit Euch gehen und sehen, wie er untergebracht wird. Geht weiter,  Herr«, fügte er mit einem Lächeln teuflischer Freude hinzu, als Mounchensey von dem Gefangenenwärter hinausgeführt wurde.