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Die Sternkammer – Band 4 – Kapitel 4

William Harrison Ainsworth
Die Sternkammer – Band 4
Ein historischer Roman
Christian Ernst Kollmann Verlag, Leipzig, 1854

Viertes Kapitel

Das alte Fleetgefängnis

Es wird ein Gefängnis erwähnt, welches schon unter der Regierung Richard des Ersten in der Nähe der Fleetbrücke stand, und dies war einer der ersten Kerker in London, da die ersten Oberaufseher derselben, deren Namen erwähnt werden, Nathanael de Leveland und sein Sohn Robert, im Jahr 1198 die eine Taxe von sechzig Mark für dieses Amt zahlten, indem sie versicherten, dass es seit der Eroberung ihre Erbschaft gewesen sei, und baten, sie möchten nicht darin gehindert werden durch eine Gegentaxe des Osbert de Longchamp, dem es von dem löwenherzigen Monarchen gewährt worden war.

Der nächste Oberaufseher des Fleetgefängnisses in den Tagen des Königs Johann war Simon Fitz-Robert, Archidiaconus von Wells – wahrscheinlich ein naher Verwandter Robert de Levelands, da ihm die Vormundschaft der Tochter des erwähnten Robert sowie die Beaufsichtigung des Gefängnisses anvertraut wurde. Das Oberaufseheramt des Gefängnisses blieb über drei Jahrhunderte in der Familie Leveland, bis es unter der Regierung Philipps und Maries an John Heath für 2300 Pfund verkauft wurde – eine große Summe in jenen Tagen, aber nicht mehr, als die Stelle wert war, denn auf die Art, wie sie verwaltet wurde, lieferte sie dem Inhaber einen großen Ertrag.

Die beiden Oberaufseher des Fleetgefängnisses waren zur Zeit unserer Geschichte Sir Henry Lello und John Eldred; aber ihr Amt wurde von dem Aufseher Joachim Tunstall verwaltet. Wie sich denken lässt, war es der Zweck jedes Aufsehers, so viel von den unglücklichen Personen, die seiner Bewachung übergeben waren, zu erpressen, wie nur möglich, und man kann sich einen Begriff von der schmachvollen Handlungsweise dieser Personen machen nach einer Petition der Gefangenen des Fleetgefängnisses, die den Herren des Gerichtshofes im Jahre 1586 vorgelegt wurde. Darin heißt es, dass der Oberaufseher die Vermietung des ganzen Hauses und Gefängnisses sowie die Beköstigung einem gewissen John Harrey und die anderen Vorteile des Gefängnisses einem gewissen Thomas Newport überlassen habe; und da dies sehr arme Männer wären, die kein Land oder Geschäft hätten, wovon sie leben könnten, noch einen bestimmten Lohn von dem erwähnten Oberaufseher erhielten und sehr begierig nach Gewinn wären, so ernährten sie sich durch Bestechung und Erpressung, durch übertriebene Anforderungen an die Gefangenen, indem sie neue Auflagen zu ihrem eigenen Vorteil machten, sie grausam behandelten, indem sie sie in enge Gefängnisse einschlossen, wenn sie ihre bösen Handlungen tadelten und sie nicht umhergehen ließen, wie sie es doch sollten, nebst anderen verderblichen Missbräuchen, die ohne Abstellung zu dem äußersten Verderben der armen Gefangenen führen könnten.

Infolge dieser Petition wurde eine Kommission zur Untersuchung der angegebenen Missbräuche ernannt, aber es wurde nur wenig dadurch erreicht, denn nur sieben Jahre später wurden weitere Klagen gegen den Oberaufseher vorgebracht, indem man ihn des Mordes und anderer schwerer Vergehen beschuldigte. Noch immer erhielt man keine Abhilfe und es war auch nicht wahrscheinlich, wenn das Geschrei der Opfer dieses entsetzlichen Unterdrückungssystems so leicht erstickt wurde. Die willkürlichsten Maßregeln wurden von den Offizianten des Gefängnisses angewendet und völlig ungestraft ausgeführt. Ihr Ansehen war nicht zu bestreiten, und wir haben bereits gezeigt, wie der Gehorsam erzwungen wurde. Es wurden Geldstrafen auferlegt und die Bezahlung erpresst, sodass der reiche Gefangene bald arm wurde. Widerstand gegen den Willen der Gefangenwärter und die Weigerung, sich ihren Forderungen zu unterwerfen, wurde streng bestraft. Mit Fesseln beladen und fast der Nahrung beraubt, wurde der unglückliche Gefangene in ein ekelhaftes unterirdisches Gefängnis eingesperrt, und wenn er widersetzlich blieb, ließ man ihn dort verfaulen. Wenn er starb, wurde sein Tod dem Gefängnisfieber zugeschrieben. Selten wurden diese schwarzen Geheimnisse des Gefängnisses bekannt gemacht, wenn man auch häufig darauf anspielte.

Der moralische Zustand der Gefangenen war schrecklich. Da der größere Teil derselben aus lasterhaften und ungeordneten Charakteren bestand, so steckten diese die ganze Masse an und der Ort wurde ein Abgrund der Verworfenheit. Trunkenheit, Rauchen, Würfel-, Kartenspiel und jede andere Art der Ausschweifung wurde gestattet und die stärkeren Gefangenen durften die schwächeren ausplündern. Dies war der Zustand der Dinge im Fleetgefängnis zur Zeit unserer Geschichte, als die dort herrschende Unordnung größer und die Lage der Gefangenen schlimmer war als je vorher.

Während Wat Tylers Rebellion wurde der größere Teil der Gebäude, die das alte Gefängnis bildeten, niedergebrannt und sonst zerstört. Als man sie wieder aufbaute, wurde das Gefängnis verstärkt und beträchtlich erweitert. Die Mauern waren von Stein, jetzt grimmig aussehend und grau vom Alter. Dem Fluss zunächst stand ein großes viereckiges Gebäude, welches dem Verrätertor des Tower glich und den einzigen Eingang zum Gefängnis bildete. Zu diesem Tor wurden die Staatsgefangenen, nachdem sie von der Sternkammer verhört worden, zu Wasser gebracht.

Nichts konnte strenger oder düsterer sein als der Anblick des Gefängnisses auf dieser Seite – da waren graue und drohende Mauern, über welche finstere Gebäude hinweg ragten, und ein schwarzer Torweg mit einem weiten Bogen, der das unglückliche Wesen verschlingen zu wollen schien, welches sich ihm näherte. Wenn man durch ein Pförtchen ging, welches in der starken Tür angebracht war, gelangte man zu einem zweiten Tor. Dieses führte zu der Wohnung des Portier, wo er den Gefangenwärtern überliefert und ihm ein Zimmer angewiesen wurde, je nach dem er es bezahlen konnte. Die besten dieser Wohnungen waren nur mittelmäßig und die schlechtesten entsetzliche Gruben.

Auf dem äußeren Hof stellte sich eine seltsame Szene dar. Bunte Gruppen waren rings umher zerstreut – die meisten Personen, welche dieselben bildeten, trugen fadenscheinige Wämser, zerlumpte Mäntel und Mützen, von welchen die Federn und anderen Zierraten längst verschwunden waren, aber einige, die wahrscheinlich erst kürzlich angekommen waren, trugen etwas bessere Kleider. Alle diese waren Schuldner. Gewissenlosigkeit und Frechheit zeigten sich in ihren Gesichtern und ihre Unterredung war gemein und gotteslästerlich. An der einen Seite dieses Hofes war eine große Küche, wo beständig an kleinen Tischen gegessen und getrunken wurde, wie in einer Schenke oder Garküche, und wo den ärmeren Gefangenen ihre Mahlzeiten verabreicht wurden.

Neben derselben befand sich eine große Halle, die den Schuldgefangenen als Speisesaal diente. Sie war an den Seiten mit eichenen Bänken und zwei langen Tischen von demselben Holz versehen, aber Bänke und Tische waren schmutzig und der Fußboden wurde nie gereinigt. In der Tat war jeder Teil des Gefängnisses schmutzig genug, um Pestilenz auszubrüten, und der Ort war daher selten vom Fieber frei. Am oberen Ende des Speisesaales befand sich ein langer Korridor und zu beiden Seiten desselben waren Schlafgemächer angebracht.

Die Anordnungen des inneren Hofes waren beinahe ähnlich und unterschieden sich nur insoweit von dem äußeren, dass sie bequemer und besser waren und dass ein viel höherer Preis gefordert wurde; aber selbst hier fand man durchaus keine Reinlichkeit. In diesem Hof war die Kapelle. Vor einer vergitterten Öffnung im Tor standen die armen Schuldner und klapperten mit ihren Büchsen, um durch ihr Geschrei von den Vorübergehenden Almosen zu erhalten.

Unter der Wohnung des Oberaufsehers, die an das Tor anstieß und die nun der Aufseher Joachim Tunstall einnahm, befand sich eine Reihe unterirdischer Gefängnisse, unter der Oberfläche des Fleet erbaut. Häufig vom Fluss überflutet, waren diese Kerker außerordentlich feucht und ungesund, auch waren sie für solche Gefangene bestimmt, die sich das Missfallen des unerbittlichen Gerichts der Sternkammer zugezogen hatten.

In einer der tiefsten und unheimlichsten dieser Zellen gab der unglückliche Sir Fernando Mounchensey seinen Geist auf.

Wir haben schon früher den Einfluss erwähnt, den Sir Giles Mompesson im Fleetgefängnis ausübte. Die beiden Oberaufseher waren seine Freunde und stets bereit, ihm zu dienen; der Unteraufseher war seine Kreatur und in allen Dingen seinem Willen dienstbar, während die Gefangenwärter und ihre Gehilfen seinen Befehlen, sie mochten sein, welche sie wollten, gehorchten, als ob sie von ihrem Herrn kämen. So war er imstande, die Gegenstände seines Missfallens zu tyrannisieren, sodass sie nie vor seiner Bosheit sicher sein konnten.

Durch die Tortur, die er anwenden ließ, konnte er den starrsten Geist brechen und den stärksten überwältigen. Es war eine wilde Genugtuung für ihn, Zeuge von den Leiden seiner Schlachtopfer zu sein. Er stellte nie seine Verfolgung ein, bis er erlangt hatte, was er wünschte. Die Grausamkeiten, die infolge der harten Urteile der Sternkammer ausgeübt wurden, waren angenehme Schauspiele für ihn. Die blutenden und verstümmelten Unglücklichen, die seine Anklagen an den Pranger gebracht hatten, konnten, wenn sie in ihren Kerker zurückgeführt wurden, seiner verhassten Gegenwart nicht entgehen, die ihnen wegen seines teuflischen Hohnes über ihre Qualen noch widerwärtiger war als die des Henkers.

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