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Ein Ostseepirat Band 1 – Der Lotse

Carl Schmeling
Ein Ostseepirat
Historischer Roman
Erster Band

XXVIII. Der Lotse

Ein Schlag auf der Stelle, wo ein früherer getroffen , erneuert zwar den ersten Schmerz, vermehrt ihn auch wohl, aber er hebt die Erinnerung an den ersten wie seine alleinige Wirkung einigermaßen auf, und dies empfand auch der Major, als er sich der Kommission des Gouvernements entzogen hatte.

Zwar nicht minder verlegt und nicht weniger zornig als vorhin, verschwand jedoch der Groll gegen sein Kind in dem neueren Unmut, der sich nur noch mittelbar gegen Clara und den Kapitän, unmittelbar dagegen wider eine hohe Obrigkeit wendete.

Grieben bedurfte einiger Zeit, sich so weit zu beruhigen, seinen Angehörigen die neue Verletzung seines Stolzes und seiner Stellung mitteilen zu können.

Er suchte dies zu erreichen, indem er in dem einsamen Speisesaal umherschritt, wobei er verschiedene Äußerungen murmelte, die jedenfalls nicht patriotisch genannt zu werden verdienten.

Frau und Töchter erschraken natürlich nicht wenig, als er zu ihnen trat, die Absicht der angekommenen Herren zu melden. Allerdings ging solches auch nicht ohne einige bittere Bemerkungen über den Kapitän vorüber.

Doch nach diesem Ausbruch zeigte sich der Major als leidlich zu Hause und geneigt, das Verhältnis Claras zum Kapitän aus einem anderen Gesichtspunkt zu betrachten.

Ja, an die Stelle feines Zornes trat sogar ein gewisses Mitleid für die Tochter. Als er solches an den Tag legte, flog ihm Clara an die Brust. Eine Art von Versöhnung fand statt.

Übrigens war Grieben so vorsichtig und zartfühlend, nicht jetzt Versprechungen von Clara zu fordern; vielleicht glaubte er ohnehin, dass man den Kapitän nicht wiedersehen werde.

Was nun das gegen ihn eingeleitete Verfahren betraf, so beunruhigte es ihn bei näherer Überlegung wenig, da er glaubte, jede Beschuldigung leicht von sich weisen zu können.

Auf diese Weise war denn bis zur Zeit des Abends wieder eine ruhigere Stimmung über die Gemüter der Familienmitglieder gekommen; man nahm das Abendessen zusammen ein. Als der Major von den Angehörigen der Verhafteten um Hilfe angegangen wurde, versprach er solche und versuchte die Betroffenen zu trösten.

Es wurde allgemach später, der Abend trat ein und man dachte daran, sich zur Ruhe zu begeben, als leise an das Fenster des Zimmers gepocht wurde, welches zum Garten hinaus lag.

Der Major erhob sich, schritt zum Fenster, öffnete es und erkannte, dicht an die Wand gedrückt, den alten Nehls.

»Pst, Herr Major!«, flüsterte derselbe, »ich muss Sie notwendig sprechen; hier hinten ist niemand im Garten. Wollen Euer Gnaden mir nicht die Tür öffnen lassen?«

»Ich werde es selbst tun, Nehls«, antwortete der Major, »wartet einen Augenblick!«

Grieben ging hinaus. Bald darauf erschien er, von dem Lotsen gefolgt, wieder im Zimmer. Der Letztere machte seine Dutzend Kratzfüße vor den Damen.

»Nun, was wollt Ihr, Nehls?«, fragte der Major.

»Euer Gnaden wissen vielleicht «, antwortete der Mann, »dass sie mich auch suchen; nun, ich habe aber keine Lust, mich beistecken zu lassen, obwohl ich, wenn einer schuldig wäre, es nur allein sein könnte.«

»Wie, Ihr?«, rief der Major. »Also Ihr kennt den Kapitän?«

»Ja, gnädiger Herr!«

»Und habt mit ihm in Verbindung gestanden?«

»Ja und nein. Hören mich die gnädigen Herrschaften an.«

Nehls begann zu erzählen, was wir bereits wissen, und daran seine Vermutungen zu reihen, die wir ebenfalls bereits kennen.

Natürlich waren ihm die genaueren Beziehungen des Kapitäns zu Preußen fremd, doch hatte er, wie er sich ausdrückte, einen gewissen Wind davon.

Die Mitteilungen des alten Nehls ließen den Freischiffer in einem anderen Licht erscheinen, als es bisher der Fall war. Namentlich Clara verschlang fast jedes Wort des alten Mannes mit den Blicken.

Der Major ging sinnend im Zimmer umher; er kannte natürlich recht gut die vor mehr als dreißig Jahren spielende Görzsche Angelegenheit.

»Als der Kapitän hinausging«, fuhr der Alte fort, »äußerte er zu mir, dass er Euer Gnaden noch einmal sprechen müsse und ich ihm deshalb ein Signal geben solle, wenn es ohne Gefahr geschehen könne.

Ich vermute, dass er Euer Gnaden sagen wollte, was ich bereits vorgebracht habe, doch dürfte sein Besuch jetzt nicht stattfinden können.«

»Mir auch sehr lieb, Nehls,« antwortete der Major, »denn ich muss jede Gemeinschaft mit dem Mann meiden und ihr auch, versteht Ihr!«

»Ganz wohl, Euer Gnaden«, meinte Nehls, »aber nun von Ihnen zu reden. Sie sollen morgen mit der gnädigen Frau und den gnädigen Fräulein nach Stralsund transportiert werden!«

»Ich werde das abwarten!«, rief der Major, wieder zornig werdend. »Man soll es nur wagen!«

»Ah, sie werden es wagen!«, sagte Nehls, »und es ist nicht gut getan, zu warten. Mir ist da ein Gedanke gekommen, wenn der Kapitän sich wirklich einfinden sollte …!«

»Nichts von ihm, Nehls, bei meinem Zorn. Nichts!«, rief der Major.

»Nun, nichts für ungut,« erwiderte der Alte, »aber ich befürchte, man wird Sie nicht so leicht wieder loslassen; sie sind alle zu erzürnt auf den Kapitän!«

»Mich geht Euer Kapitän nichts an!«, rief der Major unwillig. »Hütet Euch nur selbst, ich will nichts von dem wissen , was Ihr vorhabt.«

Nehls begriff, dass er mit seinem Vorschlag schlecht angekommen war, und versuchte einige Entschuldigungen, die der Major kaum beachtete, sondern ihm durch einen Wink andeutete, dass er verabschiedet sei.

Als er das Zimmer verlassen hatte, schalt der Major auf den Alten und forderte dann seine Familie auf, sich mit ihm zugleich zur Ruhe zu begeben.

Es geschah und alles, bis auf einen Posten vor der Tür des Hauses, schien sich in den Armen des Schlummers zu wiegen.

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