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Blutrosen – 13 – Karl der Böse

Blutrosen
Schauererzählungen
frei nach dem Französischen des Eugène Sue, Alexandre Dumas d. Ä, Honoré Balzac, Victor Hugo und andere
Verlags-Comptoir. Breslau. 1837
Druck von M. Friedländer in Breslau
Zweiter Teil

Karl der Böse

Auf dem mit Rosen und anderen duftenden Blumen reichlich bedeckten Ruhebett dehnte sich Karl der Böse, König der Normandie, wollüstig aus.

Ein weites Gewand von Goldstoff bedeckte seinen mageren, aber kräftig muskulösen Körper. Kaum blickte der feurige Strahl seiner Augen aus dem dichten Haarbusch hervor, der von Kopf und Gesicht in langen Locken herabhing. Er war ohne andere Beschäftigung als dem Spiel mit seinen Dolchen, die er aus dem Gürtel hervorzog

und mit seltener Gewandtheit emporschleuderte und liegend wieder auffing. Wenn er sie dann in den Fingern herumdrehte, leuchtete höllisches Feuer aus seinem Blick und sein Gesicht verzerrte sich hyänenartig. Am Lager lehnte ein ungeheures Schwert, zur Hälfte aus der Scheide gezogen.

Während er sich nun so einer scheinbaren Gemütsruhe hingab, tobte vor seinem Schloss Schlachtengetümmel.

Die königlichen Truppen Frankreichs hatten das feste Evreur eingeschlossen: Es war die letzte Zufluchtsstätte des unmenschlichen Karls, der allem Trotz geboten und nun von Karl VI. von Frankreich und dessen Parlament seiner Staaten, Lehne und Privilegien in der Normandie verlustig erklärt worden war, weil sein Verrat und versuchter Giftmord Karl VI. und des Dauphins offenkundig erwiesen war. So eilte nun Karl, ein Leben zu beschließen, das acht Tage Ruhe mehr untergraben hatte, wie fünfundzwanzig kriegerische Taten. Seine Fantasie glühte noch im grässlichsten Feuer, aber seine Kräfte entsprachen nicht mehr seinen wilden Neigungen. Dazu bedurfte er den Beistand seines Arztes. Da trat eine junge, mit Blumen beladene Frau zu ihm ein, um diese ehrerbietig neben seinem Haupt niederzulegen. Hierauf wollte sie sich entfernen, wurde aber vom König zurückgehalten.

»Verlasse mich nicht so rasch!«, sagte er, sie an sich ziehend. »Gottes Blut! Deine Wangen sind so frisch wie diese Rosen, und bei des Satans Hörnern! Ich werde erfahren …«

»Mein gnädiger Herr! Ich bin nur eines schlechten Mannes Tochter und keinen Strohhalm für einen so mächtigen König, wie Ihr seid, wert. Vergönnt Eurer Magd sich zu entfernen.«

»Nichts da, meine Liebe, ich fühle mich auf eine ganz außerordentliche Weise zu dir hingezogen, und ein Feuer ermannt und entflammt mich, wie in meinen jungen Jahren …«

Doch sie entschlüpfte behände den Armen Karls.

»Hierher, unverschämte Hexe! Hierher oder bei zweiundzwanzigtausend Teufeln, ich lass dich in ein Loch werfen, finster wie der Abgrund der Hölle. Dolch und Tod! Sie läuft davon. Nun, mein Scharfrichter soll den Streit bald ausmachen mit dir, und bei allen Teufeln, meine Hunde werden den Leib zerfleischen, den ich nicht besitzen kann. Rengard! Rengard!«

»Hier bin ich, Sire«, sagte der eintretende Kammerdiener.

»Rasch! Weißt du nicht, wer das Püppchen mit den Augen ist, die heller sind als Karfunkel mit einem Angesicht, rosig wie der Frühling, die soeben hier war?«

»Eines armen Soldaten Maid, Sire, die sich in den Festungen umhertreibt und mit der ich so wenig zu tun haben möchte wie mit einem vergifteten Dolch.«

»Bei deinem Hals, du lügst! Die Dirne hat mir soeben gesagt, sie wäre aus einem nahen Dorf. Also, Rengard, lauf und fange mir den Bissen ein. Bei meiner armen Seele, sie muss heute bei Sonnenuntergang mein sein.«

»Mein allergnädigster Herr und Gebieter!«, rief der verzweifelnde Diener, »Ihr habt mich oft versichert, dass Euer armer Rengard höher in Gunst bei Euch stehe als irgendeiner in der Welt, wegen der Sorge, die er Tag und Nacht für Euch hat. Meine Seele mag ewig für Euch verdammt sein, aber lasst mich nicht des bitteren Todes sterben, wenn ich Euch gestehe, dass jene Frau, die Ihr zur Kurzweil verlangt, meine durch das Sakrament angetraute Frau ist.«

»Deine Frau, Rengard? Wahrhaftig? Ei, mein Junge, warum hast du das nicht gleich gesagt, statt so viele Worte darum zu machen? Wenn es so ist, würde ich mich schämen …«

»O, mein teurer Herr und Gebieter«, fiel ihm der Diener ins Wort.

»So lass mich nur ausreden, ich würde mich schämen, meines treuen Rengards Weib zu verschmähen.«

»Mein allergnädigster Herr beliebt zu scherzen.«

»Elender!«, schrie mit schrecklichem Blick der König von Navarra. »Ist sie bis heute Abend um acht Uhr nicht mein, so dreht Ihr Euch morgen am Galgen wie die Wetterfahne auf dem Dach meines Schlosses.«

Rengard sah ein, dass er nichts mehr erwidern durfte, biss sich auf die Lippen, dass es blutete, und ging.

»Halt, noch ein wenig!«, rief der König ihm nach. »Der Hauptmann meiner Palastwache soll kommen.«

»Capitain!«, fuhr er zu dem eintretenden Offizier fort, »Ihr steht mir mit Eurem Kopf für diesen Diener und seine Frau.«

»Wie Ihr befehlt, Sire!«

»Nun geh«, sprach Karl mit spöttischem Lächeln. »Sorge, dass mein Arzt zur Stelle erscheint. Sei klug und tröste dich mit dem, was dir unerwartet der Himmel beschert.«

Der Arzt erschien sofort und verordnete: Karl solle zur Erweckung seiner

Schwachen Lebensgeister sich gegen Abend in stark mit Weingeist getränkte Tücher wickeln lassen und so lange umgeschlagen halten, bis sie ganz trocken geworden sind.

Der Heilkünstler und der arme Rengard legten sogleich Hand ans Werk, um den König in seine spirituöse Hülle zu bringen. Der Kammerdiener schien mit Emsigkeit Vorkehrungen zu treffen, die seine Schmach zum Ziel hatten. Karl belobte ihn deshalb mit teuflischem Lächeln, das sich in des empörten Gatten Antlitz widerspiegelte.

Plötzlich und in einem Augenblick, wo der Arzt sich entfernt hatte, um etwas zu besorgen, näherte sich Rengard seinem Gebieter mit dem Licht, als ob er sehen wollte, dass alles in Ordnung sei, und brannte die Tücher an. Ein Knäuel blauer Flammen umhüllte im Nu den König, aus ihm ertönte entsetzliches Jammergeschrei.

»Du wolltest ja Wärme, König von Navarra«, schrie mit Donnerstimme Rengard ihm zu. »Nun hast du genug, um gebraten zu werden, und ehe eine Stunde vergeht, brennt deine niederträchtige Seele in der Hölle. Lebe wohl!«

Mit diesen Worten eilte der Kammerdiener über eine geheime Treppe an ein Pförtchen des Schlosses und öffnete dieses den feindlichen Truppen. Als diese, von ihm geleitet, in das königliche Gemach gestürmt waren, fanden sie nur ein Aschenhäufchen, aus dem noch ein kleines Flämmchen flackerte. Das waren die einzigen Überreste Karls des Bösen, des Königs von Navarra.

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