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Ritter Busso von Falkenstein – 5. Teil

Ritter Busso von Falkenstein
oder die Geheimnisse der Totengruft
Ein schauderhaftes Gemälde aus den Ritterzeiten
Verlegt durch Gottfried Basse zu Quedlinburg, 1813

Ritter Busso zitterte und warf einen verächtlichen und ernsthaften Blick auf den durch Liebe Verblendeten, gleichsam um auf seinem Gesicht die Bestätigung der Furcht, welche ihm seine letzten Worte beigebracht hatten, zu suchen.

»Ich selbst möchte gern Ritter von der Eulenburg sein«, sagte Friedrich nach einem kurzen Schweigen. Versteht Ihr mich nun?«

»Leider verstehe ich Euch zu gut«, erwiderte Busso und wandte seinen Blick mit Verachtung von ihm weg.

»Habt Ihr je geliebt, Ritter«, sagte Friedrich, »habt Ihr je erfahren, dass, wenn jemand sich zu unserem Nebenbuhler aufwirft, alle freundschaftlichen Gesinnungen, welche man für ihn hegte, sich in den bittersten Hass verwandeln? Ich sehe wohl, dass Ihr mich verstanden habt und einseht, wie ich gesonnen bin, einen Nebenbuhler aus dem Weg räumen. Der bloße Gedanke an die heiligen Bande, welche mich an ihn fesseln, setzt Euch in Staunen. Es ist aber nicht Euer Vater. Ich als Sohn mag meine Hände nicht mit seinem Blut beflecken, aber Ihr, mein Freund, der Ihr weder durch Verwandtschaft noch andere Verhältnisse an ihn gekettet seid, bedenkt, dass Ihr mich zeitlebens glücklich macht, wenn Ihr, entweder durch List oder Gewalt, meinen Vater, der mein Nebenbuhler ist, aus dem Weg räumt, einen Greis, der überdies schon mit dem einen Fuß im Grab steht.

»Welcher Zug meines Charakters berechtigt Euch denn, mich auf diese Art zu beleidigen?«, fragte Busso, indem er ihm einen verächtlichen Blick zuwarf. »Haltet Ihr mich denn etwa für einen Meuchelmörder?«

»Ach! Lieber Ritter«, erwiderte Friedrich, »wenn Ihr der Meinung seid, ich suche Euch zu beleidigen, so irrt Ihr Euch sehr. Eure Ehrliebe ist mir zu gut bekannt. Glaubt nicht etwa, dass ich Euch zu einem Unternehmen, welches Eurer unwürdig ist, zu gebrauchen gedenke. Wäre es möglich, den Burgherrn, meinen Vater, zu überlisten, so bedürfe ich der Kraft Eures Armes nicht und hätte unter meinen Anhängern längst einen gefunden, der meinem Wunsch Genüge leistete. Dies ist jedoch unmöglich; der Burgherr ist nie ohne Bedeckung. Es ist mir unerklärbar, warum er sich dieser außerordentlichen Vorsicht bedient. Ich habe nie von einem Feind gehört, dessen Angriffe er zu fürchten haben könnte, und doch ist sein ganzes Benehmen dazu geeignet, dergleichen zu mutmaßen. Den Tag über ist er beständig von seinen vertrautesten Knappen umgeben, und des Nachts schläft sein Beichtvater und zwei seiner Burgwärter in seinem Gemach. Es wird Euch folglich einleuchtend genug sein, dass er vor jeden Überfall hinlänglich gesichert ist. Und hat er Zeit, sich zu verteidigen, so kann bloß Euer gewaltiger Arm ihm Widerstand leisten. Ihr könntet ja vorgeben, Ihr hättet gehört, er wäre in seiner Jugend einer der berühmtesten deutschen Kämpfer gewesen, und selbst das Alter hätte seinen Arm noch nicht entnervt. Ich weiß zwar im Voraus, dass Ihr es unter Eurer Würde halten werdet, Euch mit einem schwachen Greis zu messen. Seid aber versichert, bester Freund …«

»Nennt mich nicht mehr Euern Freund«, rief Ritter Busso unwillig, »ich mag nichts von der Freundschaft eines Vatermörders wissen.«

Friedrich fühlte sich durch diese Worte im höchsten Grad beleidigt, da er sich indessen dem Ritter Busso schon zu weit entdeckt hatte. So wagte er es nicht, ihm seinen Unwillen bemerkbar werden zu lassen, sondern versuchte vielmehr, ihn durch er erneuerte Bitten auf seine Seite zu ziehen.

»Wäre meine Liebe weniger heftig«, sagte er,» so würde ich zu solchen verzweifelten Mitteln meine Zuflucht nicht nehmen, aber, von der heftigsten Leidenschaft gequält, ergriff ich dies einzige, sich mit darbietende Mittel, ein Glück zu erlangen, welches in wenigen Tagen für mich auf ewig unerreichbar werden soll. Wäre der Gegenstand meiner Liebe nicht eine so außerordentliche Schönheit, so könnte ich mich vielleicht entschließen, darauf Verzicht zu leisten; wer aber die himmlische Adelheid auch nur einmal gesehen hat …«

»Was? Adelheid!« rief Ritter Busso mit Verwunderung, Adelheid ist der Gegenstand Eurer Liebe?

»Ja, Adelheid ist der Name derjenigen, deren Hand für meinen Vater bestimmt ist«, antwortete Friedrich, »wenn Ihr Euch ihrer und Eures Freundes nicht annehmt und dieses ganz besonders schöne Fräulein ihm entrissen wird, um es einem ihrer würdigeren Liebhaber in die Arme zu führen.«

»Hat Adelheid Eure Liebe erwidert?«, fragte Busso mit zitternder Stimme.

»Ich zweifle keineswegs daran«, sagte Friedrich. »Ich habe zwar aus ihrem eigenen Mund nie ein Wort dieser Art gehört, weil ich sie nie als in Gegenwart meines Vaters zu sprechen Gelegenheit hatte. So viel ich aber von einer ihrer Zofen gehört habe, die meine einzige Vertraute ist, hat sie eine unbesiegbare Abneigung gegen die Vermählung mit meinem Vater und mehrere andere Umstände beweisen deutlich, dass ihr Herz eine heimliche Liebe nährt. Anfangs glaubte ich nicht, dass ich der glückliche Gegenstand ihrer Liebe sei, aber der letzte Besuch, den ich ihr in ihres Vaters Burg abstattete, hat alle meine Zweifel zerstreut. Ihre Blicke, ihr ganzes Benehmen offenbarte mir ihr Herz. Man wollte sogar behaupten, es wäre ihr unmöglich gewesen, ihre Blicke von mir abzuwenden. Und wenn jemand die Aufmerksamkeit zu bemerken schien, mit welcher sie mich betrachtete, so geriet sie in Verlegenheit, errötete. Nicht selten entschlüpfte ihren holden Augen alsdann ein Blick, welcher die zärtlichen Gesinnungen, die ihr Herz gegen mich hegte, aufs Deutlichste bewies.

Indessen Friedrich so sprach, versank Busso in schwermütige Betrachtungen. Zweimal legte er schon die Hand an sein Schwert, bedachte jedoch, seiner Wut ungeachtet, dass sein Nebenbuhler unbewaffnet sei, und beruhigte sich sogleich.

»Friedrich«, sagte er zu ihm, »wir werden wohl weiter zusammenkommen. Ist dies der Fall, so bedenkt wohl, dass unsere Freundschaft von diesem Augenblick an ein Ende hat!« Mit diesen Worten entfernte er sich schnell und verlor sich im Dickicht des Waldes.

Friedrich war über dieses sonderbare Benehmen des Ritter Busso. dessen Ursache er sich nicht erklären konnte, nicht wenig erstaunt. Es war ihm unbekannt, ob jener das Fräulein Adelheid je gesehen habe. Er bis einige Augenblick voller Verwunderung stehen, dann wollte er ihn zurückrufen. Busso aber war schnell davon geeilt und seinen Blicken bereits entschwunden. Von Wut entflammt, gereute es ihm, den Ritter nicht verfolgt zu haben, um den Sinn seiner Worte zu erforschen und ihn besonders über seine drohende Miene zur Rede zu stellen. Er war aber nicht mehr aufzufinden, und Friedrich suchte ihn noch einige Zeit vergebens.

Ritter Busso ging tief in den Wald hinein, ohne zu bedenken, wo der Weg ihn hinführe. Er hatte bisher geglaubt, er liebe nicht hoffnungslos, sobald er aber vernahm, dass Adelheid außer ihn einen anderen liebe, wurde er überzeugt, dass er sich bisher vergebens geschmeichelt habe, ihr Herz allein zu besitzen. Als er sich nun schon ziemlich wie von dem Ort entfernt hatte, wo er den Ritter Friedrich verließ, warf er sich betrübt auf einen Rasenhügel und überließ sich verzweifelten Gedanken, die seines Nebenbuhlers Worte in ihm aufgeweckt hatten.

Also Friedrich ist Adelheids Geliebter, sagte er zu sich selbst. Dieses furchtsame und bescheidene Fräulein, das seine Augen niederschlug, wenn ich ihr einen verliebten Blick zuwarf, hat also diesen zum Geliebten ihres Herzens auserkoren! Ach, unbeständige, treulose Adelheid! Warum zürne ich aber auf sie? Welche rechtlichen Ansprüche hatte ich auf ihr Herz? Hat sie mir denn je Hoffnung zu dessen Besitz gemacht? Wie konnte ich von ihrer Seite auf Gegenliebe rechnen, da ich ihr die meine nie gestanden habe? Ach, warum verließ ich sie, ohne ihr meine Empfindungen mitzuteilen? Wie konnte sie sich einbilden, dass ich irgendeine Neigung gegen sie hegte, da ich in ihrer Gegenwart stets so zurückhaltend war und jeden Schein von Liebe zu unterdrücken suchte? Mehrere Jahre sind bereits verflossen, seit dem wir uns trennten; vielleicht hat sie in diesem langen Zeitraum nicht einmal meinen Namen nennen hören und erinnert sie sich meiner ja noch, so hält sie mich wohl gar für einen Mann, auf den ihre Reize nicht den geringsten Eindruck gemacht haben. Vielleicht rechnet sie mehr auf die Zuneigung eines anderen Ritters, der ihr etwa bei irgendeiner Gelegenheit gerade gesagt hat, dass sie schön sei, als auf die wirkliche Zuneigung eines Liebhabers, der bereit ist, sein Leben für sie aufzuopfern. Ach! Warum ließ ich sie von mir, ohne ihr meine Liebe zu gestehen!

Busso vertiefte sich immer mehr in schwermütige Betrachtungen. Mit großen Aufopferungen hätte er gern einen der seligen Tage zurückgezaubert, die er in ihrer Nähe verlebte, wo er noch der süßen Meinung war, dass Adelheid einzig und allein für ihn geschaffen sei. Dann, meinte er, hätte er vielleicht den Sieg über ein Herz davongetragen, dessen er würdiger als jener verhasste Verräter zu sein glaubte. Dann dachte er noch einige Augenblicke über Friedrichs sonderbare Zumutung nach und fühlte wieder einige Hoffnung in seiner Seele aufsteigen, obwohl der Eigendünkel und die Eitelkeit jenes stolzen Jünglings ihm Adelheids Gesinnungen gegen ihn verdächtig gemacht hatte. Inzwischen schlug doch der Gedanke seine Hoffnung von Neuem zu Boden, dass die Geliebte seines Herzens in drei Tagen mit dem Grafen von der Eulenburg vermählt werden sollte.

Er zitterte bei dieser Idee. In einer Anwandlung von Verzweiflung stand er schnell auf, blieb aber einige Augenblicke danach wie versteinert stehen. Der Wunsch, den Gegenstand seiner Liebe wenigstens noch einmal zu sehen, stieg in seinem Herzen auf. Er wollte seiner Adelheid seine heiße Liebe entdecken, ehe der grausame Gott der Ehen all seine Hoffnungen auf ewig zertrümmerte. Er konnte sich diesen einzigen Trost nicht versagen.

Auf der Stelle fasste er den Entschluss, zu ihrem Wohnsitz zu eilen, ihr zu sagen, dass der letzte Lebenshauch des unglücklichen Busso noch ein Wunsch für Adelheids Glück sein solle, dass er sich entschlossen habe, seinem Vaterland ein ewiges Lebewohl zu sagen, bei irgendeinem kriegführenden Heer in Dienste zu treten und nichts sehnlicher wünsche, als im ersten Kampf ein Leben zu enden, welches ihm ohne ihr zur Pein geworden sei.

Erfreut über seinen Entschluss, ging er schnellen Schritts weiter. Da ihm aber der Weg zum Schloss Rabeneck gänzlich unbekannt war und er wenig Hoffnung hatte, in dieser Wildnis einen Wegweiser zu finden, so war seine größte Besorgnis nur die, er möchte auf einen Fußsteig geraten, der ihn noch weiter von seinem Ziel entfernte.

Er ging jedoch immer weiter, bis er endlich einige Turmspitzen gewahr wurde, die über den Bäumen hervorragten. Mit Unwillen bemerkte er aber, als er sich ihnen näherte, dass er wieder zu der verhassten Eulenburg komme. Voll Verdruss hierüber entfernte er sich schnell von dem Aufenthalt seines Nebenbuhlers und schlug einen anderen Weg ein. Glücklicherweise wurde er bald einen Landmann gewahr, der in einer kleinen Entfernung vor ihm herging. Er beschleunigte seine Schritte, um ihn einzuholen und sich nach dem Weg zum Schloss Rabeneck zu erkundigen. Dieser Mann wollte ebenfalls dorthin und bot dem Ritter bis dahin seine Gesellschaft an.

Während sie so miteinander gingen, stellte der Landmann mehrere Fragen an Busso, welche dieser ganz kurz und öfters gar nicht passend beantwortete. Da ihn sein Begleiter jedoch fragte, wo er nächste Nacht Quartier zu nehmen gedenke, fiel es ihm erst plötzlich ein, dass, wenn es heute nicht mehr gelingen sollte, das Fräulein zu sprechen, er im Wald würde übernachten müssen. Er fragte deshalb den Landmann, ob er hier in der Nähe wohne und ihn diese Nacht beherbergen könne.

Worauf Letzterer antwortete: Er wohne in der Gegend, wo sie sich einander getroffen hätten, und wolle einen so wackeren Ritter gern in seiner einsamen Hütte beherbergen. Als sie nicht weit mehr vom Schloss entfernt waren, verließ der Ritter seinen Begleiter und näherte sich dem Ort, wo die Geliebte seines Herzens wohnte.

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