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Abenteuer des Captains Bonneville 50

Washington Irving
Abenteuer des Captains Bonneville
oder: Szenen jenseits der Felsengebirge des fernen Westens
Verlag von J. D. Sauerländer. Frankfurt am Main, 1837

Neunundvierzigstes Kapitel

Aufbruch der Winterquartiere – Reise an den Green River – Ein Trapper und seine Büchse – Neue Ankömmlinge im Lager – Ein freier Trapper und seine Squaw im Elend – Geschichte einer Schönen der Blackfeet

Der Winter war nun im Abmarsch. Auf den Hügeln und den unteren Teilen der Gebirge schmolz der Schnee. Die Zeit war gekommen, wo das Lager aufgehoben werden musste. Captain Bonneville schickte eine Partie zu den Versteckgruben ab, die alle darin verborgenen Gegenstände wegbrachte. Am 1. April 1835 wurde das Lager abgebrochen und alles war in Bewegung. Die Weißen trennten sich von ihren Verbündeten, den Etiwan und Shoshone, mit vielem Bedauern und den Äußerungen gegenseitigen Wohlwollens, denn ihr Umgang war den Winter über von der freundschaftlichsten Art gewesen.

Captain Bonneville kam mit seiner Partie an Ham`s Fork vorbei und erreichte den Colorado und den Green River, an dessen Ufern er den Rest des Frühlings blieb. Es war ihnen bewusst, dass während dieser Zeit eine Bande feindlicher Indianer in ihrer Nähe herumschweifte, die nur auf eine Gelegenheit lauerte, zu morden und zu stehlen. Die Vorsicht und Wachsamkeit des Captains vereitelte aber alle ihre Umtriebe.

In solchen gefährlichen Zeiten verlässt der Biberfänger nie seine Büchse, selbst im Lager nicht, er nimmt sie mit sich, wenn er von Zelt zu Zelt geht, um seine Kameraden zu besuchen. Setzt er sich in einem Zelt nieder, dann legt er sie neben sich, dass er sie gleich greifen kann. Geht er aus, dann nimmt er sie so regelmäßig mit, wie ein Bürger seinen Stock. Seine Büchse ist sein beständiger Freund und Beschützer.

Am 10. Juni befanden sie sich etwas östlich von der Wind River Range, wo sie einige Zeit in trefflichem Weidegrund liegen blieben, um den Pferden Zeit zu lassen, ihre Kräfte für eine weite Reise zu sammeln, denn es war des Captains Absicht, seinen Weg zu den Niederlassungen einzuschlagen, da er durch eine Verwicklung seiner übernommenen Verbindlichkeiten, durch verschiedene Verluste und Hindernisse weit über die ihm, durch seinen Urlaub vorgeschriebene Zeit, hingehalten worden war.

Während die Partie so in der Nähe der Wind River Range ausruhte, kam eines Tages ein einzelner Biberfänger ins Lager geritten und sprach den Captain Bonneville an. Er gehöre, sagte er, zu einer Partie von dreißig Jägern, die eben durch die Nachbarschaft gekommen seien, die er aber verlassen habe, weil sie einen Biberfängerbruder übel behandelt hätten, den sie aus ihrer Partie ausgestoßen, ihn mit Sack und Pack und einer indianischen Frau mitten in der öden Prairie zurückgelassen hätten. Der Reiter machte ein traurige Schilderung von der Lage dieses hilflosen Paars und bat, dass man ihm Pferde leihen möchte, um sie und ihre Effekten ins Lager zu bringen.

Der Captain war nicht der Mann, einem Unglücklichen seine Hilfe zu versagen, besonders, wenn eine Frau dabei beteiligt war. es wurden sogleich Pferde mit einer Bedeckung abgeschickt, um dem unglücklichen Paar zu helfen. Sie langten am nächsten Tag mit ihrem Gepäcke an. Der Mann war ein rüstiger Gebirgsjäger, der ein besonderes weidmännisches Ansehen hatte, die Frau eine junge Schöne der Blackfeet, im Putz und mit dem Schmuck einer freien Trappers Braut.

Da Captain Bonneville fand, dass die Frau schnell fasste und gesprächig war, so ließ sich Captain Bonneville in ein Gespräch mit ihr ein und erfuhr von ihr manches über die Gewohnheiten und Sitten ihres Volkes, vor allen Dingen, was Krieg und Jagd anbetrifft. Sie rühmen sich die besten Beine des Gebirges zu sein und jagen den Büffel zu Fuß. Dies geschieht im Frühling, wenn es getaut hat und der Boden weich ist. Die schwerfälligen Büffel sinken dann mit jedem Tritt bis über die Hufen ein und werden dann leicht von den Blackfeet eingeholt, deren schnelle Schritte leicht über die Oberfläche dahinschweben. Man sagt jedoch, dass die Büffel auf der Seite der Felsgebirge zum Stillen Ozean hin flinker und tätiger sind als auf der atlantischen. Jene der Ebenen des Columbia River können kaum von einem Pferd eingeholt werden, welches dasselbe Tier in der Nähe des Platte River, dem gewöhnlichen Jagdbezirke der Blackfeet, weit hinter sich lassen würde.

Im Laufe ihrer ferneren Unterhaltung teilte die Indianerin Captain Bonneville ihre ganze Geschichte mit, die ein Gemälde des wilden Lebens, der Erduldungen und Plackereien enthält, denen eine indianisches Frau unterworfen ist.

»Ich war«, sagte sie, »das Frau eines Kriegers der Blackfeet und diente ihm treu. Wer war so gut versorgt wie er? Welche Hütte war so gut versehen oder so reinlich gehalten? Morgens brachte ich Holz und stellte immer Wasser in Bereitschaft. Ich erwartete ihn, wenn er kam, und er fand sein Fleisch immer gekocht und fertig. Wenn er aufstand, um auszugehen, dann wurde er durch nichts aufgehalten. Ich erspähte seine innere Gedanken, um ihm die Mühe des Sprechens zu ersparen. Wenn ich in Geschäften für ihn ausging, so lächelten mich die Häuptlinge und Krieger an, und die jungen Braven sagten mir im Vertrauen freundliche Dinge, allein meine Füße gingen gerade aus und meine Augen sahen niemand als ihn.

Wenn er auf die Jagd ging oder in den Krieg zog, wer half ihn ausstatten, wie ich? Kehrte er zurück, so ging ich ihm bis an die Tür entgegen; ich nahm ihm seine Flinte ab, dass er an nichts weiter zu denken brauchte. Während er sich hinsetzte und rauchte, lud ich die Pferde ab, band sie an ihre Pfähle, trug ihre Ladung in die Hütte und war schnell zu seinen Füßen. Wenn die Mokassins nass waren, zog ich sie ihm aus und tat ihm andere an, die trocken und warm waren. Ich bereitete alle Felle, die er von der Jagd mitbrachte. Er konnte nie sagen, warum ist dies nicht geschehen? Er jagte das Rotwild, die Antilopen und Büffel und beobachtete den Feind. Alles Übrige tat ich.

Wenn die unsrigen mit ihrem Lager aufbrachen, da bestieg er sein Pferd und ritt weg, frei wie vom Himmel gefallen. Er hatte nichts mit der Arbeit des Lagers zu tun. Ich war es, die die Pferde bepackte und sie mit auf den Weg nahm. Wenn wir am Abend Halt machten und er bei den andern Krieger saß und rauchte, dann war ich es, die das Zelt aufschlug, und wenn er kam, um zu Abend zu essen und sich schlafen zu legen, dann war sein Essen und Bett bereit.

Ich diente ihm treu, und was war mein Lohn? Seine Stirne war immer finster und seine Zunge immer giftig. Ich war sein Hund, aber nicht sein Frau.

Wer war es, der mich stieß und schlug? Er war es. Mein Bruder sah, wie ich behandelt wurde. Das Herz schwoll ihm meinethalben. Er bat mich, meinen Tyrannen zu verlassen und zu fliehen. Wo sollte ich hingehen? Wer sollte mich beschützen, wenn ich wieder eingefangen würde, denn mein Bruder war kein Häuptling, der mich vor Schlägen, Wunden oder gar dem Tod schützen konnte.

Endlich ließ ich mich überreden. Ich folgte meinem Bruder aus dem Dorf. Er wies mir den Weg zu den Nez Percés und bat mich, zu gehen und in Frieden unter ihnen zu leben. Wir trennten uns und am dritten Tag sah ich die Hütten der Nez Percés vor mir. Ich hielt einen Augenblick an und hatte kein Herz, weiterzureiten; allein mein Pferd wieherte und ich hielt dies für ein gutes Zeichen. Ich ließ es daher forttraben. Bald befand ich mich in der Mitte ihrer Zelthütten.

Ich saß schweigend auf meinem Pferd, das Volk versammelte sich um mich und fragte, woher ich käme. Ich erzählte ihnen meine Geschichte. Ein Häuptling wickelte sich nun in seine Wolldecke ein und hieß mich absteigen. Ich gehorchte, er nahm mein Pferd, um es wegzuführen. Das Herz sank mir im Busen. Als ich mich von meinem Pferd trennen sollte, war es mir, als ob ich von meinem letzten Freund scheiden müsse. Ich hatte keine Worte und meine Augen waren trocken.

Als er mein Pferd wegführte, vertrat ihm ein junger Krieger den Weg. ›Bist du ein Häuptling unseres Volkes?‹, rief er. ›Sollen wir dich im Rat hören und dir in die Schlacht folgen? Sieh! Ein Fremdling flieht zu unserem Lager, von den Hunden, den Blackfeet, und bittet um unseren Schutz. Lass uns vor Scham unser Gesicht verbergen! Der Fremdling ist ein Frau und allein. Wenn sie ein Krieger wäre oder einen Krieger an ihrer Seite hätte, dann würdest du das Herz nicht haben, ihr das Pferd zu nehmen. Es ist jedoch dein, du hast nach den Kriegsgesetzen Anspruch darauf zu machen; doch sieh!‹ Sein Bogen war gespannt und sein Pfeil aufgelegt. ›Du sollst es nie besteigen!‹ Der Pfeil durchbohrte dem Pferd das Herz und es fiel tot nieder.

Eine alte Frau erbot sich mir, meine Mutter zu werden. Sie führte mich in ihre Hütte; mein Herz ging mir bei ihrem Wohlwollen auf und meine Augen brachen in Tränen aus, gleich der gefroren gewesenen Quelle im Frühling. Sie änderte ihre Gesinnung nicht, sondern die Tage verstrichen und sie blieb mir immer eine Mutter. Das Volk rühmte den jungen Krieger laut und der Häuptling wurde beschämt. Ich lebte in Frieden.

Eine Trapperpartie kam in unser Dorf, und einer von ihnen nahm mich zu seinem Frau. Es ist dieser hier. Ich bin sehr glücklich, denn er behandelt mich mit viel Nachsicht, und ich habe ihn die Sprache meines Volkes gelehrt.

Als wir auf dem Weg in diese Gegend waren, stellten uns einige Krieger der Blackfeet nach und entführten die Pferde der Partie. Wir folgten und mein Mann hielt eine Unterredung mit ihnen. Die Gewehre wurden niedergelegt und die Pfeife angezündet. Einige der Weißen machten aber den Versuch, sich der Pferde mit Gewalt wieder zu bemächtigen, worauf ein Gefecht entstand. Der Schnee lag tief und die weißen Männer sanken mit jedem Tritt tief ein, während die Roten mit ihren Schneeschuhen wie die Vögel darüber hinflogen und im Angesicht ihrer Eigentümer viele Pferde wegtrieben. Mit denen, welche uns blieben, setzten wir unsere Reise fort.

Endlich kam es zwischen dem Anführer der Partie und meinem Mann zum Wortwechsel. Er nahm uns unsere Pferde weg, die wir in dem Gefecht erhalten hatten, und warf uns aus dem Lager. Mein Mann hatte einen guten Freund unter den Trappern. Dies war dieser hier; nach dem Mann deutend, der um Hilfe für sie nachgesucht hatte. Er ist ein guter Mann, mit großmütigem Herzen. Als er vom Jagen zurückkehrte und vernahm, dass wir vertrieben worden wären, leistete er auf seinen ganzen Lohn Verzicht und folgte uns, um bei dem weißen Captain gute Worte für uns einzulegen.«

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