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Varney, der Vampir – Kapitel 1

Thomas Preskett Prest
Varney, der Vampir
oder: Das Blutfest

Ursprünglich als penny dreadful von 1845 bis 1847 veröffentlicht, als es zum ersten Mal in Buchform erschien, ist Varney, der Vampir ein Vorläufer von Vampirgeschichten wie Dracula, die es stark beeinflusst hat.

Kapitel 1

Gräber geben ihre Toten frei,
die Nachtluft wabert schrecklich mit Gekreisch!

Mitternacht – Der Hagelsturm – Der grauenvolle Besucher – Der Vampir
Die majestätischen Töne der Uhr einer alten Kathedrale hatten Mitternacht angekündigt, die Luft war dick und schwer, eine seltsame, todesähnliche Starre lag über der ganzen Natur. Wie die unheilvolle Stille, die einem mehr als gewöhnlich schrecklichen Ausbruch der Elemente vorausgeht, schienen sie sogar in ihren gewöhnlichen Schwingungen innegehalten zu haben, um eine gewaltige Kraft für die große Schlacht zu bündeln. Ein schwaches Donnern ertönte in der Ferne. Wie eine Signalpistole für den Beginn des Kampfes der Winde schien es sie aus ihrer Lethargie zu reißen. Ein furchtbarer, kriegerischer Orkan fegte über eine ganze Stadt und richtete in den vier oder fünf Minuten, die er andauerte, mehr Verwüstung an als ein halbes Jahrhundert gewöhnlicher Erscheinungen.

Es war, als ob ein Riese über eine Spielzeugstadt geblasen und viele der Gebäude vor dem heißen Windstoß seines schrecklichen Atems verstreut hätte; denn so plötzlich wie der Windstoß gekommen war, hörte er auch wieder auf, und alles war so still und ruhig wie zuvor.

Die Schlafenden erwachten und dachten, dass das, was sie gehört hatten, die verwirrte Schimäre eines Albtraums sein musste. Sie zitterten und wandten sich wieder dem Schlaf zu.

Alles war still – still wie das Grab. Nicht ein Geräusch durchbrach den Zauber der Ruhe. Was war das? Ein seltsames, trappelndes Geräusch wie von einer Million Feenfüße? Es war Hagel – ja, ein Hagelsturm brach über die Stadt herein. Blätter wurden von den Bäumen gerissen, vermischt mit kleinen Ästen; Fenster, die der direkten Wut der herabprasselnden Eispartikel am meisten entgegengesetzt waren, wurden zerbrochen, und die entrückte Ruhe, die vorher in ihrer Intensität so bemerkenswert war, wurde gegen ein Geräusch ausgetauscht, das in seiner Anhäufung jeden Schrei der Überraschung oder Bestürzung übertönt, der hier und da von Personen kam, die ihre Häuser vom Sturm überfallen fanden.

Ab und zu kam auch ein plötzlicher Windstoß, der in seiner Stärke, da er von der Seite blies, für einen Moment Millionen von Hagelkörnern in der Luft hielt, aber nur, um sie mit doppelter Kraft in eine neue Richtung zu schleudern, wo noch mehr Unheil angerichtet werden sollte.

Oh, wie der Sturm wütete! Hagel – Regen – Wind. Es war in der Tat eine schreckliche Nacht.

 

 

Eine uralte Kammer in einem alten Haus. Kuriose und malerische Schnitzereien schmücken die Wände, und das große Kaminstück ist eine Rarität für sich. Die Decke ist niedrig, und ein großes Erkerfenster, vom Dach bis zum Boden, weist in Richtung Westen. Das Fenster ist vergittert und mit seltsam bemaltem Glas und reichhaltigen Buntglasscheiben gefüllt, die ein seltsames, aber schönes Licht in die Wohnung senden, wenn Sonne oder Mond hinein scheinen. Es gibt nur ein einziges Porträt in diesem Raum, obwohl die Wände anscheinend für den ausdrücklichen Zweck getäfelt sind, eine Reihe von Bildern zu enthalten. Dieses Porträt ist das eines jungen Mannes, mit einem blassen Gesicht, einer stattlichen Stirn und einem seltsamen Ausdruck um die Augen, den man sich nicht zweimal ansehen mag.

In dieser Kammer steht ein stattliches Bett, aus geschnitztem Nussbaumholz, reich im Dekor und kunstvoll in der Ausführung; eines jener Kunstwerke, die ihre Existenz des Elisabethanischen Zeitalters verdanken. Es ist mit schweren Seiden- und Damaststoffen behängt. An seinen Ecken befinden sich wogende Federn, mit Staub bedeckt, und verleihen dem Raum einen funeralen Anblick. Der Fußboden ist aus polierter Eiche.

O Gott! Wie der Hagel auf das alte Erkerfenster prasselt! Wie eine gelegentliche Entladung von Musketen schlägt und kracht es auf die kleinen Scheiben; aber sie widerstehen ihm – ihre geringe Größe rettet sie. Der Wind, der Hagel und der Regen verbrauchen ihre Wut vergebens.

Das Bett in jener alten Kammer ist belegt. Ein Geschöpf, geformt in allen Moden der Lieblichkeit, liegt im Halbschlaf auf dieser alten Lagerstatt – ein Mädchen, jung und schön wie ein Frühlingsmorgen. Ihr langes Haar ist aus seiner Enge entwichen und strömt über die geschwärzten Bezüge des Bettgestells. Sie hat unruhig geschlafen, denn die Bettwäsche ist zerwühlt. Ein Arm liegt über ihrem Kopf, der andere hängt ein wenig von der Seite des Bettes herunter, neben dem sie liegt. Der Hals und der Busen, die eine Studie für den edelsten Bildhauer gebildet hätten, dem die Vorsehung jemals Genie gegeben hat, sind halb enthüllt. Sie stöhnt leicht im Schlaf, und ein- oder zweimal bewegen sich die Lippen wie im Gebet – zumindest könnte man so urteilen, denn der Name dessen, der für alle gelitten hat, kommt einmal schwach von ihnen.

Sie hat viele Strapazen ertragen, und der Sturm weckt sie nicht; aber er kann den Schlummer stören, nicht die Macht besitzend, ihn ganz zu beseitigen. Der Aufruhr der Elemente weckt die Sinne, obwohl er die Ruhe, in die sie verfallen sind, nicht völlig durchbrechen kann.

Oh, was für eine Welt des Zaubers liegt in diesem leicht geöffneten Mund, der die perlweißen Zähne zeigt, die sogar in dem schwachen Licht, das von dem Erkerfenster kommt, glitzern. Wie lieblich liegen die langen seidenen Wimpern über ihren Augen. Nun bewegt sie sich, und eine Schulter ist ganz sichtbar – weißer, schöner als die makellose Bezüge des Bettes, auf dem sie liegt, ist die glatte Haut dieses schönen Geschöpfes, das gerade in die Weiblichkeit hineinwächst und sich in jenem Übergangszustand befindet, der uns alle Reize des Mädchens – fast des Kindes – mit der reiferen Schönheit und Sanftheit der fortschreitenden Jahre vor Augen führt.

War das ein Blitz? Ja, ein schrecklicher, lebendiger, furchterregender Blitz – dann ein dröhnender Donner, als ob tausend Berge im blauen Gewölbe des Himmels übereinander rollten! Wer schläft jetzt in dieser alten Stadt? Keine einzige lebende Seele. Die furchtbare Trompete der Ewigkeit hätte niemanden wirkungsvoller aufwecken können.

Der Hagel hält an. Der Wind geht weiter. Der Aufruhr der Elemente scheint auf seinem Höhepunkt zu sein. Nun erwacht sie – das schöne Mädchen auf dem alten Bett. Sie öffnet die himmelblauen Augen und ein schwacher Schreckensschrei entweicht ihren Lippen. Zumindest ist es ein Schrei, der inmitten des Lärms und des Aufruhrs draußen nur schwach und leise klingt. Sie setzt sich auf das Bett und presst die Hände auf die Augen. Himmel! Was für ein wildes Gewitter mit Wind, Regen und Hagel! Auch der Donner scheint darauf bedacht zu sein, genügend Echos zu erwecken, bis der nächste Blitz wieder die wilde Erschütterung der Luft erzeugt. Sie murmelt ein Gebet – ein Gebet für die, die sie am meisten liebt. Die Namen derer, die ihrem sanften Herzen teuer sind, kommen von ihren Lippen. Sie weint und betet, sie denkt dann an die Verwüstung, die der Sturm sicher anrichten wird, und sie betet zum großen Gott des Himmels für alle Lebewesen. Ein weiterer Blitz – ein wilder, blauer, verwirrender Blitz, der über das Erkerfenster zuckt und für einen Augenblick jede Farbe mit schrecklicher Deutlichkeit hervorhebt. Ein Schrei entfährt den Lippen des jungen Mädchens, dann starrt sie mit ihren Augen auf das Fenster, das in einem nächsten Augenblick ganz dunkel ist, und mit einem solchen Ausdruck des Schreckens auf ihrem Gesicht, wie es ihn noch nie zuvor gekannt hatte, zittert sie. Der Schweiß der großen Furcht steht ihr auf der Stirn.

»Was – was war das?«, keucht sie. »Wirklichkeit oder Täuschung? Oh, Gott, was war das? Eine Gestalt, groß und hager, die von außen versuchte, das Fenster zu öffnen. Ich habe es gesehen. Der Blitz hat es mir offenbart. Sie stand in voller Länge vor dem Fenster.«

Es herrscht für einen Moment eine Windflaute. Der Hagel prasselte nicht mehr so stark – außerdem fällt er nun, was davon übrig war, gerade, und dennoch kommt ein seltsames, klapperndes Geräusch auf das Glas des Fensters. Es kann keine Täuschung sein – sie ist wach und hört es. Was kann es verursachen? Ein weiterer Blitz – ein weiterer Schrei – es kann keine Täuschung mehr sein.

Eine große Gestalt steht auf dem Sims direkt vor dem Fenster. Es sind ihre Fingernägel auf dem Glas, die das Geräusch erzeugen, das so ähnlich wie der Hagel ist, jetzt, wo der Hagel aufgehört hat. Intensive Angst lähmt die Glieder des schönen Mädchens. Dieser eine Schrei ist alles, was sie ausstoßen kann – mit gefalteten Händen, einem Gesicht aus Marmor, einem Herz, das so wild in ihrem Busen schlägt, dass es jeden Moment zu zerspringen scheint, mit geweiteten Augen, die auf das Fenster gerichtet sind, wartet sie, erstarrt vor Entsetzen. Das Getrappel und Geklapper der Nägel geht weiter. Kein Wort wird gesprochen; inzwischen glaubt sie, die dunkle Form der Gestalt am Fenster zu erkennen. Sie sieht die langen Arme, die sich hin und her bewegen und nach irgendeinem Eingang tasten. Was ist das für ein seltsames Licht, das nun allmählich in die Luft hinaufkriecht? Rot und furchtbar – immer heller und heller wird es. Der Blitz hat eine Mühle in Brand gesetzt. Der Widerschein des sich schnell verzehrenden Gebäudes fällt auf das große Fenster. Es kann keinen Irrtum geben. Die Gestalt ist da, tastet noch immer nach einem Eingang und klappert mit ihren langen Nägeln, die aussehen, als sei das Wachstum vieler Jahre unangetastet geblieben, gegen das Glas. Sie versucht wieder zu schreien, aber ein Würgegefühl überkommt sie, und sie kann nicht. Es ist zu furchtbar – sie versucht, sich zu bewegen. Jedes Glied scheint von Tonnen von Blei beschwert – sie kann nur in einem heiseren, schwachen Flüstern schreien.

»Hilfe … Hilfe … Hilfe … Hilfe!«

Dieses eine Wort wiederholt sie wie eine Person in einem Traum. Der rote Schein des Feuers hält an. Es wirft die große, hagere Gestalt in hässlichem Relief gegen das Fenster. Es zeigt sich auch auf dem einen Porträt, das sich in der Kammer befindet, und dieses Porträt scheint seine Augen auf den versuchenden Eindringling zu richten, während das flackernde Licht des Feuers es furchtbar lebensecht aussehen lässt. Eine kleine Glasscheibe ist zerbrochen, und die Gestalt von außen führt eine lange, hagere Hand hindurch, die völlig fleischlos erscheint. Die Verriegelung wird entfernt und die eine Hälfte des Fensters, das sich wie eine Flügeltür öffnet, wird in den Angeln weit aufgeschwungen.

Und doch konnte sie jetzt nicht schreien – sie konnte sich nicht bewegen. »Hilfe! … Hilfe! … Hilfe!«, war alles, was sie sagen konnte. Aber, oh, dieser Blick des Schreckens, der auf ihrem Gesicht lag, er war schrecklich – ein Blick, der die Erinnerung ein Leben lang verfolgt; ein Blick, der sich in die glücklichsten Momente aufdrängt und sie in Bitterkeit verwandelt.

Die Gestalt dreht sich halb herum, das Licht fällt auf ihr Gesicht. Es ist vollkommen weiß – vollkommen blutleer. Die Augen sehen aus wie poliertes Messing; die Lippen sind zurückgezogen, und das wesentliche Merkmal neben diesen schrecklichen Augen sind die Zähne – die furchterregend aussehenden Zähne, die wie die eines wilden Tieres hervorstehen, abscheulich, grell weiß und wie Reißzähne. Es nähert sich dem Bett mit einer seltsamen, gleitenden Bewegung. Es schlägt die langen Nägel aneinander, die buchstäblich von den Fingerenden zu hängen scheinen. Kein Laut kommt von seinen Lippen. Wird sie wahnsinnig, das junge, schöne Mädchen, das so viel Schrecken ausgesetzt ist? Sie hat alle Gliedmaßen angezogen, sie kann nicht einmal mehr Hilfe sagen. Die Kraft der Artikulation ist weg, aber die Kraft der Bewegung ist zu ihr zurückgekehrt. Sie kann sich langsam auf die andere Seite des Bettes ziehen, auf die die grässliche Erscheinung zukommt.

Aber ihre Augen sind verzaubert. Der Blick einer Schlange hätte keine größere Wirkung auf sie haben können als der starre Blick dieser schrecklichen, metallisch aussehenden Augen, die auf ihr Gesicht gerichtet waren. Sie hockte sich hin, sodass die gigantische Größe verloren ging und das schreckliche, hervortretende, weiße Gesicht der auffälligste Gegenstand war, und betrachtete die Gestalt. Was war es? Was wollte es dort? Was machte es so abscheulich aussehen – so anders als ein Bewohner der Erde und doch auf ihr zu sein?

Nun ist sie an der Kante des Bettes angelangt, und die Gestalt bleibt stehen. Es scheint, als ob sie, als sie innehielt, die Kraft verlor, weiterzugehen. Die Bettwäsche wurde nun mit unbewusster Kraft von den Händen des Mädchens umklammert. Sie holte kurz und heftig Luft. Ihr Busen hob sich und ihre Glieder zitterten, doch sie konnte ihre Augen nicht von diesem marmornen Gesicht abwenden. Die Gestalt hält sie mit seinen glitzernden Augen in seinem Bann.

Der Sturm hat aufgehört – alles ist still. Die Winde sind verstummt; die Kirchenuhr verkündet die erste Stunde des neuen Tages. Ein zischendes Geräusch kommt aus der Kehle des scheußlichen Wesens, es hebt seine langen, hageren Arme, die Lippen bewegen sich. Er schreitet voran. Das Mädchen setzt einen Fuß vom Bett auf den Boden. Unbewusst reißt sie die Wäsche mit sich. Die Tür des Zimmers ist in dieser Richtung – kann sie diese erreichen? Hat sie die Kraft zu gehen? Kann sie ihre Augen vom Gesicht des Eindringlings abwenden und so den abscheulichen Zauber brechen? Gott des Himmels! Ist es Wirklichkeit oder ein Traum, der der Realität so ähnlich ist, dass er das Urteil fast für immer aufhebt?

Die Gestalt hat wieder innegehalten. Halb auf dem Bett und halb aus dem Bett heraus liegt das zitternde junge Mädchen. Ihr langes Haar wallt über die gesamte Breite des Bettes. Als sie sich langsam weiterbewegt, lässt sie es über die Kissen wallen. Die Pause dauert etwa eine Minute – oh, was für eine Zeit der Qualen. Diese Minute ist in der Tat genug für den Wahnsinn, um sein wahres Werk zu tun.

Mit einem plötzlichen Ansturm, den man nicht vorhersehen konnte, mit einem seltsamen heulenden Schrei, der genügte, um in jeder Brust Schrecken zu erwecken, ergreift die Gestalt die langen Strähnen ihres Haares, wickelt sie um seine knochigen Hände und hält sie an das Bett. Dann schreit sie – der Himmel gab ihr Kraft zu schreien. Schrei folgt auf Schrei in schneller Folge. Das Bettzeug fällt in einem Haufen neben das Bett – sie wird an ihren langen seidenen Haaren wieder ganz auf das Bett gezerrt. Ihre schön gerundeten Glieder zittern vor Seelenqualen. Die glasigen, schrecklichen Blicke der Gestalt fahren über diese engelsgleiche Form mit einer abscheulichen Befriedigung – einer schrecklichen Schmach. Er zerrt ihren Kopf an den Rand des Bettes. Er reißt sie an den langen Haaren zurück, die sich noch in seinem Griff verfangen haben. Mit einem Sturzflug packt er ihren Hals mit seinen fangzahnähnlichen Zähnen – ein Schwall von Blut und ein grässliches Sauggeräusch folgen. Das Mädchen ist in Ohnmacht gefallen und der Vampir ist bei seiner abscheulichen Mahlzeit!

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