Heftroman der

Woche

Neueste Kommentare
Archive
Folgt uns auch auf

Die Plauderstube – Der Verstorbene als Bräutigam – Kapitel 2

Der Verstorbene als Bräutigam
Nach dem Französischen des Adrien Paul
7. August 1859

2.

Julius von Cerisy sollte sich in den Hafen der Ruhe und Sicherheit einschiffen. Eduard Bernier glaubte, noch manches Vorgebirge der guten Hoffnung umschiffen zu müssen, ehe er in einen Hafen einzulaufen gedachte.

Dem einen lächelte alles: Er war unter einem freundlichen Geschick zur Welt gekommen, das Leben hatte ihm nichts als Freude gebracht; keine Wurzel fand sich auf seinem Weg, über die er strauchelte könnte, kein Sturm hielt ihn in seinem ruhigen Lauf auf.

Dem anderen schien alles feindlich: Ohne Kompass steuerte er inmitten der gefahrdrohenden Strudel und Wirbel des Lebensmeeres; das Leben war ihm eine Schlacht, die gewonnen werden sollte.

Es ist also sonnenklar, dass, wenn man den Erstbesten gefragt hätte, welcher er sein wolle, Eduard oder Julius, dass er geantwortet hätte: »Julius.«

 

***

 

Dies alles konnte aber nicht verhindern, dass der arme junge Mann, das heißt, der reiche junge Mann, Julius, trotz aller erdenklichen Sorgfalt und Hilfe in der ersten Nacht nach seiner Ankunft in Paris an einer heftigen Kolik verstarb.

 

***

 

Dieser Fall bestätigt abermals den alten Satz, dass nichts so trügerisch ist, als die Oberfläche, dass das Phänomen der Luftspiegelung oder Fata Morgana sich nicht bloß auf dem Meer und in Sandwüsten findet, nein, mitten in der Stadt, überall und auf jeden Schritt!

An dünnen Faden, welche jeher Hauch zerreißen kann, hängen beständig Ereignisse in der Luft, welche plötzlich die Trauer lachen oder die Freude weinen machen.

 

***

 

Eduard entledigte sich, wie es seine Schuldigkeit war, der traurigen Pflichten, welche ihm die Umstände auferlegten. Er traf die zu einem passenden Leichenbegängnis nötigen Anordnungen.

Da er aber auch wusste, dass der Verstorbene ungeduldig von seiner Zukünftigen erwartet wurde, nahm er die Papiere von Julius an sich und machte sich den nächsten Morgen zum Landaufenthalt des Schwiegervaters auf den Weg, in der redlichen Absicht, demselben diese Papiere zuzustellen, um ihn von der unerwarteten Katastrophe zu benachrichtigen, die aus seiner Tochter eine Witwe vor der Zeit machte.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert