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Ein Ostseepirat Band 1 – Eine Ladung Korn nach Stockholm

Carl Schmeling
Ein Ostseepirat
Historischer Roman
Erster Band
XVII.

Eine Ladung Korn nach Stockholm

Es ist nirgends zu ersehen, dass in der Stadt Stralsund jemand näher um die Hauptgeschäfte des Freibeuters oder, wie man ihn damals nannte, Freischiffers Peter Jacobson gewusst habe. Dagegen ist sicher, dass Kaufleute oder ein Kaufmann durch ihn und seine Fahrzeuge Korn von dem schwedischen Pom­mern nach dem preußischen schaffen ließ, welches daran bereits Mangel empfand.

Dieser Kaufmann, an den Schiff und Ladung von Stockholm aus gesendet worden, war es denn auch, der die verhaftete Mannschaft des Schoners Merkur sowie das Schiff selbst re­quirierte.

Als jene Erstere zu diesem Zweck auf die Kommandantur ge­führt worden war, befand sich auch der Kaufmann dort, den wir Mallis nennen wollen, obwohl dies nicht sein richtiger Name war.

Herr Mallis war bekannt, gewagte Geschäfte zu betrei­ben und daher sollte auch, was leicht erklärlich war, sein Reich­tum stammen.

So wie die Entlassung der Leute stattgefunden hatte, übernahm Herr Mallis dieselben, schickte sie mit einem klingenden Ersatz ihrer Gefängnisleiden an Bord des Schoners und nahm van Swieten mit sich zum Essen, wie dies gewöhnlich von Reedern mit den Kapitänen oder Befehlshabern der Schiffe, die ihnen Waren zuführen, geschieht.

»Ich bedaure sehr den Unfall des Kapitäns«, sagte der Kauf­mann unterwegs zu dem Maat, »nebenbei wird dies am Ende auch unsere Geschäfte beeinflussen!«

»Das war wohl die Hauptsache, mein Herr Mallis!«, erwiderte der Holländer sehr langsam, »doch unter uns, der Kapitän ist nicht ertrunken, sondern nur an Land gegangen, ohne dass es jemand anderes als ich wusste.«

»Also in Geschäften, die nicht mit mir gemacht werden sollen?«, sagte der Kaufmann ärgerlich.

»Und die auch nicht mit Ihnen gemacht werden können«, entgegnete Swieten trocken, »doch ängstigen Sie sich nicht deshalb, Herr. Ihr Vorteil bleibt immerhin reichlich genug bemessen.«

»Nun, nun!«, machte Mallis mit einem prüfenden Seitenblick, »ich bin ja auch zufrieden; doch offen gesagt, kann ich aus den Angaben meines Korrespondenten nicht recht klug werden. Er schreibt mir, ich solle volles Vertrauen in den Kapitän setzen. Derselbe habe unbeschränkte Vollmacht und unbegrenzten Kre­dit – ist denn etwa Schiff und Ladung Eigentum des Kapitäns?«

»Das Schiff ja, die Ladung nicht!«, antwortete der Steuermann. »Diese gehört dem Absender und jetzt Ihnen gegen …«

»Ja, das weiß ich – nun, so oder so; wir werden uns schon ver­ständigen, wenn der Kapitän kommt.«

»Der kommt diesmal nicht, Herr!«, sagte Swieten; »Sie müssen sich schon mit mir begnügen!«

»Sie sind mir schon recht!«, meinte der Kaufmann lächelnd, »doch ich habe bereits so viel vom Kapitän Dyk gehört, dass ich ihn gerne kennen lernen möchte.«

Swieten gab dem Kaufmann nun den Blick, welchen jener erst auf ihn geworfen hatte, zurück, sagte jedoch nichts.

Inzwischen war man auch vor Mallis Haus angelangt und trat ein. Während des Essens benahm sich Swieten ganz wie ein Mann von Welt, wenigstens wie jemand, der nicht zum ersten Mal an dem Tisch eines reichen Mannes speist.

Frau und Tochter des Kaufmannes waren von Anfang an zuge­gen, ein Sohn desselben erschien erst später und wurde nach Be­endigung der Mahlzeit beauftragt, die Löschung der Ladung des Merkur zu beaufsichtigen.

Swieten empfahl sich und verließ in Begleitung des jungen Man­nes das Haus.

Mehrere Tage vergingen nun, während man sich tüchtig auf dem Schoner regte. Die alte Ladung wurde gelöscht und fortge­schafft, die neue, aus Roggen bestehend, eingenommen. Sie war beigestaut und das Schiff fast segelfertig, als eines Abends ein junger Seemann das Verdeck des Schoners betrat und nach dem Kapitän fragte.

Man führte ihn zu Swieten, der den kleinen Mann mit prüfen­dem Blick betrachtete und dann lächelte.

»Ihr kommt von Herrn Mallis?«, sagte der Holländer.

»Ja, Herr«, erwiderte jener.

»Und sollt am Bord bleiben?«

»Ganz recht.«

»Euer Name?«

»Joachim Nettelbeck.«

»Nun, Nettelbeck!«, sagte van Swieten, »die Leute müssen ihre guten Gründe gehabt haben, dass Sie Euch gerade schickten. Man kann der Schilderung niemals ansehen, was im Schiff steckt – Ihr aber, meine ich, versteht uns zu führen?«

»Ich verstehe es!«, sagte der junge Mann kurz.

»Dann kommt in die Kajüte!«

Es war am nächsten Morgen noch sehr früh, als der Schoner loswarf und von einer Anzahl seiner Matrosen aus dem inneren Hafen in den äußeren bugsiert wurde. Eine Stunde später kam ein Lotse an Bord, und der Anker, vor den man das Schiff gelegt hatte, wurde aufgenommen. Der Merkur lief und kreuzte den Gellen hinauf, dem rügenschen Boden und dem neuen Tief zu.

Im neuen Tief, welches man mittags klar machte, wurde der Schoner von einem der Wachschiffe angehalten und untersucht. Danach setzte er seine Reise fort und stand zwei Stunden vor Sonnenuntergang auf der Höhe von Wittow. Der Wind wehte steif aus Norden; in dem Augenblick war nirgend ein anderes Segel zu sehen.

»Es dürfte Zeit sein!«, sagte Nettelbeck zu Swieten, als er sich über jenen Umstand Gewissheit verschafft.

»Gut«, antwortete der Holländer und auf sein Kommando legte das Schiff um. Das Bugspriet desselben stand, als es wieder Fahrt gewonnen hatte, Ost mit einem Strich nach Süden.

Bei der scharfen Briese lief der Schoner unter seinen breiten Se­geln schnell wieder herab und es dauerte keine Stunde, bis man die Segel der verschiedenen Stationsschiffe erblickte.

Die Mannschaft sah verwundert auf Swieten und den für sie immer noch rätselhaften jungen Mann. Sie konnte die Absichten der beiden nicht erraten.

Dies fand auch offenbar seitens der Flottenschiffe nicht statt; wie konnten sie auch ahnen, dass der gerade auf sie herabkom­mende Bursche nicht zu ihnen gehöre.

Inzwischen trat die Abenddämmerung ein, ohne dass es eigentlich finster zu werden versprach. Der Schoner glitt bis zu der Linie der Kreuzer hinab, luvte hier einen Strich auf und ließ die schwedische Flagge zur Gaffel emporsteigen.

Es war ein kühnes Unternehmen, welches der alte Swieten nun, im Verein mit dem jungen Seemann, auszuführen im Begriff war.

Freilich konnte das Schiff sich als ein schwedisches ausweisen, seine Papiere waren für diesen Zweck in Ordnung, doch war es von seinem Kurs abgewichen und dies verdächtigt in Kriegs­zeiten jedes Fahrzeug.

Indessen rechneten die beiden kühnen Seeleute nicht darauf, visitiert zu werden, sondern nahmen an, dass man das Schiff für einen Aviso halten werde, wozu die kühne Takelage desselben über dem berechtigte.

Mehrere Stunden hindurch durfte denn auch von dem Schoner gelten, dass das Glück stets dem Mutigen hold sei. Man richtete zwar Nachtgläser auf den kecken Burschen, rief auch hier und da herüber, doch schien keins der Schiffe Verdacht zu fassen. Dagegen steuerte die vor Kolberg stationierte Fregatte dem Na­henden entgegen, vielleicht in der Vermutung, dass sie einen Be­fehl erhalten solle.

Sowohl Swieten als auch Nettelbeck erkannten dies sofort, aber ihrem Ziel so nahe, hatten sie nicht mehr Lust, sich einer Visitation zu un­terwerfen.

»Nun, Herr!«, meinte der junge Seemann, »wenn Ihr mir jetzt das Kommando überlassen wollt, dürfte es gut sein!«

»Gut!«, antwortete Swieten.

Nettelbeck trat an das Steuerrad, gab einen Befehl und ließ, während die Mannschaft an den Brassen arbeitete, den Schoner um ganze acht Strich der Windrose abfallen. Der Merkur rannte wie ein scheues Pferd der Küste zu.

Nun war es heraus. Auf der Fregatte ertönte Pfeifen und Kommando, ein Anruf schien den Offizieren derselben gar nicht mehr nötig. Die kühne Wendung, welche der junge Nettelbeck, hier sein erstes Debüt als kühner Schiffer gebend, den Schoner machen ließ, hatte alles verraten. Es gab sogleich Feuer.

Swieten sah indessen mit Bewunderung auf den kühnen Jüngling. Die kleine Gestalt desselben schien doppelt so groß zu werden, seine Augen blitzten durch die Nacht und seine Griffe in das Rad verrieten eine bedeutende physische Kraft.

»Jetzt wollen wir einmal sehen, was Eure Jungen in der alten Flora leisten!«, rief er Swieten zu und jeden Augenblick ertönte ein neues Kommando über das Verdeck hin. Die Matrosen kamen nicht zu Atem.

Doch die alte Flora machte auch ihrem neuen Namen Ehre. Sie schoss wie ein echter Meertümmler, bald hierhin, bald dorthin, sodass die schwedische Fregatte in keine bestimmte Lage zu dem Schoner kommen konnte.

Inzwischen wurden die nächsten Schiffe durch das Geschützfeuer herbeigerufen. Sie kamen in Sicht und begannen ebenfalls die Jagd.

»Jetzt merkt auf!«, sagte Nettelbeck, »ich will meinen Namen nicht länger mit Recht führen, wenn nicht ein Paar dieser Burschen in der nächsten Stunde festsitzen!«

Swieten sagte nichts. Er bat gewiss dem jungen Mann im Stillen ab, wenn er ihn früher gering schätzte.

Nettelbeck manövrierte indessen mit derselben Kühnheit weiter. Die genaue Kenntnis der Ostsee, durch welche er später einen so bedeutenden Ruf erwarb, erleichterte ihm seine Aufgabe. Während er sich dem Hafen seiner Vaterstadt näherte, verleitete er seine Verfolger, ihm zwischen die Riffe, welche sich am norddeutschen Strand in drei Parallelen hinziehen, zu folgen.

Bald genug auch zeigte sich die Wirkung davon. Die schwedischen Seeleute mit den Pforten derselben unbekannt, wollten fort und fort ihre Bewegungen ausführen wie früher. Noch ehe eine halbe Stunde vergangen war, saß eine der Fregatten fest.

»Jetzt den Adler hoch«, rief Nettelbeck.

Swieten lächelte und die preußische Flagge zeigte sich an der Gaffel. Die Schweden mussten sie in der hellen Sommernacht erkennen.

Die Schiffe hatten sich während der Zeit dem Land genähert. Die heftige Kanonade hatte die Aufmerksamkeit der Kolberger erregt. Einige derselben wussten ja, was sie zu bedeuten hatten und warteten mit Sehnsucht auf dieselbe.

Auf dem Fort Münde zeigte sich ein starkes Licht und diesem zu kehrte Nettelbeck sofort den Schoner. Die Schweden nahmen unter fortgesetztem Feuer die Richtung auf.

Doch bald saß auch der zweite Verfolger fest. Nach kurzer Zeit mischten sich die schweren Stücke des Forts in die Sache und zwangen nunmehr die dritte Fregatte zurückzubleiben.

Für Nettelbeck galt es indessen nun einen sicheren Blick und eine feste Hand zu zeigen. Er zeigte beides; einem edlen Renner gleich, der im wildesten Lauf doch seinem Herrn auf das leiseste Zeichen gehorcht, lief der Schoner herab und mit vollen Segeln in die schmale Mündung der Persante hinein. Das Bollwerk des Ufers war mit Menschen bedeckt, die in ein lautes Hurra ausbrachen. Die schwedischen Matrosen des Schoners, die aus alter Gewohnheit ihre Schuldigkeit getan hatten, wussten sicher nicht, wie ihnen geschah.

Sobald das Schiff Segel geborgen und befestigt hatte, sprang Nettelbeck an Land und auf einen höheren Offizier zu, der ihm erst die Hand reichte, dann aber umarmte.

Es war der Oberst von Heyden, damals Kommandant von Kolberg, in welcher Festung es bereits am Getreide mangelte; derselbe ließ sich auch Swieten vorstellen, dankte ihm und fragte eifrig nach dem Kapitän Jacobson.

Inzwischen war bereits der Raum des Schiffes geöffnet worden. Eine Anzahl Männer von Gewicht übernahmen die Verteilung des Getreides an die herbeistürmenden Verlangenden.

Während des ganzen Restes der Nacht strömten Leute aus der Festung zum Hafen und zurück, um ihren Anteil an dem damals bereits selten gewordenen Getreide zu erhalten.

Swieten und Nettelbeck mussten sofort den Kommandanten begleiten. Ersterer wurde überall mit Auszeichnung aufgenommen.

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