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Des Freiherrn von Münchhausen wunderbare Reise und Abenteuer … 14

Des Freiherrn von Münchhausen
wunderbare Reise und Abenteuer zu Wasser und zu Lande, wie er dieselbe bei der Flasche im Zirkel seiner Freunde selbst zu erzählen pflegte
Mit 16 Federzeichnungen von Hosemann
Neue Originalausgabe, Dieterich’schen Buchhandlung Göttingen, Berlin, 1840

Des Freiherrn von Münchhausen Seeabenteuer

Achtes Seeabenteuer

Ohne Zweifel haben Sie von der letzten nördlichen Entdeckungsreise des Kapitäns Phipps – gegenwärtigen Lords Mulgrave – gehört. Ich begleitete den Kapitän – nicht als Offizier, sondern als Freund. – Da wir unter einen ziemlich hohen Grad nördlicher Breite gekommen waren, nahm ich mein Teleskop, mit dem ich Sie bei der Geschichte meiner Reise nach Gibraltar schon bekannt gemacht habe, und betrachtete die Gegenstände, die ich nun um mich hatte. Denn, im Vorbeigehen gesagt, ich halte es immer für gut, sich von Zeit zu Zeit einmal umzusehen, vorzüglich auf Reisen.

Ungefähr eine halbe Meile von uns schwamm ein Eisgebirge, das weit höher als unsere Masten war. Auf demselben sah ich zwei weiße Bären, die meiner Meinung nach in einem hitzigen Zweikampf begriffen waren. Ich hing sogleich mein Gewehr um und machte mich zu dem Eis hin, fand aber, als ich erst auf den Gipfel desselben gekommen war, einen unaussprechlich mühsamen und gefahrvollen Weg. Oft musste ich über schreckliche Abgründe springen. An andern Stellen war die Oberfläche so glatt wie ein Spiegel, sodass meine Bewegung ein beständiges Fallen und Aufstehen war. Doch endlich kam ich so weit, dass ich die Bären erreichen konnte. Zugleich sah ich auch, dass sie nicht miteinander kämpften, sondern nur spielten.

Ich überrechnete schon den Wert ihrer Felle – denn jeder war wenigstens so groß wie ein gut gemästeter Ochse. Allein, indem ich eben mein Gewehr anlegen wollte, glitschte ich mit dem rechten Fuß aus, fiel rückwärts nieder und verlor durch die Heftigkeit des Schlages, den ich tat, auf eine kleine halbe Stunde alles Bewusstsein.

Stellen Sie sich mein Erstaunen vor, als ich er wachte und fand, dass eins von den oben genannten Ungeheuern mich herum auf mein Gesicht gedreht hatte und gerade den Bund meiner neuen ledernen Hose packte. Der obere Teil meines Leibes steckte unter seinem Bauch und meine Beine standen voraus. Gott weiß, wohin mich die Bestie geschleppt hätte; aber ich kriegte mein Taschenmesser heraus – dasselbe, was Sie hier sehen – packte seinen linken Hinterfuß und schnitt ihm drei von seinen Zehen ab. Nun ließ er mich sogleich fallen und brüllte fürchterlich. Ich nahm mein Gewehr auf, feuerte auf ihn, so wie er weglief, und plötzlich fiel er nieder. Mein Schuss hatte nun zwar eins von diesen blutdürstigen Tieren auf ewig eingeschläfert, aber mehrere Tausende, die in dem Umkreis von einer halben Meile auf dem Eis lagen und schliefen, aufgeweckt. Alle miteinander kamen spornstreichs angelaufen.

Zeit war nicht zu verlieren; ich aber war verloren oder ein schneller Einfall musste mich retten. Er kam. Etwa in der Hälfte der Zeit, die ein geübter Jäger braucht, um einem Hasen den Balg abzustreifen, zog ich dem toten Bären seinen Rock aus, wickelte mich hinein und steckte meinen Kopf gerade unter den seinen. Kaum war ich fertig, so versammelte sich die ganze Herde um mich herum. Mir wurde heiß und kalt unter meinem Pelz. Indessen meine List gelang mir vortrefflich. Sie kamen, einer nach dem anderen, berochen mich und hielten mich augenscheinlich für einen Bruder Petz. Es fehlte mir auch nichts als die Größe, um ihnen vollkommen gleich zu sein. Verschiedene Junge unter ihnen waren nicht viel größer als ich. Als sie alle mich und den Leichnam ihres verschiedenen Gefährten berochen hatten, schienen wir sehr gesellig zu werden; auch konnte ich alle ihre Handlungen so ziemlich nachmachen, nur im Brummen, Brüllen und Balgen waren sie meine Meister. So sehr ich aber wie ein Bär aussah, so war ich doch noch Mensch. Ich fing an zu überlegen, wie ich die Vertraulichkeit, die zwischen mir und diesen Tieren sich erzeugt hatte, wohl auf das Vorteilhafteste benutzen könnte.

Ich hatte ehedem von einem alten Feldscher gehört, dass eine Wunde im Rückgrat augenblicklich tödlich sei. Hierüber beschloss ich nun einen Versuch anzustellen. Ich nahm mein Messer wieder zur Hand und stieß es dem größten Bären nahe bei den Schultern in den Nacken. Allerdings war dies ein sehr gewagter Streich. Es war mir auch nicht wenig bange. Denn das war ausgemacht: Überlebte die Bestie den Stoß, so würde ich in Stücke gerissen werden. Allein mein Versuch gelang glücklich; der Bär fiel tot zu meinen Füßen nieder, ohne einmal zu mucksen. Nun nahm ich mir vor, allen Übrigen auf eben die Art den Rest zu geben. Dies wurde mir auch gar nicht schwer, denn, ob sie gleich ihre Brüder zur Rechten und zur Linken fallen sahen, so hatten sie doch kein Arg daraus. Sie dachten weder an die Ursache noch an die Wirkung des Niedersinkens, und das war ein Glück für sie und für mich. Als ich sie alle tot vor mir liegen sah, kam ich mir vor wie Simson, als er die Tausende erschlagen hatte.

Die Sache kurz zu machen: Ich ging zum Schiff zurück und bat mir drei Teile des Volkes aus, die mir helfen mussten, die Felle abzustreifen und die Schinken an Bord zu tragen.

Wir waren in wenig Stunden damit fertig und beluden das ganze Schiff damit. Was übrig blieb, wurde ins Wasser geworfen, ungeachtet ich nicht zweifle, dass es, gehörig eingesalzen, ebenso gut schmecken würde wie die Keulen.

Sobald wir zurückkamen, schickte ich einige Schinken im Namen des Kapitäns an die Lords von der Admiralität, andere an die Lords von der Schatzkammer, etliche an den Lordmajor und den Stadtrat von London, einige wenige an die Handelsgesellschaften und die Übrigen an meine besonderen Freunde. Von allen Orten bezeugte man mir den wärmsten Dank, die City aber erwiderte mein Geschenk auf eine sehr nachdrückliche Art, nämlich durch eine Einladung, jährlich an dem Wahltag des Lordmajor im Rathaus zu speisen.

Die Bärenfelle schickte ich an die Kaiserin von Russland als Winterpelze für ihre Majestät und ihren Hof. Sie dankte mir dafür in einem eigenhändigen Brief, den sie mir durch einen außerordentlichen Gesandten überschickte und worin sie mir anbot, mit ihr die Ehre ihres Bettes und ihrer Krone zu teilen. Allein da es mich eben nie sehr nach königlicher Würde gelüftet hat, so lehnte ich Ihrer Majestät Gnade in den feinsten Ausdrücken ab. Eben derselbe Ambassadeur, der mir das kaiserliche Schreiben brachte, hatte auch den Auftrag, zu warten und Ihrer Majestät meine Antwort persönlich zurückzubringen. Ein zweiter Brief, den ich bald danach von der Kaiserin erhielt, überzeugte mich von der Stärke ihrer Leidenschaft und der Erhabenheit ihres Geistes.

Ihre letzte Krankheit kam, wie sie – die zärtliche Seele – sich in einer Unterredung mit dem Fürsten Dolgoroucki zu erklären geruhte, allein von meiner Grausamkeit her. Ich weiß nicht, was die Damen an mir finden, aber die Kaiserin ist nicht die Einzige ihres Geschlechts, die mir vom Thron ihre Hand anbot.

Einige Leute haben die Verleumdung ausgestreut, Kapitän Phipps sei auf seiner Reise nicht so weit gegangen, wie er wohl hätte tun können. Allein hier ist es meine Schuldigkeit, ihn zu verteidigen. Unser Schiff war auf einem recht guten Weg, bis ich es mit einer solchen ungeheuren Menge von Bärenfellen und Schinken belud, dass es Tollheit gewesen sein würde, einen Versuch zu machen, weiterzugehen, da wir nun kaum imstande waren, nur gegen einen etwas frischen Wind zu segeln, geschweige gegen jene Gebirge von Eis, die in den höheren Breiten liegen.

Der Kapitän hat seitdem oft erklärt, wie unzufrieden er fei, dass er keinen Anteil an dem Ruhm dieses Tages habe, den er sehr emphatisch den Bärenfelltag nennt. Dabei beneidet er mich nicht wenig wegen der Ehre dieses Sieges und versucht auf alle Art und Weise dieselbe zu schmälern. Wir haben uns schon öfter hierüber gezankt und sind auch jetzt noch über den Fuß gespannt. Unter anderen behauptet er, ich dürfe mir das nicht zum Verdienst anrechnen, dass ich die Bären betrogen habe, da ich mit einem ihrer Felle bedeckt gewesen sei. Er hätte ohne Maske unter sie gehen wollen und sie hätten ihn doch für einen Bären halten sollen.

Dies ist nun ein Punkt, den ich für allzu zart und spitz halte, als dass ein Mann, der auf gefällige Sitten Anspruch macht, mit irgendjemand, am allerwenigsten mit einem edlen Pair darüber streiten darf.

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