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Andreas Brandhorst – Mars Discovery

Andreas Brandhorst
Mars Discovery

Science Fiction, Paperback, Klappenbroschur, Piper-Verlag, München, Januar 2021, 464 Seiten, 18,00 €, ISBN 9783492705134

»Hinein, hindurch … und darüber hinaus!«
Das schwarze Loch (1979)

Im Februar des Jahres 2031 ist es so weit – die Menschheit bricht zum Roten Planeten auf. Für die an Bord des passenderweise Mars Discovery getauften Raumkreuzers befindlichen dreizehn internationalen Besatzungsmitglieder ist es eine Reise ohne Rückfahrschein; eine Lebensaufgabe – das Errichten der ersten Marskolonie einschließlich des dauerhaften Nahrungsanbaus und der In-vitro-Fertilisation von mitgeführten tierischen wie menschlichen Eizellen. Oberflächlich trifft dies auch auf Kommandantin Eleonora Delle Grazie zu, deren Gepäck allerdings zwei Geheimnisse beinhaltet. Sie gehört einem winzigen Kreis Eingeweihter an, die von einer ersten Marsmission Kenntnis besitzen; gestartet am Ende des 20. Jahrhunderts. Eine Mission, deren Ausgang desaströs endete – mit auf den ersten Blick bis zum heutigen Tage unbekannter Ursache. Dies war Eleonoras Antrieb, eines Tages im Kommandosessel eines zweiten Missionsraumschiffs gen Mars zu sitzen – immerhin starben damals ihre Eltern. Das zweite Geheimnis ist ein simpler Speicherchip, einzig für Eleonore bestimmt, der eine unfassbare Wahrheit beinhaltet, verknüpft mit dem Schicksal ihrer Eltern.

Während sie an Bord der Discovery noch hadert, steht auf Mutter Erde eine gravierende, historische Wachablösung an. Was mit der Freisetzung eines Computervirus durch einen Hacker begann (siehe Das Erwachen, Piper 2017) ist zu einer perfekt vernetzten künstlichen Intelligenz angewachsen, die das Leben aller Menschen kontrolliert – und somit das interne Computersystem des Raumkreuzers. (Siehe Die Eskalation, Piper 2020.) Doch herrscht respektive dominiert die KI nicht, vielmehr bietet sie den Crewmitgliedern eine Zusammenarbeit an, strebt nach Symbiose zwischen Mensch und Maschine und bewahrt die Discovery sogar vor einer Katastrophe. Doch nicht jedes Besatzungsmitglied ist mit der Offerte der künstlichen Intelligenz einverstanden. Die Landung und das Errichten der ersten Siedlung gelingen, doch der Graben innerhalb der Besatzung bleibt. Auch die Aussicht jenes in einem Krater und wohl seit Millionen von Jahren steckende Objekt näher zu untersuchen – das höchstwahrscheinlich das Ende der ersten Marsmission besiegelte – will die Stimmung nicht lockern. Doch ahnen weder Eleonora noch die anderen, welche Geheimnisse darauf warten, befreit zu werden und wohin sie dies führen wird …

Bereits in Brandhorsts letztem Roman Die Eskalation, dem Vorgänger von Mars Discovery, wurde der Aufbruch zum äußeren Nachbarn der Erde geteasert. Erster Gedanke? Wie kann das funktionieren; konkreter – kann das funktionieren? Unterliegt man etwa einem Irrtum? Brandaktuell ist es ja, das Thema. Immerhin haben wir seit Kurzem eine Delegation dort oben. Okay, es ist nur ein ferngesteuerter Rover auf dem Mars, aber immerhin. Die ersten 50 bis 60 Seiten bekräftigen besagten, möglichen Irrtum – bis Brandhorst den Anker auswirft, bei der Eskalation ankoppelt und klar macht, dass beides untrennbar miteinander verbunden ist. Wer neu dabei sein sollte, muss indessen nicht mit Nebenwirkungen rechnen; der Stil ist so furios, dass man am Ball bleiben will – und gleichzeitig Appetit auf die höchst empfehlenswerten Vorgänger bekommt; was für die erzählerische Qualität des Autors spricht. Aber wer mit einem reinen Mars-Roman spekuliert, der könnte … ein blaues oder besser rotes Wunder erleben, lässt man sich darauf ein. Kurz nach dem ersten Drittel zündet Brandhorst die eigentlichen Triebwerke und erreicht stetig Lichtgeschwindigkeit. So wächst das vermeintlich klassische Space-Abenteuer mit vertrauten Ingredienzen über sich hinaus und es entsteht ein mitunter visionärer Entwurf, Hard Science Fiction, die auch Leute vom Schlag eines Stephen Baxter oder Peter F. Hamilton kaum besser gestalten könnten. Doch nicht in Panik verfallen: Brandhorst fabuliert schmissig und weiß um die Kontraproduktivität von drögem Technobabble; obwohl ein gewisses Basiswissen durchaus angebracht ist. Warum visionär? Weil Brandhorst gleich mehrere seiner erdachten Welten verknüpft und mit Raum, Zeit und den Dimensionen jongliert. Grenzen? Fehlanzeige. Hier ist eindeutig der Weg das Ziel. Wobei – ist das Ziel erreicht? Oder erwartet uns … mehr? Falls Sie mitlesen, Herr Brandhorst: sehr, sehr gerne. Doch zunächst kommt im Sommer Sleepless an die Reihe, dem gewiss nicht nur ich entgegenfiebere.

(ts)

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