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Abenteuer des Captains Bonneville 44

Washington Irving
Abenteuer des Captains Bonneville
oder: Szenen jenseits der Felsengebirge des fernen Westens
Verlag von J. D. Sauerländer. Frankfurt am Main, 1837

Dreiundvierzigstes Kapitel

Abreise des Captain Bonneville zum Columbia River – Vorrücken des Captain Wyeth – Anstrengung, die Vorhand zu behalten – Eine Partie der Hudsonʼs Bay Company – Eine Gasterei – Ein köstlicher Trank – Honig und Alkohol– Arges Zechen – Der kanadische Bonvivant – Eine Versteckgrube – Ein schneller Marsch – Captain Wyeth und seine Pläne – Seine Reisegefährten – Noch mehr Schmausereien – Eine Unterbrechung

Es war am 3. Juli, dass Captain Bonneville zum zweiten Mal zu den Ufern des Columbia River an der Spitze von dreiundzwanzig Mann aufbrach. Er reiste, um seine Pferde munter zu erhalten, gemächlich, bis zum 10. Juli, wo ihm ein Kundschafter die Nachricht überbrachte, dass Captain Wyeth mit seiner Gruppe nur etwa fünfzig Meilen hinter ihm sei und in möglichster Eile nachkomme.

Dies verursachte einigen Lärm im Lager, denn es war wichtig, zuerst in den Büffelbezirken anzukommen, um sich Provision für die Reise zu verschaffen. Da die Pferde zu schwer beladen waren, so wurde so schnell wie möglich eine Versteckgrube gegraben, um alles überflüssige Gepäck in derselben unterzubringen.

Als sie eben beendigt war, sprang auf dem Boden derselben eine Quelle aus der Erde. Es wurde daher eine zweite Versteckgrube, etwa zwei Meilen weiter gegraben. Als sie aber eben im Begriff waren, ihre Effekten hineinzulegen, sahen sie einen Reiterzug mit Packpferden über die Ebene kommen, der sich ganz in der Nähe lagerte.

Es zeigte sich, dass es eine kleine Gruppe im Dienste der Hudsonʼs Bay Company war, die unter dem Befehl eines kanadischen Veteranen stand; einem jener kleinen

Anführer, die mit einer geringen Partie von Leuten und einem kleinen Vorrat von Waren verwendet werden, einer Bande von Indianern aus einem Jagdrevier in das andere zu folgen und ihre Rauchwaren einzuhandeln.

Da der Captain vonseiten der Hudsonʼs Bay Company mehrmals Höflichkeitserweisungen empfangen hatte, so schickte er eine Einladung an die Offiziere der Partie zu einem Abendessen und beschäftigte sich mit den Zubereitungen hierzu.

Da die Nachtluft in diesen hohen Gegenden bisweilen sehr kalt zu sein pflegt, so wurde bald ein loderndes Feuer angezündet, das statt eines Sommernachtsbanketts es einem Weihnachtsessen Ehre gemacht hätte. Die Partien kamen als gute Kameraden zusammen. Es war Überfluss an allem vorhanden, was die Jagd in der Nähe darbieten konnte. Es wurde mit dem gesunden Appetit der Gebirgsjäger verzehrt.

Sie schwatzten über alle Begebenheiten ihrer letzten Feldzüge; allein der kanadische Veteran war in einigen seiner Unternehmungen nicht glücklich gewesen und runzelte düster die Stirn. Captain Bonneville bemerkte seinen beginnenden Spleen und bedauerte, dass er keinen Rebensaft habe, ihn zu beschwören.

Der Verstand des Menschen in der Wildnis wird aufgeweckt und erfinderisch. Es fiel dem Captain ein Gedanke bei, wie er sich einen köstlichen Trank bereiten könne. Unter seinen Vorräten befand sich ein frisch geleertes Honigfass. Dieses füllte er mit Alkohol an und rührte die geistigen und süßen Ingredienzien durcheinander. Man kann sich den glücklichen Erfolg leicht vorstellen, es war eine glückliche Mischung des Starken mit dem Süßen, hinreichend, die mürrische Stimmung des Gemüts zu beschwichtigen und den solidesten Verstand zu verrücken.

Der Trank wirkte bezaubernd: Die Kanne ging froh im Kreis herum und der erste tüchtige Schluck verscheuchte alle Sorgen aus der Seele des Veteran; ein zweiter erhob seinen Geist in die Wolken. Es war in der Tat ein fröhlicher Kamerad, wie alle kanadische Veteranen zu sein pflegen. Er wurde nun ruhmredig, sprach von allen seinen Taten, seinen Jagden, seinen Gefechten mit den indianischen Braven und seinen Liebesabenteuern mit indianischen Schönen, sang Bruchstücke aus alten französischen Liedern und kanadischen Schiffergesängen, trank immer tiefer und tiefer und sang immer lauter und lauter, bis er den höchsten Gipfel trunkener Fröhlichkeit erreicht hatte. Nach und nach fing er an zu nicken und fiel endlich im festen Schlaf zu Boden. Nachdem er lange geschlafen hatte, richtete er sich abermals auf, nahm noch einen weiteren Schluck vom Süßen und Starken, flackerte dann abermals mit französischer Fröhlichkeit auf und sank wieder in den Schlaf.

Der Morgen fand ihn noch auf dem Schlachtfeld, allein in einer traurigen und kummervollen Lage, da er die Strafe des genossenen Vergnügens erlitt und sich

unter wiederholtem Erbrechen und Krämpfen der süßen Mischung des Captain erinnerte. Es schien, als ob der Honig und der Alkohol, der ihm so sanft und schlüpfrig über die Zunge geglitten war, sich mit seinem Magen im Krieg und ein Schwarm Bienen in seinem Kopf befände. Kurz, sein Zustand war so traurig und trübselig, dass seine Partie sich ohne ihn auf den Weg machte, indem ihnen der Captain versprach, ihn im Laufe des Tages wohlbehalten nachzubringen.

Sobald diese Partie weg war, schritt Captain Bonneville mit seinen Leuten dazu, ihre Versteckgrube zu machen und anzufüllen. Als sie eben damit fertig waren, entdeckte man die Partie des Captain Wyeth in der Entfernung. Augenblicklich war alles in Tätigkeit, sich wieder auf den Weg zu machen. Die Pferde wurden angeschirrt und aufgestiegen. Da sie um einen großen Teil ihrer Last erleichtert waren, so waren sie

imstande, sich geschwinder zu bewegen. Was den würdigen Gast von dem vorhergehenden Abend anbelangt, so wurde er von seinem Jägerlager sorgfältig

aufgehoben, auf dem er sanft und schläfrig hingestreckt lag, dann auf eins der Pferde gepackt und mit ihm fortgejagt, sodass er bei jedem Stoße aufschrie und ächzte.

Im Laufe des Tages holte Captain Wyeth, der sich leicht beritten an der Spitze seiner Gruppe befand, den Captain Bonneville ein. Ihr Zusammentreffen war freundschaftlich und höflich. Sie erzählten sich einander vertraulich die beiderseitigen Begebenheiten, die sie erlebten, seitdem sie sich am Ufer des Dickhorn voneinander getrennt hatten. Captain Wyeth kündigte seine Absicht an, einen kleinen Handelsposten an der Mündung des Portneuf anzulegen und dort einige seiner Leute mit einer Menge Güter zurückzulassen, um mit den benachbarten Indianern zu handeln. Er war in der Tat zu dieser Maßregel gezwungen, weil sich die Rocky Mountain Fur Company geweigert hatte, einen Vorrat von Gütern anzunehmen, den er, laut Accord, für sie mitgebracht hatte und über die er auf andere Weise nicht verfügen konnte.

Er benachrichtigte den Captain Bonneville ferner, dass die Streitigkeiten zwischen der Rocky Mountain Fur Company und der American Fur Company, die bisher zu

nichtswürdiger Hinterlist und tödlichen Zwisten geführt hätten, beigelegt seien, indem sie das Land unter sich geteilt und sich Grenzen gesteckt hätten, innerhalb welcher sie sich im Handel und Jagen zu beschränken hätten, sodass keine auf das Gebiet der anderen überschreite.

In der Gesellschaft des Captain Wyeth reisten zwei Gelehrte, Herr Ruttall, ein Botaniker, derselbe der, zur Zeit der Expedition nach Astoria, den Missouri hinabfuhr, und Herr Townshend, ein Ornithologe. Von diesen beiden Gentlemen dürfen wir wichtige Nachrichten über diese merkwürdige Gegenden erwarten. Es befanden sich auch drei Missionare dabei, die zu den Ufern des Columbia River wollten, um das Licht des Evangeliums in jener weiten Wüste zu verbreiten.

Nachdem sie einige Zeit in freundschaftlicher Unterhaltung miteinander geritten waren, kehrte Captain Wyeth zu seiner Partie zurück und Captain Bonneville reiste eilig weiter, um einen Vorsprung zu gewinnen. Gegen Abend schickte er den traurig-moralisierenden, nüchtern gewordenen Führer der Hudsonʼs Bay Company unter einer eigenen Bedeckung seinen Leuten nach, deren Weg in einer ganz verschiedenen Richtung lag. Letzterer nahm von seinem Wirt einen herzlichen Abschied, in der Hoffnung, bei einer späteren Gelegenheit, die ihm gewordene gastfreundschaftliche Bewirtung auf gleiche Art zu vergelten.

Am folgenden Morgen war der Captain wieder frühzeitig auf dem Marsch und schickte Kundschafter voraus, um Berg und Täler nach Büffeln zu durchspähen. Er hatte zuversichtlich erwartet, an den Quellen des Portneuf Wild im Überfluss anzutreffen. Als er aber jene Gegenden erreichte, war auch nicht eine Spur zu sehen. Endlich entdeckte einer der Kundschafter, der einen weiten Umweg zu den Quellen des Blackfeed River genommen hatte, große Herden von Büffeln, die ruhig in den umliegenden Wiesen grasten. Er machte sich auf den Rückmarsch, um seine Entdeckung mitzuteilen, und wurde wohlwollend und gastfreundlich im Lager des Captain Wyeth aufgenommen. Sobald es tagte, eilte er mit der angenehmen Nachricht in sein eigenes Lager, und gegen 10 Uhr desselben Morgens befand sich Captain Bonneville mitten unter dem Wild.

Die Packstücke waren kaum von den Maultieren abgeladen, als die Läufer, welche die flinksten Pferde ritten, sich schon in voller Jagd auf die Büffel befanden. Andere seiner Leute waren beschäftigt, Gestelle aufzuschlagen und Einrichtungen zu treffen, das Fleisch zu salzen und zu trocknen. Wieder andere zündeten zu demselben Endzweck große Feuer an. Bald erschienen auch die Jäger, die ausgewählte Stücke Büffelfleisch brachten. Diese wurden auf die Gestelle aufgehangen. Das ganze Lager bot ein Schauspiel geschäftiger Tätigkeit dar.

Mit Tagesanbruch am nächsten Morgen zogen die Jäger wieder aus; und das mit dem nämlichen Erfolg. Nach einer Pause, die sie machten, um auszuruhen, hielten sie eine dritte und letzte Jagd gegen 12 Uhr, denn um diese Zeit bekamen sie die Brigade des Capitain Wyeth zu Gesicht.

Da das Wild nun in ein entferntes Thal getrieben worden war, so wurde Captain Wyeth genötigt, sein Lager dort aufzuschlagen. Er kam aber am Abend, dem

Captain Bonneville einen Besuch abzustatten. Er war vom Captain Stewart begleitet, der eine Lustreise machte und seinen Appetit nach dem abenteuerlichen Leben der

Wildnis noch nicht gestillt hatte. Bei ihm befand sich ebenfalls ein Herr McKay, ein Halbblut und Sohn des unglücklichen Abenteurers desselben Namens, der mit der ersten Seeexpedition nach Astoria kam und in dem Touquin aufflog. Sein Sohn war in Diensten der britischen Pelzhandels-Company aufgewachsen, ein vorzüglicher Jäger und wagehalsiger Parteigänger. Er hatte überdies einen Pachthof im Tal des Wallamut.

Als diese drei Gäste das Lager des Captains erreichten, waren sie erstaunt, nicht mehr als ihn und drei seiner Leute in demselben zu finden, da seine Brigade nach allen Richtungen hin zerstreut war, um die gegenwärtige Jagd so viel wie möglich zu benutzen. Sie machten ihm Vorwürfe über die Unklugheit, in einer

so gefahrvollen Gegend mit einer so geringen Wache im Lager zu bleiben. Captain Bonneville rechtfertigte die Politik seines Benehmens. Er nahm nie Anstand, alle

seine Jäger auszuschicken, wenn ein wichtiger Zweck erreicht werden sollte. Die Erfahrung lehrte ihn, dass er ganz sicher sein konnte, wenn seine Leute in die Umgegend zerstreut waren. Er war dann sicher, dass sich ihm kein Feind in irgendeiner Richtung nähern konnte, ohne von seinen Jägern wahrgenommen zu werden, die ein zu scharfes Auge hatten, um nicht das geringste Anzeichen von der Annäherung der Indianer bemerken zu können, und dass diese ihn sogleich im Lager davon benachrichtigen würden.

Der Captain schritt nun mit seinen Leuten dazu, seine Gäste auf eine angemessene Weise zu bewirten. Es war eine Zeit der Fülle in dem Lager, von allen Leckerbissen der Jagd, von Büffelrückenstücken und Zungen, gebratenen Rippen und Markknochen, alle in Jägermanier zubereitet und in solcher Menge aufgetragen, wie man solches nur in einem füllereichen Jagdrevier kennt, und mit einem Appetit verzehrt, der unsere winzigen Stadtschmarotzer in Erstaunen setzen würde. Was

aber über alles ging, war, dass der Captain, um diesem wahrhaft männlichen Gastmahl eine bacchantische Würze zu geben, sein Fässchen mit dem selbstgebrauten, honigsüßen Nektar herbeiholte, der so mächtig auf die Sinne des Veteranen der Hudsonʼs Bay Company gewirkt hatte. Es wurde nun wieder wacker gezecht. Nie erregte ein Trank eine größere Fröhlichkeit oder erhielt so feurige

Lobsprüche.

Die Partien machten wackere Fortschritte in diesem glückseligen Zustand, der ihnen am nächsten Tag reichliche Ursache zur Reue gegeben haben würde. Und die

Bienen fingen bereits an, ihnen um die Ohren zu summen, als eilig ein Bote mit der Nachricht ins Lager kam, dass Captain Wyeths Leute in eine jener tiefen und furchtbaren Schluchten geraten seien, die mit ungeheuren, vulkanischen Felsbruchstücken angefüllt waren, um die oberen Gewässer des Blackfeed River das ganze Land zu durchschneiden.

Das Gelage hatte sogleich ein Ende und das Fässchen mit dem süßen und mächtig wirkenden, selbst gebrauten Getränk wurde verlassen. Die Gäste reisten in aller Eile ab, um ihren verirrten Gefährten aus der vulkanischen Schlucht herauszuhelfen.

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