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Ein Ostseepirat Band 1 – Unverhofftes Wiedersehen

Carl Schmeling
Ein Ostseepirat
Historischer Roman
Erster Band
XIII.

Unverhofftes Wiedersehen

»Feuer!«, ertönte es durch die finstere Herbstnacht.

»Feuer, Feuer!«, erschallte es wiederholt durch das Brausen des heftigen Nordost-Sturmes.

»Feuer, Feuer, Feuer!«, gellte es in den verschiedensten Tonarten, aus Hunderten von Kehlen durch das Sturmgebraus und das Tosen der brandenden Wogen, während die Lohe emporschlug, die bisher rabenschwarze Nacht zu erhellen und die Sturmglocke ihr immer eiliger werdendes Klagegestöhne zu heulen begann.

Höher und höher züngelte die Flamme auf. Die Nacht wurde zum Tag, Sturm, Regen und Glut begannen einen fürchterlichen Kampf, in dem die Kraft des Menschen nicht mitzählen zu sollen schien.

Ängstlich liefen halb und fast ganz nackte Männer, Frauen und Kinder umher, bald einander, bald ihre Habe zu retten suchend. Ihre ersten Schreckensrufe gingen in anhaltendes Jammergeschreis über. Es war eine grausige Szene, welche die Flamme beleuchtete, während sie zugleich das Firmament erglühen ließ und ihren Schein sicher auf zehn Meilen in die Runde durch die Nacht sandte.

Denn es war das Dorf Kloster auf Hiddensee, welches brannte; Kloster, am Abhang des Bakenberges wie eine Hochwarte gelegen und deshalb auch völlig der Wut des Sturmes ausgesetzt. Heulend, brausend und pfeifend, strich dieser über die tobende See mit schneidender Kälte und Regen daher, die Glut immer ärger anzufachen. Das halbe Dorf stand bereits in Flammen, ehe die Bewohner von dem benachbarten Grieben und Vitte anlangten, um Hilfe zu leisten.

Von den Bewohnern des Ortes hatte niemand an Löschen gedacht; der jähe Schreck hatte alle, vom Ersten bis zum Letzten, der Besinnung beraubt. Denn um die Mitte des vorigen Jahrhunderts war eine Feuersbrunst ein bei Weitem furchtbareres Ereignis, wie heute.

Doch von Grieben war eine Spritze und mit ihr der Besitzer derselben, der Major, angelangt, welcher sich nun bemühte, seiner Stimme, seiner Maschine und der Vernunft Geltung zu verschaffen.

Doch sein Bemühen war vergeblich. Der Mut wie die Kraft der Unglücklichen war gelähmt, sie sahen ihre Habe bereits verloren, rangen die Hände und jammerten.

»Rührt euch, Leute!«, schrie der Major immer von Neuem, nachdem er die Spritze auf ein zur Hälfte brennendes Gebäude gerichtet hatte, »schafft Wasser — Wasser!«

»Wasser, Wasser!«, brüllten auch die an der Spritze beschäftigten Männer.

Neues Unglück!

Das hoch liegende Dorf hatte keinen Brunnen, die Wasserbehälter befanden sich am Fuß des Berges, mehrere hundert Schritte entfernt, das mitgebrachte, wenige Wasser war schnell verbraucht, der schwache Strahl der Spritze versiegte. »Kinder, brave Männer von Hiddensee!«, bat der Major, »ihr bietet so oft dem Meer Trotz, um es zu bekämpfen – das Feuer ist minder schlimm wie das Wasser. Rafft euch auf, rettet, was noch zu retten ist – ermannt euch, es ist noch nicht alles verloren!«

Bitte und Mahnung waren vergebens. Der Major wurde zornig. »Treibt das Volk mit Schlägen an, sich selbst zu helfen!«, rief er seinen Leuten und denen von Vitte zu, »wir wollen tun, was wir können, aber sie müssen uns unterstützen!«

Ein fürchterliches Geschrei erhob sich. Der Major hatte ein böses Mittel gewählt, denn die Verzweiflung weicht der Gewalt nicht. Wer wüsste, wohin es gekommen wäre, wenn der gut gemeinte, doch unbedachte Befehl des Majors ausgeführt worden wäre.

»Ruhe!«, erschallte da jedoch plötzlich, furchtbar im Wind vibrierend, eine mächtige Stimme und ein dunkler Menschenknäul wälzte sich in den Lichtkreis des Feuers.

»Alles zum Dorf hinaus!«, rief dieselbe Stimme, den Lärm, das Brausen des Windes und das Donnern der Wogen übertönend. Schweigend entwirrte sich dagegen der Knäuel und fremdartig gekleidete Männer, vielleicht hundert an der Zahl, mit Enterhaken, Äxten und Beilen bewaffnet, stoben nach allen Richtungen auseinander.

»Major, lassen Sie vom Brunnen bis zum Dorf eine Kette bilden!«, befahl der Führer dieser Schar weiter, »lassen Sie gefüllte Wassereimer von Hand zu Hand gehen, vorwärts!«

Ein neuer panischer Schrecken schien die Menge, den Major nicht ausgenommen, bei dieser unerwarteten Erscheinung ergriffen zu haben. Doch als ein Teil der Fremden wie Katzen die Dächer der noch unbeschädigten, aber bedrohten Häuser hinaufkletterte, die entzündeten Stellen mit nassen Tüchern bedeckte, andere von ihnen wie im Handumwenden brennende Gebäude zusammenrissen, noch während der Führer die letzten Worte sprach, kam frisches Leben in alle.

»Bravo!«, rief der Major, »sucht Gefäße, Leute, und folgt mir!«

»Eilt!«, mahnte der Fremde, und man eilte.

Der Sturm brauste fort, die Wogen donnerten weiter gegen den Fuß des Vorgebirges Dornbusch, das Feuer brannte weiter doch seine Wut, bekam schon nach wenig Minuten Schranken. Es war ein herrliches Stück Arbeit, welches hier verrichtet, ein schöner Erfolg, der nun im Kampf gegen die entfesselten Elemente gewonnen wurde.

Zwar nicht ohne Verwirrung waren die Leute aufgestellt worden, aber als sie und andere, die auch nun von Neuendorf und Plogshagen herbeigekommen waren, standen, langten sie einander emsig die gefüllten Gefäße zu, deren Inhalt vorläufig von den schweigenden Rettern nicht in das Feuer, sondern auf die erst gefährdeten Gebäude geschüttet wurde.

Inzwischen fielen unter den Schlägen der Fremden Ruck auf Ruck die brennenden Häuser zusammen, erstickten dadurch schon teilweise die Flammen, deren gänzliches Erlöschen durch verschiedene Mittel, besonders durch hinaufgeworfene Erde bewirkt wurde.

Bald schwand der grelle Feuerschein, ein trübes Licht erhellte nur noch die Gegend, welche gleichsam unter einem Dach von Rauchwolken lag. Als der Morgen im Osten graute, war die Hälfte des Dorfes unzweifelhaft gerettet. Auf einen Wink des Führers verließen die fremden Männer ihre Arbeit und verschwanden lautlos, wie sie gekommen waren. Nur jener blieb.

Da man nun des Wassers nicht mehr bedurfte, eilte auch der Major wieder den Berg hinauf und auf den Fremden zu, welcher den Ortsbewohnern noch einige Verhaltensregeln gab.

»Ja, er ist es!«, rief der Major, »Sie leben wirklich noch, Kapitän Dyk?«

Der Kapitän war dem Major ebenfalls entgegen gegangen und erwiderte dessen herzlichen Händedruck lächelnd.

»Wie Sie sehen, Herr Major!«, antwortete er.

»Schön, Kapitän Dyk!«, fuhr der Major, seine Hand immer noch haltend, fort. »Aber wie kommen Sie heute gerade zu so gelegener Zeit?«

»Es freut mich, Ihnen stets gelegen zu kommen«, erwiderte der Kapitän, »denn sonst ist es eigentlich mein Los, jeder Zeit ungelegen zu kommen – übrigens sehen Sie nur dorthin, das erklärt, warum ich kommen musste – ich befinde mich in ähnlicher Lage, wie jene.«

»Ah, Ihr Schoner mit gebrochener Stenge!«, rief der Major, »das ist herrlich. Nun werde ich doch das Glück haben, Sie einige Zeit bei mir zu sehen!«

»Nicht lange, Herr Major«, sagte der Kapitän, »meine Zeit ist gemessen, der Schaden kann in vierundzwanzig Stunden ausgebessert sein.«

»Bei Ihrer starken Mannschaft allerdings!«, rief der Major schnell. »Wissen Sie, das war ein Glück, viel Hände machen bald ein Ende. Sie fuhren wohl stärker als sonst?«

»Es ist jetzt wirklich Krieg!«, sagte der Kapitän, leicht errötend, »man muss auf alle Fälle vorbereitet sein!«

»Freilich, freilich!«, rief der Major »und für dieses arme Dorf ist Ihre Vorsicht ein offenbares Glück. Doch kommen Sie jetzt, wir sind überflüssig geworden, und ich denke, ein gutes Frühstück wird uns nach der Arbeit munden. Meine Frau und Töchter werden sich wundern und freuen, Sie zu sehen!«

Der Kapitän errötete wiederum leicht und verbeugte sich, während beide aufbrachen.

»Nur nicht zu bescheiden, lieber Dyk!«, sagte der Major herzlich, »wir müssen uns sogar freuen, wenn Sie erscheinen. Ich wünschte nur, dass Sie überwintern möchten – doch hören Sie, Freund, hier wird noch auszuhelfen sein. Am Bord von Schiffen ist manches Überflüssige …!«

»Ich habe in dieser Hinsicht bereits Befehle erteilt!«, unterbrach ihn der Kapitän.

»Ah – immer derselbe!«, rief der Major. »Kapitän, wenn der Ausdruck für einen Mann passte, würde ich Sie einen Engel nennen – eine Art Halbgott sind Sie mindestens …!«

»Wenn Sie mich nur nicht eines Tages für das Gegenteil halten werden!«, sagte der Kapitän fast rau, »man hat dergleichen schon erlebt!«

»Nichts für ungut, lieber Dyk!«, fuhr der Major fort, »ich weiß es wohl, dass Schmeichelei einen Mann beleidigen muss, doch wollte ich eigentlich nur einen Scherz machen. Ich bin heute so froh, so glücklich, das macht natürlich zum Teil das Gelingen unseres Werkes, zum anderen jedoch Ihre Ankunft!«

»Sie sind sehr gütig, Herr Major!«

»Übrigens, mein teurer Dyk, hätten Sie nur zwei Tage früher kommen dürfen, um noch einen Bekannten, der Ihnen auch verpflichtet ist, treffen zu können. Der Graf Staelswerd hat hier wieder Station gehabt und ist erst vorgestern abberufen worden!«

Der Kapitän zuckte bei dieser Mitteilung leicht zusammen und seine Stirn verfinsterte sich. »Wirklich?«, murmelte er.

»Ja, ja!«, antwortete der Major, »doch kommen Sie, guter Freund.«

Beide Männer schritten Grieben zu.

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