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Ein Ostseepirat Band 1 – Vor dem König

Carl Schmeling
Ein Ostseepirat
Historischer Roman
Erster Band
XII.

Vor dem König

Überspringen wir nach der vorangegangenen Vorstellung und Bekanntschaft der Hauptpersonen des hier zu betreibenden Dramas eine kurze Spanne Zeit und eine ebenso unbedeutende Spanne an Raum.

Wir bekommen dadurch zwei Wochen und einige Tage auf leichte Weise hinter uns und befinden uns im Sachsenland, mitten in einem Heerlager – im Lager und im Hauptquartier des Königs Friedrich II. von Preußen.

Ein schlichtes Bauernhaus am Ende eines Dorfes war das Quartier des Königs, welches er schon seit einigen Tagen bewohnte; eine Hütte, welche sonst kaum Raum für ihre Bewohner hatte.

Friedrich begnügte sich mit einem Zimmer desselben, welches also zugleich Arbeitskabinett, Speisezimmer, Empfangssaal und namentlich auch Schlafzimmer sein musste.

Es war Abend geworden, die Adjutanten und Ordonnanzen waren bereits entlassen und der König befand sich in Uniform, jedoch allein im Zimmer. Er war sichtlich schlechter Laune.

Dies ist erklärlich, denn das Kriegsglück hatte sich in diesem Krieg zum ersten Mal ihm ungünstig gezeigt. Es waren böse Nachrichten aus Böhmen eingetroffen. Seine Gegner begannen sich von dem ersten überraschenden Schlag zu erholen.

Friedrich saß in tiefem Nachdenken versunken vor dem Kamin, in dem wegen des draußen herrschenden unangenehmen Wetters Feuer brannte.

Eine Stunde mochte der Monarch so dagesessen haben, als ein Kammerhusar in das Gemach trat, um ein frugales Abendessen zu servieren.

Der König achtete nicht weiter auf den Mann, nachdem er ihm einen flüchtigen Blick zugeworfen hatte. Dagegen betrachtete ihn jener desto aufmerksamer.

Die Diener des Königs benahmen sich seit einiger Zeit etwas scheu in Gegenwart ihres Herrn. Friedrich hatte vor Kurzem erst jene bittere Erfahrung gemacht, welche die Geschichte als einen ihm geltenden Giftanschlag verzeichnet hat.

Das Geheimnis, welches über diese Angelegenheit schwebt, kann auch hier nicht aufgehellt werden. Es ist mit den wenigen Personen, die darum wussten, zu Grabe gegangen und es bleibt sogar fraglich, ob es sich um einen Giftanschlag handelte.

Doch dem sei, wie ihm wolle. Die Entdeckung, welche der König machte, bewies ihm, wie ein von ihm mit Wohltaten überhäufter Mensch zum Verräter an ihm geworden war. So viel lässt sich mit Gewissheit annehmen.

Der Verräter empfing seinen Lohn, doch die Vertraulichkeit, welche der König sonst im Umgang mit seinen Dienern gezeigt hatte, war zu Ende. Er wurde der strenge Herr für sie.

Deshalb zögerte nun auch der Kammerhusar den Mund zu öffnen, wie er doch beabsichtigte und fuhr fort, sein Geschäft zu verrichten.

Dies war zu Ende und der Husar trat zurück, blieb jedoch an der Tür stehen.

»Willst du etwas?«, fragte der König in strengem Ton.

»Majestät«, antwortete der Husar, »es ist ein Mann draußen, der Sie durchaus sprechen will, doch weigert er sich seinen Namen zu nennen!«

»So!«, sagte Friedrich gleichgültig und ließ den Kopf wieder sinken. Nach einer Pause fuhr er fort: »Hat sich der Mann nur an dich gewendet, um vorgelassen zu werden?«

»Ich glaube, Majestät. Er äußerte, dass es gut sei, wenn er von nicht zu viel Personen bemerkt werde!«

»So!«, wiederholte Friedrich, »wie ist der Mann in das Lager gekommen?«

»Ich weiß es nicht, Majestät.«

»Schicke ihn herein!«

Friedrich erhob sich, als der Kammerhusar ging und wenig Sekunden später erschien der Mann in der Tür, den wir als den Kapitän Dyk kennen gelernt haben.

Der König stand regungslos mitten im Zimmer, seinen durchdringenden Blick auf den Eintretenden gerichtet. Dyk blieb an der Tür, doch begegnete sein Blick fest und bestimmt dem des Königs.

Es verging fast eine ganze Minute in dieser Weise; der König machte der Situation ein Ende.

»Wer ist Er?«, lautete seine Frage.

»Mein Name ist Jacobson!«, antwortete der Gefragte, »mein Stand hat keine bestimmte Bezeichnung, doch bin ich gegenwärtig in Diensten Eurer Majestät!«

Friedrichs Haupt hob sich etwas schnell und seine Augen blitzten lebhafter als bisher; dann spielte ein Lächeln um seinen Mund.

»Sein Stand!«, sagte er sarkastisch. »Er ist ja auch so eine Art König, denke ich!«

»Eure Majestät hat recht!«, antwortete der Kapitän mit einer Verbeugung. »Ich bin ein Souverän, jedoch ohne Land, ich führe Krieg nach Belieben, jedoch nur gegen ein Land und ein Volk!«

»Und welches Land ist dies?«

»Schweden!«

»Ist Er denn nicht selbst ein Schwede?«

»Nein, Majestät, meine Mutter war deutschen Stammes, mein Vater ein Norweger, von einem Deutschen adoptiert!«

»Aber ich meine, Schweden wird Ihm doch zu schaffen machen!«

»Ich habe meistens Bundesgenossen in meinen Kriegen gegen Schweden!«

»So rechnet Er mich auch wohl zu seinen Bundesgenossen?«

»Majestät haben einen Vertrag mit mir geschlossen!«

»Nun, ich danke Ihm für die mir erwiesene Ehre – da können wir also auf gleichen Füßen akkordieren. Doch vor allem möchte ich wissen, was Er mit den Schweden vorhat?«

»Majestät, ich bin der Enkel des Baron Görz!«

»A…h!«, sagte der König gedehnt, »jetzt begreife ich allerdings etwas von Seinem Stolz und von Seinem Unternehmen. Schweden soll Ihn wirklich fürchten, wie man mir gesagt hat!«

Der Kapitän errötete. »Majestät, meine Bundesgenossen wechseln häufig, doch sie bilden stets eine bedeutende Macht!«

»Nu nu – da hat Er recht. Was man nicht selbst kann, lässt man durch andere tun. Er ist Diplomat wie sein Großvater, sehe ich – was bringt Er mir?«

Jacobson holte ein Papier hervor und reichte es dem König. Friedrich las und während des Lesens erheiterte sich sein Gesicht.

»Keine Magazine, die Kommandos getrennt!«, rief er; »die Depots leer, Sukkurs langsam – das ist gut, das ist vortrefflich – weiter!«

Blatt für Blatt wanderte nun in die Hände des Königs, der sich bei jedem mehr hob. Als er endlich die versiegelten Depeschen, die Pläne und Karten empfangen und einen Blick darauf geworfen hatte, sah er den Kapitän starr an.

»Ist Er denn ein Hexenmeister?«, fragte er überrascht.

»Ich habe nur den Zufall benutzt, Majestät!«

»Na, den benutze Er öfter – Er hat mir wirklich einen großen Dienst erwiesen, womit kann ich Ihm dienen!«

»Majestät, ich habe meine Bedingungen bereits gestellt – ich verlange nichts weiter!«

»Das habe ich gleich erkannt!«, rief Friedrich. »Darum machte ich Ihm auch kein besonderes Angebot. Wie lange wird Er hier bleiben?«

»Majestät erlauben mir wohl noch in dieser Minute wieder abzureisen!«

»Er hat recht!«, rief der König. »Es würde viel Geschrei setzen, wüsste man von unserer Zusammenkunft. Wir werden weiter voneinander hören, nehme Er indessen diese Karte und wende Er sich an den Oberst Winterfeld, der Ihm weitere Instruktionen geben wird.«

Der König, zum Teil wohl bereits in Gedanken ganz anderswo, winkte mit der Hand und Jacobson entfernte sich.

»Die Macht wäre unschädlich!«, sagte Friedrich,. »Und das durch einen einzigen Mann! – Der Bursche ist unbezahlbar, ich werde an ihn denken!«

Der König entsendete noch in der Nacht einen Kurier, um einen Teil seiner im Norden stehenden Truppen in den Süden zu rufen.

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