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Die drei Musketiere – Zwanzig Jahre danach – Kapitel XVI

Alexandre Dumas
Zwanzig Jahre danach
Erstes bis drittes Bändchen
Fortsetzung der drei Musketiere
Nach dem Französischen von August Zoller
Verlag der Frankh’schen Buchhandlung. Stuttgart. 1845.

XVI. Das Schloss Bragelonne

D’Artagnan war während dieser ganzen Szene gleichsam Augen und Mund aufgesperrt geblieben. Er fand die Dinge so wenig seiner Vorhersehung entsprechend, dass er sich von seinem Erstaunen gar nicht erholen konnte.

Athos reichte ihm den Arm und führte ihn in den Garten.

»Während man uns Abendbrot bereitet«, sagte er lächelnd, »wird es Euch nicht unangenehm sein, nicht wahr, mein lieber Freund, ein wenig Licht über dieses ganze Geheimnis zu bekommen, das Euch in Träume versenkt?«

»Allerdings, Herr Graf«, erwiderte d’Artagnan, welcher fühlte, wie Athos allmählich die ungeheure Überlegenheit der Aristokratie wieder über ihn gewann, die er immer gehasst hatte.

Athos schaute ihn mit seinem sanften Lächeln an.

»Vor allem, mein lieber d’Artagnan«, sprach er, »gibt es hier keinen Herrn Grafen. Wenn ich Euch Chevalier nannte, so geschah es, weil ich Euch meinen Gästen vorstellte und damit sie wüssten, wer Ihr wärt, aber für Euch bin ich hoffentlich stets Athos, Euer Gefährte, Euer Freund. Oder zieht Ihr vielleicht das Zeremoniell vor, weil Ihr mich minder liebt.«

»Oh! Gott behüte mich!«, rief der Gascogner mit einem von den loyalen Jugendausbrüchen, wie man sie so selten im reiferen Alter wieder findet.

»Dann wollen wir zu unseren Gewohnheiten zurückkehren und, um damit anzufangen, offenherzig sein. Alles setzt Euch hier in Erstaunen?«

»In ein tiefes Erstaunen.«

»Aber worüber Ihr Euch am meisten wundert«, sagte Athos lächelnd, »das bin ich, gesteht es nur.«

»Ich gestehe es.«

»Ich bin noch jung, nicht wahr, trotz meiner neunundvierzig Jahre? Ich bin noch zu erkennen.«

»Ganz im Gegenteil«, erwiderte d’Artagnan, bereit die Aufforderung von Athos, offenherzig zu sein, zu übertreiben, »Ihr seid es nicht mehr.«

»Ah! Ich begreife«, sprach Athos leicht errötend, »Alles hat sein Ende, d’Artagnan, die Narrheit, wie jede andere Sache.«

»Sodann ist eine Veränderung in Euren Vermögensumständen vorgegangen. Ihr seid herrlich quartiert, dieses Haus gehört Euch, wie ich voraussehe.«

»Ja, das ist das kleine Gut, Ihr wisst, mein Freund, von dem ich, als ich den Dienst verließ, Euch sagte, ich hätte es geerbt.«

»Ihr habt einen Park, Pferde, Equipagen.«

Athos lächelte und erwidertet: »Der Park hat zwanzig Morgen, wozu der Küchengarten und die Gesindewohnungen gehören. Die Zahl meiner Pferde beläuft sich auf zwei, wobei ich, wohl verstanden, den Stumpfohr meines Bedienten nicht rechne. Meine Equipagen beschränken sich auf vier Leithunde, zwei Windhunde und einen Hühnerhund. Und dieser ganze Meute-Luxus ist nicht einmal für mich«, fügte Athos lächelnd bei.

»Ich begreife«, versetzte d’Artagnan, »er ist für den jungen Menschen, für Raoul.«

Und d’Artagnan schaute Athos unwillkürlich lächelnd an.

»Ihr habt es erraten, mein Freund«, sprach Athos.

»Und der junge Mensch ist Euer Tischgenosse, Euer Taufpate, vielleicht Euer Vetter! Ah! Wie habt Ihr Euch doch verändert, mein lieber Athos.«

»Dieser junge Mensch«, erwiderte Athos ruhig, »dieser junge Mensch ist eine Waise, d’Artagnan, die seine Mutter bei einem armen Landpfarrer zurückgelassen hatte. Ich habe sie aufgezogen.«

»Der Knabe muss sehr anhänglich an Euch sein?«

»Ich glaube, er liebt mich, als wäre ich sein Vater.«

»Er ist sehr dankbar?«

»Oh! Was die Dankbarkeit betrifft«, versetzte Athos, »sie ist gegenseitig, ich bin ihm eben so viel schuldig, wie er mir, und, ich sage es ihm nicht, aber Euch, ich bin ihm noch verpflichtet.«

»Wie dies?«, fragte der Musketier erstaunt.

»Ei, mein Gott, ja! Er hat in mir die Veränderung hervorgebracht, die Ihr wahrnehmt, ich verdorrte wie ein armer, vereinzelter Baum, welcher durch kein Band mehr mit der Erde zusammenhängt. Nur eine tiefe Neigung konnte mich wieder im Leben Wurzel schlagen lassen. Eine Geliebte? Ich war zu alt. Freunde? Ich hatte Euch nicht mehr bei mir. Dieser Knabe ließ mich nun alles wiederfinden, was ich verloren hatte. Ich hatte nicht mehr den Mut, für mich zu leben, ich lebte für ihn. Die Lektionen sind viel für ein Kind; das Beispiel ist noch mehr wert. Ich gab ihm das Beispiel, d’Artagnan. Die Fehler, welche ich hatte, legte ich ab, die Tugenden, die ich nicht hatte, gab ich mir den Anschein zu besitzen. Ich glaube nicht, dass ich mich täusche, d’Artagnan. Raoul ist bestimmt, ein so vollkommener Edelmann zu sein, wie es unserem verarmten Zeitalter einen zu liefern vergönnt ist.«

D’Artagnan scharrte Athos mit wachsender Bewunderung an. Sie spazierten unter einer schattigen, kühlen Allee, durch welche schräg einige Strahlen der untergehenden Sonne schossen. Einer von diesen goldenen Strahlen beleuchtete das Antlitz von Athos, und seine Augen schienen das ruhige Feuer des Abends, welches sie empfingen, wieder von sich zu geben.

Der Gedanke an Mylady regte sich im Geist von d’Artagnan.

»Und Ihr seid glücklich?«, sagte er zu seinem Freund.

Das scharfe Auge von Athos drang bis in die Tiefe des Herzens von d’Artagnan und schien darin seine Gedanken zu lesen.

»So glücklich, als es einem Geschöpf Gottes auf Erden zu sein gestattet ist. Aber vollendet Euren Gedanken, d’Artagnan, Ihr habt ihn mir nicht ganz gesagt.«

»Ihr seid furchtbar, Athos, und man kann Euch nichts verbergen. Nun gut, ja, ich wollte Euch fragen, ob Ihr nicht zuweilen unerwartete Regungen von Schrecken habt, welche …«

»Gewissensbissen gleichen?«, fuhr Athos fort. »Ich vollende Euren Satz, mein Freund, ja oder nein, ich habe keine Gewissensbisse, weil jene Frau, wie ich glaube, die Strafe verdiente, die sie ausstehen musste. Ich habe keine Gewissensbisse, denn, wenn wir sie hätten leben lassen, so würde sie ohne Zweifel ihr Zerstörungswerk fortgesetzt haben. Damit ist aber nicht gesagt, mein Freund, ich hege die Überzeugung, wir seien berechtigt gewesen, das zu tun, was wir taten. Vielleicht heischt jedes vergossene Blut eine Sühnung. Sie hat die ihre vollendet, möglicherweise kommt die Reihe auch noch an uns, sie zu vollenden.«

»Zuweilen dachte ich wie Ihr, Athos.«

»Sie hatte einen Sohn, diese Frau?«

»Ja.«

»Habt Ihr von ihm sprechen hören?«

»Nie.«

»Er muss dreiundzwanzig Jahre alt sein«, murmelte Athos. »Ich denke oft an diesen jungen Mann, d’Artagnan.«

»Das ist sonderbar. Ich hatte ihn vergessen.«

Athos lächelt schwermütig.

»Und Lord Winter, habt Ihr Nachricht von ihm?«

»Ich weiß, dass er bei Karl I. sehr in Gunst war.«

»Er wird seinem Glück gefolgt sein, und dieses ist jetzt schlecht. Halt d’Artagnan«, fuhr Athos fort, »das gehört zu dem, was ich Euch s eben sagte: Er ließ das Blut von Strafford vergießen; Blut heischt Blut. Und die Königin?«

»Welche Königin?«

»Frau Henriette von England, die Tochter von Heinrich IV.?«

»Sie ist im Louvre, wie Ihr wisst.«

»Ja, wo es ihr an Miene gebricht, nicht wahr? Während der großen Kälte tu diesem Winter war ihre kranke Tochter, wie man mir gesagt hat, in Ermangelung von Holz genötigt, im Bett liegen zu bleiben. Begreift ihr das?«, fügte Athos die Achseln zuckend bei. »Die Tochter von Heinrich IV. schnatternd, weil es ihr an Holz mangelt! Warum hat sie nicht den Erstbesten von uns um Gastfreundschaft gebeten, statt Mazarin darum zu bitten! Es würde ihr an nichts gefehlt haben.«

,,Kennt Ihr sie denn, Athos?«

»Nein, meine Mutter hat sie als Kind gesehen. Habe ich Euch nie gesagt, dass meine Mutter Ehrendame von Maria von Medici gewesen ist.«

»Nie. Ihr sprecht von dergleichen Dingen nicht.«

»Ah! Mein Gott, doch, wie Ihr seht«, versetzte Athos, »aber es muss sich eine Gelegenheit dazu bieten.«

»Porthos würde nicht so geduldig warten«, sagte d’Artagnan lächelnd.«

»Jeder hat seine eigene Natur, mein lieber d’Artagnan. Porthos besitzt trotz einiger Eitelkeit vortreffliche Eigenschaften. Habt Ihr ihn wiedergesehen?«

»Ich verließ ihn vor fünf Tagen«, antwortete d’Artagnan.«

Und nun erzählte er mit dem Erguss seiner gascognischen Laune alle Herrlichkeiten von Porthos in seinem Schloss Pierrefonds. Während er seinen Freund durchsiebte, schoss er zugleich zwei bis drei Pfeile auf die Geschicklichkeit des vortrefflichen Monsieur Mouston ab.

»Ich bewundere«, sprach Athos, lächelnd über diese Heiterkeit, die ihn an ihre schönen Tage erinnerte, »ich bewundere, dass wir durch Zufall eine Gesellschaft von Männern gebildet haben, welche trotz einer zwanzigjährigen Trennung noch so eng miteinander verbunden sind. Die Freundschaft schlägt tiefe Wurzeln in redlichen Herzen, d’Artagnan; glaubt mir, nur schlechte Menschen leugnen die Freundschaft, weil sie dieselbe nicht kennen. Und Aramis?«

»Ich habe ihn auch gesehen«, antwortete d’Artagnan, »er ist mir sehr kalt vorgekommen.«

»Ah! Ihr habt ihn auch gesehen«, versetzte Athos, d’Artagnan mit seinen forschenden Augen anschauend. »Aber Ihr macht eine wahre Pilgerfahrt zu dem Tempel der Freundschaft, wie die Dichter sagen würden.«

»Allerdings«, erwiderte d’Artagnan verlegen.

»Aramis, wie Ihr wisst«, fuhr Athos fort, »ist von Natur kalt; dann ist er immer in Weiberintrigen verwickelt.«

»Ich glaube, gerade in diesem Augenblick in eine sehr ausgedehnte«, sprach d’Artagnan.

Athos antwortete nicht.

Er ist neugierig, dachte d’Artagnan.

Athos antwortete nicht nur nicht, sondern er gab auch dem Gespräch eine andere Richtung.«

»Ihr seht«, sagte er, indem er d’Artagnan darauf aufmerksam machte, dass sie nach einem Spaziergang von einer Stunde zum Schloss zurückgekommen waren, »wir haben die Runde auf allen meinen Besitzungen gemacht.«

»Alles ist hier reizend, und besonders hat alles ein adliges Aussehen«, erwiderte d’Artagnan.

In diesem Augenblick hörte man den Tritt eines Pferdes.

»Raoul kehrt zurück«, sprach Athos, »wir bekommen Nachricht von der armen Kleinen.«

Der junge Mensch erschien an dem Gitter und ritt, ganz mit Staub bedeckt, in den Hof ein, sprang dann von seinem Pferde das er den Händen einen Knechtes überließ, und begrüßte den Grafen und d’Artagnan mit ehrfurchtsvoller Höflichkeit.

»Dieser Monsieur«, sagte Athos, seine Hand auf die Schulter von d’Artagnan legend, »dieser Monsieur ist d’Artagnan, von dem du mich so oft sprechen hörtest, Raoul.«

»Gnädiger Monsieur«, sprach Raoul, sich abermals und noch tiefer verbeugend, »der Monsieur Graf hat Euren Namen mir als Beispiel genannt, so oft er einen unerschrockenen, hochherzigen Edelmann bezeichnen wollte.«

Diesen kleine Kompliment machte einen angenehmen Eindruck auf d’Artagnan, sein Herz geriet in eine sanfte Bewegung. Er reichte Raoul eine Hand und sprach: »Alle Lobeserhebungen, die man mir spenden mag, müssen auf den Herrn Grafen zurückgehen, denn er hat meine Erziehung in allen Dingen gemacht, und es ist nicht sein Fehler, wenn sie der Zögling schlecht benutzte. Aber ich bin überzeugt, es wird ihm bei Euch besser gelingen. Ich liebe Eure Erscheinung, Raoul, und Eure Artigkeit hat mich gerührt.«

Athos war unbeschreiblich entzückt. Er schaute d’Artagnan dankbar an und heftete dann auf Raoul jenes seltsame Lächeln, worauf die Jünglinge stolz sind, wenn sie es erblicken.

»Nun«, sagte d’Artagnan zu sich selbst, denn das stumme Mienenspiel war ihm nicht entgangen, »nun bin ich meiner Sache gewiss.«

»Lasst hören«, sprach Athos, »der Unfall wird hoffentlich keine Folge haben?«

»Man weiß es noch nicht, Monsieur, der Arzt konnte wegen der Geschwulst nichts sagen. Er fürchtet jedoch, es werde ein Nerv verletzt sein.«

»Ihr seid nicht länger bei Frau von Saint-Remy geblieben?«

»Ich hatte bange, zur Stunde Eures Abendbrots nicht zurück zu sein«, erwiderte Raoul, »und Euch folglich warten zu lassen.«

In diesem Augenblick meldete ein kleiner Junge, halb Bauer halb Lakai, das Abendbrot sei aufgetragen.

Athos führte seinen Gast in einen sehr einfachen Speisesaal, dessen Fenster jedoch auf der einen Seite zum Garten, auf der anderen zu einem Gewächshaus gingen, in welchem herrliche Pflanzen blühten.

D’Artagnan warf einen Blick auf den Tisch. Das Geschirr war prachtvoll; man sah, es war von dem alten Silberzeug der Familie. Auf einem Schenktisch stand eine wundervolle silberne Wasserkanne. D’Artagnan blieb stehen, um sie zu betrachten.

»Oh! Das ist göttlich gearbeitet«, rief er.

»Ja«, erwiderte Athos, »es ist ein Meisterwerk von einem großen florentinischen Künstler, namens Benvenuto Cellini.«

»Und die Schlacht, die es darstellt?«

»Ist die Schlacht von Marignan. Es ist der Augenblick, wo einer meiner Ahnen sein Schwert Franz I. gibt, der das seine zerbrochen hat. Bei dieser Gelegenheit wurde Enguerrand de la Fère, mein Ahnherr, Ritter vom Sankt Michaels Orden. Fünfzehn Jahre später gab ihm der König, denn er hatte nicht vergessen, dass er noch drei Stunden mit dem Schwert seines Freundes Enguerrand gefochten hatte. Ohne dass er absprang, gab ihm der König, sage ich, diese Wasserkanne und ein Schwert, das Ihr einst vielleicht bei mir gesehen habt; auch ein schönes Stück von Goldschmiedekunst. Das war die Zeit der Riesen«, fuhr Athos fort; »wir sind Zwerge im Vergleich mit diesen Männern. Doch wir wollen uns setzen und speisen, d’Artagnan. He! Junge«, sprach Athos zu dem kleinen Lakaien, der die Suppe aufgetragen hatte, »rufe mir Charlot.«

Das Kind entfernte sich, und einen Augenblick nachher erschien der Mann, an den sich die Reisenden bei ihrer Ankunft gewendet hatten.

»Mein lieber Charlot«, sagte Athos zu ihm, »ich empfehle dir ganz besonders für die ganze Zeit, die er hier bleiben wird, Planchet, den Lakaien von Herrn d’Artagnan. Er liebt den guten Wein. Du hast die Kellerschlüssel. Er hat lange Zeit auf der harten Erde geschlafen und muss einem guten Bett nicht abgeneigt sein. Sorge auch hierfür.«

Charlot verbeugte sich und trat ab.

»Charlot ist ein braver Mann«, sagte Athos, »er dient mir seit neunzehn Jahren.«

»Ihr denkt an alles«, sprach d’Artagnan, »und ich danke Euch im Namen von Planchet, mein lieber Athos.«

Der Jüngling machte große Augen, als er diesen Namen hörte, und schaute, ob d’Artagnan wirklich mit dem Grafen spräche.

»Dieser Name kommt dir seltsam vor, nicht wahr, Raoul«, sprach Athos lächelnd. Es war mein Kriegsname zur der Zeit, da Monsieur d’Artagnan, zwei brave Freunde und ich unter dem verstorbenen Kardinal und unter Monsieur von Bassompierre, der nun auch tot ist, unsere Heldentaten bei La Rochelle verrichteten. Der Monsieur hat die Güte, diesen Freundschaftsnamen für mich beizubehalten, und so oft ich ihn höre, ist mein Herz freudig darüber.

»Dieser Name war berühmt«, sagte d’Artagnan, »und es wurde ihm eines Tages die Ehre den Triumphes zuteil.

»Was wollt Ihr damit sagen, Monsieur?«, fragte Raoul mit seiner jugendlichen Neugierde.

»Meiner Treu, ich weiß es nicht«, versetzte Athos.

»Ihr habt die Bastille Saint-Gervais vergessen, Athos und die Serviette, aus der drei Kugeln eine Fahne machten? Ich besitze ein besseres Gedächtnis als Ihr, erinnere mich der Geschichte ganz genau und will sie Euch erzählen, Jüngling.«

Er erzählte ihm die ganze Geschichte von der Bastille, wie ihm Athos die seines Ahnherrn mitgeteilt hatte.

Bei dieser Erzählung glaubte der Jüngling, er sehe eine von den Waffentaten vor sich enthüllen, wie wir sie in Tasso und Ariost lesen, Taten, welche der Zauberzeit des Rittertums angehören.

»Aber d’Artagnan sagt dir nicht«, sprach Athos, »dass er einer der besten Degen seiner Zeit war; eiserne Kniebeuge, stählerne Handwurzel, sicherer, brennender Blick, das war es, was er seinem Gegner bot. Er war achtzehn Jahre alt, drei Jahre älter als du, Raoul, als er zum ersten Mal, und zwar gegen erprobte Männer an das Werk ging.«

»Und Monsieur d’Artagnan blieb Sieger?«, fragte der Jüngling, dessen Augen während dieses Gespräches glänzten und um die Mitheilung aller Einzelheiten zu bitten schienen.

»Ich tötete einen, glaube ich«, antwortete d’Artagnan, Athos mit dem Blick befragend. »Den anderen entwaffnete oder verwundete ich, ich erinnere mich nicht mehr genau.«

»Ja, Ihr verwundetet ihn. O! Ihr wart ein mächtiger Athlet.«

»Und ich habe noch nicht viel davon verloren«, versetzte d’Artagnan mit seinem kleinen gascognischen Lächeln voll Selbstzufriedenheit, »und noch vor Kurzem erst … «

»Ein Blick von Athos verschloss ihm den Mund.

»Du sollst erfahren, Raoul«, sprach Athos, »du, der du dich für einen feinen Degen hältst und dessen Eitelkeit eines Tages eine grausame Enttäuschung erleiden dürfte. Du sollst erfahren, wie gefährlich der Mann ist, der Kaltblütigkeit mit Behändigkeit verbindet, denn ich vermöchte dir nie ein schlagenderes Beispiel zu bieten: Bitte morgen Monsieur d’Artagnan, wenn er nicht zu müde ist, dir eine Lektion zu geben.«

»Pest! Mein lieber Athos, Ihr seid doch ein guter Meister, besonders hinsichtlich der Eigenschaften, die Ihr von mir rühmt. Heute noch sprach Planchet von dem bekannten Zweikampf bei den Karmelitern mit Lord Winter und seinen Gefährten. Ah! Jüngling«, fuhr d’Artagnan fort, »es muss hier irgendwo ein Schwert sein, das ich oft das beste des Königreichs nannte.«

»O! Ich werde meine Hand mit diesem Kind verdorben haben«, sagte Athos.

»Es gibt Hände, die sich nie verderben, mein lieber Athos«, entgegnete d’Artagnan, »welche aber andere gewaltig verderben.«

Der Jüngling hätte gern das Gespräch die ganze Nacht hindurch ausgedehnt, aber Athos bemerkte, ihr Gast müsse müde sein und der Ruhe bedürfen. D’Artagnan widersetzte sich aus Höflichkeit, doch Athos bestand darauf, dass d’Artagnan von seinem Zimmer Besitz ergreife. Raoul geleitete den Gast, und da Athos dachte, er würde so lange wie möglich bei d’Artagnan bleiben, um sich von ihm alle Heldentaten ihrer früheren Zeiten erzählen zu lassen, so holte er ihn einige Minuten danach selbst ab und schloss diesen schönen Abend mit einem freundschaftlichen Händedruck und einer guten Nacht, die er dem Musketier wünschte.

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