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Der Welt-Detektiv Band 6

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Nick Carter – Inez Navarro, der weibliche Dämon – Kapitel 7

Nick Carter
Amerikas größter Detektiv
Inez Navarro, der weibliche Dämon
Ein Detektivroman

In der Höhle des Löwen

Als Nick Carter am Nachmittag zum ersten Mal in dem Korridor sich aufgehalten hatte, da hatte er wahrgenommen, dass sich unweit der Treppe eine Nische befand, in welcher Kleiderhaken angebracht waren und in der neben anderen Kleidungsstücke auch ein dunkelbrauner, langer Herrenmantel mit langem Kragen, ähnlich den in Deutschland modernen Hohenzollernmänteln, gehangen hatte.

Wie er sich nun in denkbar größter Verlegenheit für ein geeignetes Versteck befand, erinnerte er sich dieses Umstandes. Eilig huschte er in die Nische, um sich hinter dem bis auf den Boden niederhängenden, langen Mantel aufzustellen und derart vor etwaigen spähenden Blicken zu verbergen. Doch welche Enttäuschung! Wohl fand Nick Carter die Nische, doch der Mantel fehlte, so verzweifelt er auch nach ihm herumtastete. Während das Klingeln der Hausglocke fortdauerte und die Treppe herab eilige Schritte kamen, konnte Nick Carter nichts anderes tun, als einen kleineren Bekleidungsgegenstand so zu drapieren, dass wenigstens Gesicht und Oberkörper dadurch verborgen wurden. Er hoffte zuversichtlich, dass der Einlass Heischende und die öffnende Person sich nicht lange im Korridor aufhalten und ihn dabei übersehen würden. Im schlimmsten Fall musste er sich eben durch verzweifelte Flucht in Sicherheit zu bringen versuchen.

An der Möglichkeit, das Haus heimlich zu durchsuchen, welche Absicht ihn doch hierhergeführt hatte, hatte er längst verzweifelt; das Glück hatte sich gegen ihn gewendet. Er musste nun froh sein, vermochte er aus dem für ihn zur Falle gewordenen Hausinneren überhaupt mit heiler Haut zu entwischen.

Je klarer er sich über seine Lage wurde, umso sicherer glaubte er annehmen zu müssen, dass man ihn entdecken würde; ja, man musste ihn sogar wahrnehmen, denn der untere Teil seines Körpers war ja deutlich sichtbar. Doch nun war jede weitere Strategie ausgeschlossen, denn die öffnende Person hatte die Treppe schon hinter sich und durcheilte eben den Korridor zur Haustür.

Nun musste die Entdeckung kommen, denn der einfache Umstand, dass die beiden Sicherheitsketten durchschnitten herabhingen, musste genügen, um den Argwohn der Hausbewohner zu erregen. Es würde der Korridor sofort durchsucht werden – und das Ende ließ sich denken!

Eben wurde erst die eine, dann die andere Haustür geöffnet, und jemand trat ins Haus. Nun mussten Ausrufe des Unwillens und der Empörung laut werden. Doch nein! Mochte der Detektiv auch mit angehaltenem Atem lauschen, er hörte nichts Verdächtiges, auch nicht eine Silbe, die auf irgendwelchen Argwohn hingewiesen hätte.

Kein Wort, nicht einmal ein Laut wurde ausgetauscht. Nur die Türen wurden wieder geschlossen. Dann hörte er ein Geräusch, als ob eine schwere Last im Flurinneren unsanft auf den Teppich niedergesetzt worden wäre.

Die Ungewissheit war für den Detektiv umso qualvoller, als der kurze Mantel ihm das Gesicht völlig verdeckte und ihn an jedem Ausblick hinderte. Zu spät verwünschte er seinen Mangel an Geistesgegenwart, der ihn hieran nicht hatte denken lassen. Hätte er einen Blick um sich werfen können, so würde dies nicht wesentlich zu seiner Beruhigung beigetragen haben. Er würde vielmehr zwei Männer erblickt haben, von denen der eine ein brennendes Zündholz in der Hand hielt und bei dessen Schein nach den deutlich zum Vorschein kommenden Füßen des Detektivs mit einem hämischen Grinsen deutete. Er würde ferner gesehen haben, wie auch der soeben Gekommene verständnisvoll nickte und dann seinen pelzbesetzten langen Paletot, denselben, an welchen Nick gedacht hatte, als er sich in die Kleidernische geflüchtet hatte, von den Schultern streifte und ihn so vor dem Detektiv aufhängte, dass dieser durch den weiten Mantel völlig zugedeckt wurde.

Doch leider vermochte Nick Carter von alledem auch nicht das Geringste zu erblicken. Es wurde ihm nur klar, dass aus irgendeinem Grund weder der Öffnende noch der Eingetretene es entdeckt hatten, dass die beiden Sicherheitsketten durchgeschnitten waren – oder, mochten es nun Frauen oder Männer sein, welche sich da so schweigsam verhielten, sie gaben sich wenigstens den Anschein, als hätten sie nichts wahrgenommen; nicht einmal, dass das rote Licht ausgedreht worden war.

Dadurch, dass der große Mantel nun wieder an seinem alten Platze hing, war Nick Carter auch vor einer nunmehrigen Entdeckung sicher geworden, falls, ja falls man ihn nicht schon lange entdeckt hatte. Die Ungewissheit über diesen Punkt machte den Detektiv äußerst unbehaglich und sie bereitete ihm geradezu körperlichen Schmerz … und dabei musste er vollkommen unbeweglich bleiben, mit angehaltenem Atem stehen und geduldig abwarten, was die nächste Sekunde ihm bringen würde.

Doch sie schien nichts Schlimmes für ihn im Gefolge zu haben. Die eben erst auf den Korridorteppich gesetzte schwere Last wurde wieder aufgenommen. Mit schweren Schritten stampfte der Mann, denn ein solcher musste es augenscheinlich sein, über die teppichbelegte Treppe in das obere Stockwerk; gefolgt von dem anderen, der zuvor geöffnet hatte – etwa ein Mann in Filzschuhen oder eine leichtfüßige Frau.

Dann ertönten im oberen Korridor Schritte. Wieder wurde eine Tür geöffnet und laut geschlossen. Im Zimmer wurde dann der Schlüssel umgedreht.

Doch so lange wartete der Detektiv gar nicht. Kaum hatte er die beiden die Stiege hinaufsteigen hören, da hatte er auch schon ganz vorsichtig den Mantel beiseitegeschoben, um vorsichtig auszuspähen. Es war dunkel um ihn, doch auf dem Bodenteppich verglomm gerade noch eine Streichholzkuppe. Für Nick Carter das allersicherste Zeichen, dass die beiden ihn gesehen haben mussten. Sie hätten ja mit Blindheit geschlagen sein müssen, hätten sie mit brennendem Streichholz vor ihm gestanden, ohne ihn zu sehen – und das hatten sie getan; ja, mehr noch. Der Angekommene war sogar an ihn herangetreten und hatte seinen Mantel an den gewohnten Platz gehängt. Da hatte er dem so unvollkommen Versteckten fast auf die Füße treten müssen, denn die Kleidernische war ziemlich eng und schmal.

Nick Carter schlüpfte gerade noch zur rechten Zeit aus einem Versteck, um bei dem vom Oberstock schwach herunterdämmernden Lichtschein wahrnehmen zu können, dass die die Treppe hinaufgestiegenen zwei Männer oder doch wenigstens Personen in männlicher Tracht waren. Nick begriff, dass sie sich mit unheilvollen Gedanken trugen. Dass sie ihn ruhig in seinem Versteck gelassen hatten, scheinbar ohne wahrzunehmen, dass die Sicherheitsketten zerschnitten und das Korridorlicht ausgedreht worden war, erfüllte ihn mit Argwohn. Er witterte förmlich die Gefahr, die sich unheilvoll über seinem Haupt zusammenzog, und beschloss, ihr zu begegnen.

Sobald er die Schritte der beiden im oberen Korridor hörte, sprang er auf die beiden Haustüren zu und öffnete diese der Reihe nach. Er ließ sie angelehnt, als ob inzwischen wieder jemand das Haus verlassen habe. Statt aber sich zu entfernen, drehte er sich blitzschnell um und huschte in den Korridor zurück. Mit erstaunlicher Geschwindigkeit, trotz der tiefen Finsternis, immer zwei Stufen auf einmal nehmend – denn mit den Schließen der oberen Tür war der schwache Lichtschein wieder verschwunden –, erreichte Nick Carter den oberen Korridor.

Der Detektiv war sich wohl der Gefahr bewusst, in welche seine Tollkühnheit ihn brachte. War seine Annahme richtig und hatten die beiden Männer seine Gegenwart entdeckt, so war ihr Verschwinden in dem Zimmer am oberen Flur nur eine Finte, darauf berechnet, ihn sicher zu machen. Es war bestimmt anzunehmen, dass sie sich kaum einen Moment im Zimmer aufhalten und dieses alsdann sofort wieder aufschließen würden, um sich in den Gang hinauszuschleichen und ihm aufzulauern.

Doch Nick Carter hatte beschlossen, es darauf ankommen zu lassen. Er hoffte, dass die Männer sich nach unten begeben, die offen stehenden Haustüren gewahren und annehmen würden, dass er inzwischen aus der ihm zu gefährlich gewordenen Örtlichkeit entflohen war.

So gelang es Nick Carter, etwa drei Sekunden später die obere Etage zu erreichen, als die beiden Männer die Tür geräuschvoll hinter sich verschlossen hatten. Doch hier war seines Bleibens nicht. Er musste die Tür passieren und sich zum Topfloor, dem obersten Stockwerk, flüchten, sollten seine Feinde ihn nicht entdecken.

Gesagt, getan. Mit der Geschmeidigkeit eines Panters schlich Nick Carter an der verhängnisvollen Tür vorüber, jede Sekunde gewärtig, dass sie geöffnet und der aus ihr dringende Lichtschimmer seine Gegenwart augenblicklich verraten würde.

Gerade hatte Nick Carter jene gefährliche Stelle passiert, und sein Fuß ruhte auf der untersten Stufe der zum Topfloor führenden Treppe, als er auch schon ein leises Geräusch an der Tür vernahm, das ihn zum augenblicklichen Anhalten und sofortigen Niederkauern veranlasste.

Kein Zweifel! Die verhängnisvolle Tür wurde wieder geöffnet. Eben wurde der Schlüssel umgedreht und dann die Klinke niedergedrückt – doch beides so geräuschlos und mit Anwendung der äußersten Vorsicht, dass Nick sofort begriff, dass ihm keine Gefahr drohte. Die beiden Männer wollten ihn lautlos beschleichen. Natürlich wagten sie es da nicht, aus dem hellerleuchteten Zimmer zu treten, sondern sie hatten in diesem erst die Gasflammen gelöscht.

So verhielt es sich in der Tat. Als sich die Tür öffnete, vermochte Nick Carter die beiden nur zu hören, aber nicht zu sehen – und natürlich konnten sie ebenso wenig eine Ahnung davon haben, dass sich der von ihnen Gesuchte nahebei auf der untersten Stufe der Topfloortreppe befand und sie nur die Hand auszustrecken brauchten, um ihn zu ergreifen.

Der Detektiv hielt den Atem an. Wenn er sich geirrt hatte und der oder die das Zimmer Verlassende sich zum dritten Stock begeben wollte, so war er verloren!

Doch nichts Derartiges geschah. Während Nick Carter sich nicht zu rühren wagte, hörte er, oder vielleicht empfand er dies auch nur instinktiv, wie mit Aufgebot der äußersten Vorsicht eine Person sich zu der in den Parlorfloor hinunterführenden Treppe bewegte und diese so leise wie irgend denkbar hinabstieg … darüber vergingen drei oder vier Minuten, welche ihm zur Ewigkeit wurden.

Endlich hörte Nick Carter leise und behutsam zurückkehrende Schritte.

»Er mag den Zug durch die offenstehenden Türen gespürt und daraus auf mein Entweichen geschlossen haben!«, ging es dem Detektiv durch den Sinn. Gleichwohl aber bereitete er sich zum Kampf – denn zu einem solchen musste es kommen, hätte ein leidiger Zufall dem Zurückkehrenden doch den von ihm eingeschlagenen Weg verraten.

Doch nichts dergleichen geschah. Die unsichtbare Gestalt glitt zur Tür, durch welche sie zuvor getreten war, und kehrte ins Zimmer zurück.

Immer noch wagte Nick Carter nicht, sich zu rühren, doch er beugte sein Haupt vor und begann, angestrengt zu lauschen. Ihm war es, als hörte er kaum vernehmliches Geflüster. Doch er war seiner Sache nicht sicher, denn es konnte auch seine erregte Fantasie sein, die ihm einen Streich spielte. Darum trat er geräuschlos bis dicht an die Tür und lauschte wiederum.

Nein, nun konnte er sich nicht mehr täuschen! Es war wirkliches Geflüster, das er hörte. Mehr noch, die beiden Sprechenden standen der Tür entgegengesetzt, an einem der Straßenfenster.

In diesem Moment durchschoss es das Gehirn des Detektivs, den denkbar verwegensten Schritt zu unternehmen, der sich in seiner augenblicklichen Lage ausdenken ließ.

Im Zimmer, in welchem sie sich selbst befinden, werden mich die beiden schwerlich und sicherlich am wenigsten suchen. Wohlan, wagen wir uns in die Löwenhöhle.

Damit ließ er seine Absicht auch schon zur Tat werden und trat mit vollkommener Geräuschlosigkeit unter dem Schutz der undurchdringlichen Finsternis in das Zimmer ein.

In dem von ihm betretenen Gemach war es nach gewöhnlichen Begriffen stockdunkel; nicht jedoch für den Detektiv, dessen Augen, da er ohnehin die ganze Zeit über im Finsteren geweilt hatte, die Dunkelheit zu durchdringen begannen und ihn sowohl die beiden am Fenster stehenden Personen als auch die Einrichtungsgegenstände des Zimmers, wenn auch nur in dunklen, ungewissen Umrissen, erkennen ließen.

Darauf bedacht, sich so schnell als möglich zu decken, ließ Nick den Blick in dem finsteren Raum umherschweifen. Links neben der Tür, durch welche er eingetreten war, befand sich ein ziemlich umfangreiches Vertiko, und neben diesem in der Zimmerecke stand auf einem zierlichen Tischchen eine große Metallvase, in welcher Topfpflanzen stecken mochten. Dies zu erkennen, reichten auch die Augen des großen Detektivs nicht aus. Wohl aber sah dieser eine Ottomane, die sich an der Seitenwand befand und etwas von dieser abgerückt stand; eine jener gepolsterten Chaiselongues, die nur ein hohes Kopfende haben und auch als Bett dienen können.

Kaum hatte der Detektiv dies wahrgenommen, als er sich auch schon lautlos auf den Boden hinter der Chaiselongue niederließ und sich derartig in die Lücke schmiegte, dass man schon direkt in diese hineinspähen musste, um ihn zu entdecken.

Sein gutes Glück hatte es Nick Carter eingegeben, dieses Versteck aufzusuchen, denn kaum hatte er sich lautlos zurechtgelegt, da trat auch schon eine der im Zimmer befindlichen Personen an den Kronleuchter, und mit raschem Druck brachte sie die elektrischen Glühbirnen zum Brennen, die nun sofort das Gemach mit Tageshelle erfüllten.

Zu seinem großen Erstaunen hörte Nick Carter dann die Stimme von Inez Navarro: »Wer es auch gewesen sein mag, er ist jedenfalls fortgegangen, denn die beiden Haustüren waren angelehnt.«

»War es Nick Carter, so können Sie das nicht behaupten, wenigstens nicht eher, bis wir das ganze Haus vom Keller bis zum Dach durchsucht haben«, wendete eine dem Lauscher unbekannte Mannesstimme ein.

»Wirklich nicht?« Inez lachte mit demselben ironischen Tonfall auf, der schon am Nachmittag zuvor Nick Carters Blut in Wallung gebracht hatte. »Nun, dann wird es wohl am besten sein, wir unterziehen uns dieser Mühe wirklich und durchsuchen das Haus … und mag es nun der berühmte Meisterdetektiv oder ein ganz gewöhnlicher Einbrecher sein … wann und wo du seiner ansichtig wirst, schieße ihn nieder. Verstehst du mich! Treffe ihn nicht nur, sondern töte ihn!«

»An mir soll es nicht fehlen … ah! Ich wollte wohl, es wäre Nick Carter! Mit welcher Wollust ich ihm eine Kugel ins Gehirn senden würde!«, sagte die tiefe Mannesstimme wieder.

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