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Schauernovellen 8 – Die neue Griseldis 8

Ferdinand Kleophas
Schauernovellen Band 2
Verlag Franz Peter, Leipzig 1843

Die neue Griseldis
8. Kapitel

Geburtsschauer

Ich saß neben Felicie auf dem Sofa. Ihre Hand ruhte in der meinen. Die Dame mit strengem Blick hatte uns verlassen. Felicie war nicht mehr die stolze, tragische Selbstmörderin; sie war ein holdlächelndes Mädchen. Ich sah nichts von dem Posthumus des Tabledʼhote Gespräches; ich sah die schönen, blassen Züge, die tränenfeuchten Augen; ich sah das wogende Florgespinst auf ihrer Alabasterbrust und war stumm – vor unendlicher Seligkeit. Felicie sah mich mit einem Blick zärtlichen Wohlwollens an und führte die Katastrophe herbei mit der Frage:

»Aber wenn Sie in der Freundschaft so heftige Gefühle äußern, wie wollen Sie es erst in der Liebe machen?«

Da lag ich wieder unten auf dem Teppich zu ihren Füßen und rief: »Freundschaft habe ich nie für Sie empfunden; mein erstes Gefühl war Liebe, unendlich gesteigert durch die lange Entfernung von Ihnen; heute erwartet sie den Todesstreich oder den Ruf zum seligsten Leben.«

»Ich werde Ihnen nicht eher antworten«, sagte Felicie wieder etwas gemessener und fast mit dem früheren Stolz, »bevor Sie nicht ruhig an meiner Seite sitzen oder«, lächelnd fügte sie das hinzu, »ich rufe meine Bonne zurück.«

Ich saß wieder an ihrer Seite, sah ihr in das blasse, schöne Dulderingesicht mit seinem unaussprechlichen Seelenausdruck. Ihre Hand ruhte in der meinen und erwiderte manchen warmen Druck sanft lächelnd und zuweilen mit der Bonne drohend.

»Aber«, fragte sie, »wo sind Sie denn während der Zeit gewesen, dass wir uns nicht gesehen haben? In Leipzig waren Sie nicht.«

»Ich habe Sie gesucht, habe nach Ihnen gespäht in allen Winkeln deutscher Erde und Sie waren mir so nahe. O hätte ich dieses ahnen können.«

»Und bin Ihnen absichtlich so nahe geblieben«, entgegnete sie freundlich, »denn welche schwache Frau freut sich nicht des Beistandes eines edlen Mannes? Vergebens aber zog ich Nachrichten über Sie ein; Sie waren und blieben verschwunden.«

»Haben Sie also doch meiner gedacht?«

»So«, antwortete sie, »dass ich eifersüchtig zu werden anfing, weil ich glaubte, Sie reisten einer anderen Schönen nach.«

Ich errötete und antwortete nicht, denn ich fühlte, dass ich ihr im Weimarschen Erbprinzen nicht ganz treu geblieben war. Doch bei einer rein platonischen Liebe kann sich die Sinnlichkeit auch einmal verirren.

Felicie mochte mein schweigsames Erröten übel gedeutet haben, denn sie fuhr fort: »Wie konnte ich auch so töricht sein, zu glauben, dass Sie einen Antrag, den Sie mir aus reinem Mitleid machten, nach sechs Monden aus Liebe wiederholen würden!« Sie vergaß ihre Zurückhaltung, wandte sich ab und weinte.

»Felicie, hören Sie mich; lassen Sie mich nicht länger auf der Folter der Ungewissheit. Wollen Sie mein sein? Die sechs Monde sind um, ich wiederhole den Antrag und …«

»Lassen Sie sich nicht von den Regungen des Herzens irre leiten, Ferdinand; überlegen Sie!«

»Überlegen? An Ihrer Seite? O, ich hätte in der Einsamkeit des Reisewagens während eines halben Jahres genug Zeit zur Überlegung gehabt, aber überlegt man denn, wenn das süßeste Glück sich uns bietet, ob wir es ergreifen sollen. Felicie, noch einmal, wollen Sie mein sein?«

»Wenn«, sprach sie zögernd, errötend und ihr Antlitz in ihre Hände bergend, »wenn das Wesen, das ich unter meinem Herzen trage, Sie Vater nennen darf!«

»Um den Preis, Sie meine Gattin nennen zu dürfen?«, fragte ich und umarmte die geliebte Braut.

Sie sank an meine Brust, unsere Lippen fanden sich und ein langer, süßer Kuss voll himmlischer Seligkeit feierte unsere Verlobung. Sie erwiderte meine Zärtlichkeiten und nannte mich scherzend einen feurigen Liebhaber. Ich umschlang sie immer enger und fester, da wurde es ihr plötzlich unwohl.

Sie stöhnte: »Lassen Sie mich, guter Ferdinand; rufen Sie meine Bonne!«

Ich verließ sie. Sie war auf das Sofa zurückgesunken. Die Bonne begegnete mir im Vorsaal.

»Felicie ist unwohl geworden, ma chère«, rief ich ihr zu, »eilen Sie ihr beizustehen.«

»Ah mon Dieu – lʼenfant.«

Sie lief zu Felicie ins Zimmer und ich fiel der Kürze halber die Treppe hinab.

Ich wusste weder Geburtshelfer noch Hebamme zu suchen und trieb sämtliche Kellner mit ihren grünen Jacken und weißen Servietten in alle Winde.

Als ich endlich die beiden Leute ankommen sah, von deren Geschicklichkeit oder Ungeschicklichkeit das Wohl und Wehe Felicies abhing, da litt es mich nicht mehr in meiner Stube, wo ich die Schmerzenslaute der Leidenden hörte. Ich stürmte hinaus in die laubbedeckten Gänge des Parkes.

Nach einer Stunde kehrte ich zurück. Der Herr Doktor verließ soeben das Haus. Kein Liebhaber kann die Gefühle nachempfinden, die in meinem Inneren wogten, als ich die Treppe hinaufstieg und mich Felicies Zimmer näherte. Der junge Gatte, der zum ersten Mal Papa geworden war, kann sich allein an meine Stelle denken. Das Schmerzenszimmer öffnete sich, die Hebamme schob ihre Haube heraus und winkte mir. Ich trat in das Zimmer wie ein Heide, der zum ersten Mal in einen christlichen Tempel tritt.

Da lag Felicie im blendend weißen Schmerzensbett, die bleichen, schönen Züge zeugten von dem überstandenen Leiden. Lächelnd, matt, aber süß lächelnd, reichte sie mir die Hand und wies auf den kleinen, schlafenden Weltbürger an ihrer Seite. Sie winkte der Bonne und Hebamme, das Zimmer zu verlassen, und ich kniete an ihrem Bett nieder.

»Noch sind Sie frei, Ferdinand! Den Antrag, den Sie der stolzen Unglücklichen machten, werden Sie vielleicht der kranken Wöchnerin nicht wiederholen. Aber sehen Sie die Natur hat selten gespielt.«

Sie reichte mir den holden, schlafenden Engel, ich nahm ihn in die zitternden Hände und o Wunder! Seine Züge waren die meinen.

»Sähen Sie erst seine Augen«, fuhr Felicie fort, »Sie fänden ganz Ihr Ebenbild.«

»So hätte Goethe recht in seinen Wahlverwandtschaften?«, fragte ich.

»Ja«, erwiderte Felicie lächelnd, »er muss wohl recht haben, da ich mit diesem Wesen unter meinem Herzen mehr und mit liebenderem Interesse an Sie gedacht habe, als mein Mund Ihnen bisher verraten durfte.«

Glücklich durch dieses Geständnis fragte ich: »Felicie, wann werden Sie mein sein, ganz mir angehören?«

»Bald, recht bald, mein Ferdinand«, entgegnete Felicie und schlang, als ich sie küsste, den Arm um mich und zog mich innig an ihre Brust.

Der Kleine erwachte aus seinem ersten Schlaf, und wirklich, meine Augen lächelten mich an aus dem Kind meiner Braut.

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