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Der Welt-Detektiv Band 6

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Deutsche Märchen und Sagen 107

Johannes Wilhelm Wolf
Deutsche Märchen und Sagen
Leipzig, F. A. Brockhaus, 1845

141. Hufeisen auf Händen und Füßen

Zwei Pferdeknechte schliefen zusammen in einem Bett im Stall. Der eine von ihnen war ein dicker, fetter Bursche und wurde mit jedem Tag noch dicker und fetter; der andere aber war mager wie ein Skelett und wurde mit jedem Tag noch magerer.

Das konnte der Fette nicht gut begreifen und fragte ihn einst: »Aber sag mir doch, wie es zugeht, dass du mit jedem Tag mehr abzehrst?«

Darauf antwortete der arme Mensch: »Ach, es ist mir angetan; jede Nacht kommt ein Weib zu mir ans Bett, das wirft mir einen Zaum über den Kopf und im selben Augenblick bin ich ein Pferd. Sie reitet bis zum hellen Morgen auf mir herum. Kann ich dabei wohl zunehmen?«

»Ist das Ding so«, sprach der andere, der nicht links war, »dann lass mich doch einmal vorn liegen und lege du dich auf meine Stelle nach hinten. Ich möchte doch gar zu gerne wissen, wie ich mich als Pferd ausnehme.«

Der Magere ließ sich nicht zweimal bitten und in der folgenden Nacht wechselten sie die Plätze. Gegen elf Uhr wurde die Stalltür leise aufgemacht und ein Weib trat herein mit einem Zaum in der Hand. Sie schlich leise zum Bett der beiden Knechte und versuchte, dem nach vorne Liegenden den Zaum über den Kopf zu streifen. Der aber, nicht faul, griff schnell nach dem Zaum und warf ihn dem Weib über, welches alsbald als eine schöne greise Mähre vor ihm stand.

»Aha, nun will ich einmal auf dir reiten, Tierchen,« sprach er, schwang sich auf und sprengte zum Stall und zum Hof hinaus aufs Feld, wo er links und rechts herumzog bis an den lichten Tag. Dann ritt er zu einem Schmied, ließ seiner Mähre vier tüchtige Hufeisen aufnageln und trabte ruhig dem Hoftor zu. Da stieg er ab und klopfte.

Unvorsichtigerweise hatte er aber in dem Augenblick das Pferd losgelassen. Es sprang fort und war verschwunden, ehe er sich dessen versah.

Der andere Knecht hatte inzwischen dem Bauer erzählt, wie der Dicke von seiner Seite gekommen sei. Der Bauer begann schon unruhig zu werden, als er eintrat.

»Nun, wie hat’s gegangen?«, fragte der Bauer.

»Ei, gut, recht gut«, antwortete der Knecht, »nur eins ärgert mich, meine Mähre ist mir fortgelaufen, ohne dass ich weiß wohin.«

»Nun, sie wird noch wohl wiederkehren,« sprach der Bauer, »schade nur, dass meine Frau so krank ist, die lachte sich tot, wenn sie das hörte.«

Die Krankheit kam dem Dicken verdächtig vor und er sprach zu dem Bauer, er möge doch gern einmal zu der Meisterin gehen, um ihr alles zu erzählen. Als er nun bei der Frau war, reichte er ihr die Hand und sprach: »Ei, guten Tag, Meisterin, Ihr seid krank? Wie geht’s?«

»Schlecht, sehr schlecht«, sprach die Frau, aber ohne ihm die Hand zu geben.

»Ei was, bin ich denn keine Hand mehr wert?«, fragte der Knecht und riss dem Weib die Decke vom Leib, denn nun glaubte er sich seiner Sache sicher. So war es auch, denn er sah zwei mächtige Hufeisen auf den Händen der Frau. Ohne ein Wort weiter zu verlieren, sprang er die Treppe hinunter und erklärte die ganze Sache dem Bauern, der sich auch davon überzeugte, zu größerer Gewissheit noch den Hufschmied fragte, um welche Stunde sein Knecht ein Pferd beschlagen lassen habe. Als er alles übereinstimmend gefunden hatte, ging er zum Pfarrer, um sich bei dem Rat zu holen. Der untersuchte die Frau und fragte sie aus, aber da war keine Hilfe mehr möglich, denn sie hatte ihr Zauberreiten aus der siebenten Hand. Darum riet der Pfarrer, ihr zur Ader zu lassen, bis sie sich tot geblutet hätte. Das geschah denn auch und so wurde die Welt von dem Weib befreit.

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