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John Sinclair Classics Band 49

Jason Dark (Helmut Rellergerd)
John Sinclair Classics
Band 49
Im Haus des Schreckens

Grusel, Heftroman, Bastei, Köln, 16.07.2019, 66 Seiten, 1,90 Euro, Titelbild: Ballestar
Dieser Roman erschien erstmals am 06.09.1977 als Gespenster-Krimi Band 208.

Kurzinhalt:
Kennst du ein Haus, in dem Albträume Wirklichkeit werden? Oder kennst du eine Wohnung, in der schon beim Einzug dein Sarg bereitsteht?

Hast du vielleicht eine Erbtante, die mit toten Mietern zusammenlebt und dir ihr Haus vermachen will? Nein?!

Dann solltest du jetzt sofort Mrs. Longford in der Charles Street einen Besuch abstatten. Sie erwartet dich schon …

Leseprobe

Mitternacht!

Stunde der Dämonen, der Geister und der Geschöpfe der Finsternis. Denn das ist ihre Zeit. Dann verlassen sie die Dimensionen des Schreckens, um den Menschen Albträume zu bringen oder sie zu quälen.

Wie auch Lydia Rankin.

Sie konnte nicht schlafen. Immer wieder wälzte sie sich in ihrem Bett herum. Ihr war heiß und kalt zugleich. Schweiß bedeckte ihre schmale, blasse Stirn. Und sie hatte Angst. Das Gefühl lastete wie ein Albdruck auf ihrer Brust und ließ sich nicht verdrängen.

Die zwölf Glockenschläge der nahen Kirche kündigten die Tageswende an. Ihr Klang erreichte die Ohren der jungen Frau und erinnerte sie an die Totenglocke ihrer Heimatstadt.

»Mein Gott«, flüsterte Lydia, »was ist denn bloß los mit mir?«

Sie setzte sich auf. Ihr Atem ging schwer. Der Albdruck war noch nicht verschwunden.

Über dem Bett hing an der Wand eine kleine Lampe. Lydia fand den Schalter.

Schon bald brannte das Licht. Der Schein war mild und anheimelnd. Normalerweise jedenfalls. Jetzt kam er Lydia vor wie ein gespenstisches Leuchten. Er streifte mit seinem gelben Schimmer das hohe, durch ein Holzkreuz geteilte Fenster.

Das Zimmer war Lydia plötzlich unheimlich.

Genau wie das gesamte Haus.

Vor drei Tagen war sie eingezogen. Sie war aus einem kleinen Dorf an der schottischen Grenze nach London gekommen. Arbeit hatte sie bei einer Versicherung gefunden. Einen vollen Monat lang hatte sie in einer Pension gewohnt, bis sie eine Anzeige in der Zeitung gefunden hatte. Genau erinnerte sie sich noch an den Text.

RUHIGER MIETER GESUCHT FÜR EIN HAUS IN MAYFAIR. BESTE LAGE. LIEBENSWERTE NACHBARN ERWARTEN SIE.

Lydia hatte sich bei dem angegebenen Makler gemeldet. Der Mann hatte sie erst einmal mehrere Minuten lang genau betrachtet. Dann hatte er gelächelt und gesagt: »Okay, Sie können einziehen, Miss Rankin!«

Das war alles gewesen. Keine Kaution, keine Mietanzahlung – nichts. Lydia hatte sich gefreut wie eine Schneekönigin. Und sie war sogar noch erstaunter gewesen, als sie hörte, dass sie die einzige Mieterin in dem Haus sei.

In einem vierstöckigen Haus!

Nur im Parterre wohnte die Besitzerin, Mrs. Martha Longford, eine schon ältere Dame, die Lydia ebenso seltsam angesehen hatte wie der Makler.

Lydia Rankin griff nach ihren Zigaretten. Dann flammte das Feuerzeug auf. Es glänzte golden, und Lydia konnte ihr Gesicht in dem spiegelnden Metall sehen.

Was sie sah, gefiel ihr gar nicht. Dicke Ränder lagen unter ihren Augen. Die Haut wirkte eingefallen, beinahe schon welk. Das rote Haar war stumpf geworden, obwohl sie es am vorigen Abend erst gewaschen hatte.

Es war eine Tatsache. Seitdem sie in diesem Haus lebte, verfiel sie immer mehr.

Lydia sog den Rauch ein. Sie musste husten und drückte die Zigarette wieder aus.

»Ich werde wohl ausziehen«, murmelte sie. »Lieber mehr Miete bezahlen, als hier vor die Hunde gehen.«

Sie dachte wieder an die Hausbesitzerin. Vielleicht sollte man mit ihr mal reden. Ich werde sie fragen, aus welchem Grund sie die anderen Zimmer nicht vermietet hat, nahm Lydia sich vor.

Ich werde sie …

Ihre Gedankenkette wurde unterbrochen.

Sie hatte Geräusche gehört. Über ihr!

Aber da wohnte niemand. Mrs. Longford hatte es ihr deutlich genug gesagt. Über ihrem Zimmer befand sich der Speicher. Und der war immer abgeschlossen.

Und doch …

Stimmen! Wispernd, raunend. Dann ein freudloses Lachen, das in einem Kichern endete.

Lydia bekam es mit der Angst zu tun. Eine Gänsehaut bildete sich und rieselte kalt den Rücken hinunter.

Sie erhob sich von der Bettkante und schlich auf Zehenspitzen zur Tür. Sie musste dabei am Fenster vorbei und warf einen Blick nach draußen.

Vor der Scheibe ballte sich die Dunkelheit. Die nächste Laterne stand einige Yards weiter. Ihr Schein reichte nicht einmal bis zur Haustür.

Auf der Straße war es ruhig. Kein Wagen fuhr, kein Hupgeräusch durchbrach die Stille der Nacht. Die gegenüberliegenden Häuser waren nur in ihren Umrissen zu erkennen. Sanft bogen sich die dichtbelaubten Bäume der Vorgärten im Nachtwind.

Lydia ging weiter. Sie erreichte die Tür, deren dunkel gebeiztes Holz im Laufe der Zeit an einigen Stellen gesplittert war. Überhaupt standen in dem Zimmer nur alte Möbel. Ein wuchtiger, fast bis zur Decke reichender Schrank, Stühle mit gedrechselten Beinen, der kleine runde Tisch und das Bett mit der hohen Kopf- und Fußseite.

Das Waschbecken befand sich in einer Ecke des Zimmers, direkt neben dem Schrank. Es war keine Dusche vorhanden, ein Bad sollte angeblich im Keller existieren, doch Lydia hatte es noch nicht gesehen.

Die Tür war abgeschlossen.

Lydia tat dies immer, bevor sie sich zu Bett legte. Jetzt tastete sie mit zitternden Fingern nach dem Schlüssel und drehte ihn herum. Gut geölt schnappte das Schloss zurück.

Lydia Rankin blieb stehen und lauschte. Die Geräusche waren verstummt.

Lydia wischte sich über die Stirn. Hatte sie das alles nur geträumt, sich einfach eingebildet? Nein, sie hatte wach gelegen. Die Geräusche waren keine Einbildung gewesen.

Sie fror plötzlich in ihrem dünnen Nachthemd, das nur aus einem Hauch von durchsichtigem Stoff bestand und sich eng um die wohlproportionierte Figur schmiegte. Das Nachthemd reichte bis auf die Knöchel und schimmerte grünlich.

Darunter trug Lydia nur die nackte Haut. Die Spitzen der wohlgeformten Brust drückten gegen den dünnen Stoff.

Plötzlich zuckte die junge Frau zusammen.

Schritte! Sie hatte Schritte gehört.

Vor der Tür, im Treppenhaus.

Lydias Herz schlug schneller. Die Schritte kamen von oben, die Treppe herunter. Und es waren mehrere Personen, die sich ihrer Tür näherten.

Dann verstummten die Schritte.

Lydias Hand lag auf der Türklinke. Nervös nagte die junge Frau auf ihrer Unterlippe. Deutlich spürte sie das Gefühl der Angst, das sie umklammert hielt. Sollte sie es wagen und die Tür öffnen? Sollte sie kurzerhand in das Treppenhaus gehen, um den seltsamen Geräuschen auf die Spur zu kommen?

Es war vielleicht das Beste. Außerdem konnte sie Mrs. Longford informieren und ihr Bescheid geben, was sich im Haus abspielte.

Entschlossen drückte Lydia Rankin die Klinke. Spaltbreit zog sie die Tür auf und starrte in das Treppenhaus.

Nichts. Dunkelheit. Drohend und gefährlich.

Lydia vergrößerte den Türspalt und schob sich aus dem Raum. Nach zwei Schritten stieß sie mit ihrem rechten Schienbein gegen etwas Hartes, Unnachgiebiges.

Nur mühsam unterdrückte sie einen Schrei. Dann bückte sie sich. Und ihr fiel im gleichen Moment ein, dass sie noch immer das Feuerzeug in der Hand hielt.

Sie schnippte es an. Ruhig brannte die kleine Flamme, erhellte im Umkreis von einem halben Yard die Dunkelheit.

Und dann sah Lydia das Hindernis, gegen das sie gestoßen war.

Es war ein weißer Sarg!

 

*

 

Im ersten Augenblick dachte Lydia an gar nichts. Steif, starr und tot war alles in ihr.

Dann aber kam die Reaktion.

Urplötzlich fing sie an zu zittern. Sie merkte, wie ihre Beine nachgaben und sie sich nur mit einer instinktiven Bewegung am Türrahmen festhalten konnte. Das Feuerzeug entglitt ihren Fingern, fiel zu Boden und verlöschte.

Lydia geriet nahe an den dunklen Rand der Ohnmacht. Doch sie schaffte es und blieb an die Türverkleidung gelehnt stehen.

Und plötzlich hatte sie das Gefühl, als wäre die Dunkelheit vor ihr voller Leben. Sie hörte wieder die Geräusche und Stimmen.

Wispern, Flüstern, Raunen!

»Nein!«, keuchte Lydia. »Nein. Ich will nicht mehr … ich …«

Sie konnte nicht mehr weitersprechen. Eine eiskalte Hand lag plötzlich auf ihrer Schulter. Der Schock traf sie bis in die letzte Nervenfaser.

Lydia stöhnte auf.

»Ja, sie ist gut«, hörte sie eine krächzende Stimme. »ER wird sich freuen, wenn ER den Nachschub bekommt. Endlich. Es hat lange gedauert. ER wird zufrieden sein.«

Etwas raschelte. Ein Zündholz ratschte über eine Reibfläche, zischte auf und wurde gegen eine Fackel gehalten.

Tanzender Lichtschein erhellte auf einmal den Flur. Lydia Rankin sah die Gestalten vor sich. Sie hatten sich im Halbkreis aufgebaut. Schreckliche Wesen, Geschöpfe der Nacht.

Fünf zählte die junge Frau insgesamt. Fünf Albtraumgeschöpfe, fünf Ausgeburten der Hölle.

Schaurige Fratzen starrten sie an, bleiche Totengesichter, völlig behaarte Physiognomien. Diejenige, die Lydia ihre Hand auf die Schulter gelegt hatte, besaß ein bleiches Totenantlitz und eine so dünne Haut, dass schon die Knochen durchschimmerten.

Mit einem Aufschrei schlug Lydia die kalte Hand von ihrer Schulter.

»Warmes, schönes Fleisch«, flüsterte die Alte. Sie öffnete den zahnlosen Mund und begann zu kichern.

Die Gestalt, die die Fackel hielt, streckte den Arm aus. Die Flammensäule geriet in Bewegung. Gespenstische Schatten tanzten über die Gesichter der Gestalten und ließen sie noch fratzenhafter erscheinen.

»Komm, mein Täubchen«, flüsterte jemand, »der Sarg wartet auf dich. Der weiße Sarg.«

Eine knochige Hand klopfte auf den Deckel. Es gab ein hohl klingendes Geräusch, das Lydia Rankin durch Mark und Bein fuhr, sie aber auch gleichzeitig aus ihrer Lethargie riss.

Wehr dich!, schrie es in ihr. Los, wehr dich!

Mit einem Schrei auf den Lippen warf sich die junge Frau herum. Eine Hand, die in ihr langes Haar fassen wollte, drosch sie zur Seite, hetzte in ihr Zimmer und warf wuchtig die Tür hinter sich zu. Sie merkte kaum, dass sie den Schlüssel herumdrehte, sondern rannte sofort zum Fenster.

Hinter ihr wurde gegen das Holz der Tür getrommelt.

»Wir kriegen dich, Täubchen, wir kriegen dich!«, hörte sie die schrecklichen Stimmen. Die Laute gingen ihr unter die Haut. Angstschauer jagten durch ihren Körper. Sie stolperte über einen Stuhl, der ihr im Wege stand, und erreichte dann endlich das Fenster.

Hart krallte sie die Finger der rechten Hand um den Griff, wollte ihn herumdrehen und das Fenster aufreißen. Es ging nicht. Der Griff saß fest.

Lydias Augen wurden groß. »Nein!«, ächzte sie. »Nein, ich…« Sie presste ihr Gesicht gegen die Scheibe.

Und dann sah sie die Augen. Groß und gelb leuchteten sie in der Dunkelheit vor dem Fenster. Dazu das Gesicht mit der durchscheinenden Haut. Es war dasselbe, das sie auch im Flur gesehen hatte.

Die Gestalt schwebte vor ihrem Fenster.

Gleichzeitig droschen harte Fäuste gegen die Tür. Nicht mehr lange, dann würden die Gestalten in den Raum quellen und wie eine Woge alles überschwemmen.

Lydia glaubte, den Verstand zu verlieren.

Die Gestalt vor dem Fenster schwebte näher, war nur noch eine Armlänge von der Scheibe entfernt.

Da schlug die Unheimliche zu. Ihre Faust fuhr durch die Fensterscheibe. Scherben und Splitter regneten Lydia Rankin entgegen.

Sie riss beide Hände hoch, wich zurück. Der Angstschrei erstarb auf ihren Lippen.

Inmitten der Scherben und Glassplitter kam die Unheimliche in das Zimmer. Reste der Scheibe, die noch im Rahmen steckten, schlug sie kurzerhand weg. Und keine Wunde zeigte sich auf ihrem Körper, obwohl die Schnittstellen deutlich zu sehen sein mussten.

Lydia Rankin konnte gar nicht mehr schreien. Grauen und Angst hatten ihre Kehle zugeschnürt. Mit einem verzweifelten Sprung warf sie sich auf das Bett. Nur weg von diesen grässlichen Totenhänden. Sie rollte sich zweimal um die eigene Achse, fiel an der anderen Seite des Bettes auf den Boden und wollte sich aufrichten, als die Tür plötzlich aus den Angeln brach.

Personen

• Lydia Rankin, Reporter

• Makler

• Mrs. Martha (Betty?) Longford, Vermieterin

• Albtraumgeschöpfe

• Jane Collins, Privatdetektivin

• John Sinclair, Oberinspektor bei Scotland Yard

• Ober

• Nachbarn

• Polizeibeamte

• Oberinspektor Spencer, Chef der Mordkommission

• Garry Quinn, Terrorist, Mitglied der europäischen Anarche-Szene

• Eve Gordon, Terroristin

• Ramsey, Butler des Hill-Clubs

• Edward Pommeroy, Anwalt

• Charlie, Barkeeper

• Ramon Vanescu, untoter Magier, Höllendiener

• untote Monster

Orte:

• London

Quellen:

• Jason Dark: John Sinclair Classics. Geisterjäger John Sinclair. Band 49. Bastei Verlag. Köln. 16.07.2019

• Thomas König: Geisterwaldkatalog. Band 1. BoD. Norderstedt. Mai 2000

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