Heinrich I. empfängt die Reichsinsignien (919)
Heinrich sitzt am Vogelherd, als ihm die Botschaft von der Königswahl mit den Reichsinsignien überbracht wurde.
Die Nachfolger Karl des Großen, von ihm die Karolinger genannt, bilden bis zum Erlöschen dieses Stammes eine fortlaufende Kette von untüchtigen Regenten und die Geschichte führt sie gleichsam nur spottweise in ihren Leibes- und Geistesgebrechen auf. So findet man zum Beispiel einen Karl den Dicken, einen Karl den Kahlen, einen Ludwig den Einfältigen, einen Ludwig das Kind usw.
Ludwig der Fromme starb im Jahre 840 mehr an einem gebrochenen Herzen, wozu ihm seine eigenen Söhne Lothar, Pippin und Ludwig, nachmals der Deutsche genannt, durch so viele Jahre hindurch brachten, als infolge seines Alters. Nach seinem Tod stritten sich die Brüder selbst um die Oberherrschaft und verursachten dadurch allenthalben blutige Kriege.
Lothar war nämlich im Jahre 817, als sein Vater das Reich Karl des Großen unter seine drei Söhne teilte, zum Mitregenten angenommen worden. Damit begannen aber schon damals die Zerwürfnisse, welche infolge blutiger Familien- und Volkskriege die Herabwürdigung des kaiserlichen Ansehens, die Erhebung der Kirche zur Schiedsrichterin in Thronstreitigkeiten sowie die Trennung Deutschlands, Frankreichs und Italiens herbeiführten.
Ludwig bestimmte für Lothar das mittelfränkische Reich und den Kaisertitel und gab ihm nach dem Tod seines Neffen, den unglücklichen Bernard, der an seiner Blendung starb, Italien, worauf er vom Papst die kaiserliche Krönung erhielt. Nun wurde aber dem Kaiser von seiner zweiten Gemahlin Judith ein Sohn, Namens Karl der Kahle, geboren, welchen der Vater auf Judiths Zureden einen Teil der schon verteilten Länder bestimmte. Darüber empörten sich nun die drei Söhne erster Ehe und stießen ihren schwachen Vater, durch Verrat und Treulosigkeit begünstigt, schimpflich vom Thron. Ludwig gelangte zwar wieder zu seiner Macht und ordnete eine neue Teilung an, nach welcher er noch überdies die beiden Söhne Pippins, der im Jahre 838 starb, von der Erbfolge ausschloss und dessen Land unter Lothar und seinen jüngsten Sohn Karl teilte. Über diese Teilung aufgebracht, griff Ludwig zu den Waffen. Da in dieser Verwirrung der Kaiser starb, so wollte er als kaiserlicher Nachfolger die ganze Monarchie in Besitz nehmen.
Damit unzufrieden verbanden sich nun die feindlichen Brüder und schlugen ihren älteren Bruder Lothar bei Fontenay in Burgund so entscheidend, dass er sich nach dieser empfindlichen Niederlage nicht mehr erheben konnte.
Um endlich den vielen Streitigkeiten wegen des Länderbesitzes ein Ende zu machen, kamen die drei Brüder im Jahre 843 zu Verdun zusammen und bewirkten hier jene merkwürdige Teilung, wodurch die große fränkische Monarchie nach einem so kurzen Bestand in drei voneinander unabhängige Reich, nämlich in das Mittelfränkische, Westfränkische und Ostfränkische Reich geteilt wurde. Ludwig erhielt das Ostfrankenreich bis an den Rhein und jenseits desselben noch die Städte Mainz, Speyer und Worms mit ihren Gauen. Das Westfrankenreich, von welchem später allein der Name Frankreich blieb, bekam Karl der Kahle und Lothar nahm die Kaiserwürde, Italien und alles Land zwischen dem West- und Ostfrankenreich von der Nordsee an, die Schelde Maas und den Rhein hinauf und dann wieder die Rhone hinunter bis zum Mittelmeer.
Von Ludwigs Regieren lässt sich gerade nicht viel Rühmliches sagen. Er führte Krieg mit dem berühmten mährischen Herzog Zwentibold unglücklich und erlitt auch von den Normannen, einem seeräuberischen Volk, empfindliche Niederlagen, welche dadurch immer kühner gemacht, viele Küstenstreifen ungestraft plünderten, ja sie streiften sogar in die See mündenden Flüsse und plagten und verheerten zu beiden Seiten derselben das Land tief hinein mit ihren unwillkommenen Besuchen.
Um diesen wiederholten Einfällen der Normannen und Slaven, besonders der Wenden, kräftige Sicherheitsanstalten entgegenzusetzen, entstanden die Markgrafen und Burgen. Ludwig vergrößerte auch noch sein Gebiet durch Köln, Trier, Aachen, Utrecht, Metz, Straßburg, Basel und mehrere Ortschaften und Teile des linken Rheinufers, die ihm aus der Erbschaft seines Neffen zufielen.
Nach dem Tod Ludwigs machten seine Söhne Karlmann, Ludwig der Jüngere und Karl der Dicke abermals eine Teilung im Ostfrankenreich, nach welcher Ludwig den größten Teil dieses Reichs erhielt. Karlmann und Ludwig aber starben bald darauf, und so wurde der überlebende Karl wieder Herr vom ganzen Ostfrankenreich.
Da auch zu jener Zeit die Glieder des karolingischen Stammes im Frankenreich und Italien ausgestorben waren, so wurde unter ihm das mächtige Reich seines Urgroßvaters Karl des Großen fast in seinen ehemaligen Grenzen wieder vereinigt. Der Geist dieses großen Ahnherrn, der nur allein diese Masse so ungleichartiger Teile zusammen zu halten vermochte, war aber längst entflohen und Karl in der Achtung seiner Völker so sehr gesunken, dass ihn die Fürsten im Jahre 887 der Regierung für verlustig erklärten, das bisherige Erbreich in ein Wahlreich verwandelten und seinen Neffen Arnolf von Kärnten auf den neu errichteten königlichen Thron erhoben.
Nach mehreren harten Kämpfen mit den Slawen in Mähren, gegen welche er westslawische Stämme herbeirief, erwarb er sich zuletzt im Jahre 896 durch den Sieg über den Herzog Berengar von Friaul, der sein Geschlecht in weiblicher Linie von Karl dem Großen ableitete, auch die Kaiserkrone.
Arnolf besaß aber diese Würde nicht lange, da er bald nach seiner Rückkehr aus Italien starb, worauf die Fürsten aus besonderer Rücksicht für seine Verdienste, seinen sechsjährigen Sohn Ludwig das Kind zum Nachfolger erwählten.
Unter diesen schwachen Regenten verlor sich das königliche Ansehen gänzlich bei den Großen. In Sachsen waltete der Herzog Otto der Erlauchte ohne Rücksicht auf das Reich, und im Frankenreich wütete heftige Fehde zwischen den beiden mächtigen Geschlechtern der Babenberger und Rothenburger. Diese Schwäche des zwieträchtigen Staates benutzten westslawische Stämme zu furchtbaren Einfällen, in welchen sie das offene Land verheerten und die Einwohner in harte Gefangenschaft schleppten.
Voll tiefen Jammer über all dieses Missgeschick erfüllt, welches Ludwig V. nicht zu wenden vermochte, starb er schon im achtzehnten Jahr seines Alters. Mit ihm erlosch auch der Stamm der Karolinger.
Das Reich wurde nun in den kläglichsten Zustand versetzt und bedurfte eines kräftigen Regenten, zu dessen Wahl sich die Fürsten in Mainz und Worms versammelten, wo ihre Stimmen auf den Herzog Konrad von Franken fielen, der sogleich unter dem Namen Konrad I. zum König ausgerufen wurde und eigentlich als der erste ostfränkische Wahlkönig zu betrachten ist. Ostfranken behauptete sich auch seitdem als ein Wahlreich bis zum 6. August 1805, an welchem Tag Kaiser Franz II. die deutsche Kaiserkrone und das Reichsregiment auf Grund der Errichtung des Rheinbundes niederlegte und die Reichsstände von ihren Pflichten entbunden wurden.
Konrad hatte tätig zu wirken, um die Ruhe im Ostfrankenreich, welche durch die widerspenstigen Fürsten selbst gestört wurde, sowie das so tief gesunkene königliche Ansehen wieder herzustellen, konnte aber dabei nicht verhindern, dass die Westslawen zweimal in das Land verheerend einfielen und zuletzt bis Elsass und Lothringen vordrangen. Konrad starb schon im Jahre 919, beschloss aber sein Leben mit einem Zug wahrhaften Edelsinns.
Er ließ nämlich vor seinem Ende seinen Bruder Eberhard zu sich kommen und sagte zu ihm in Gegenwart vieler anderer Fürsten und Herren: »Lieber Bruder, ich fühle es, dass ich sterben werde, lasse dir also deine eigene Wohlfahrt und das Beste der Franken empfohlen sein. Wir sind imstande, Heere zu stellen, haben Städte und Waffenvorrat und alles, was zum königlichen Glanz gehört, nur Glück und Geschicklichkeit haben wir nicht. Dieses aber besitzt im vollen Maße der erprobte und tapfere Sachsenherzog Heinrich. auf diesem beruht also allein das Wohl des Reiches. Nimm diese Zeichen der Königswürde, Mantel, Lanze, Schwert und Krone der alten Könige, gehe damit zu Heinrich und melde ihm, dass ich ihn Euch zu meinem Nachfolger empfohlen habe.«
Heinrich selbst wusste von dieser Wahl nicht das Geringste und konnte auch kaum glauben, dass bei der zwischen den Franken und Sachsen bestandenen Feindschaft der sterbende Konrad die Wahl auf ihn gelenkt haben sollte.1
Es geht die Sage, dass Eberhard, der gleich nach dem Tod seines Bruders mit den Reichsinsignien zum Harz abging, den Sachsenherzog auf der Jagd mit Vogelfang und Waidwerk beschäftigt gefunden habe, wovon ihm die meisten Chronikschreiber den Beinamen des Vogelstellers gaben.
Heinrich verdient aber eher der Große genannt zu werden, da er das zerfallene Reich in weniger als zwanzig Jahren zur ersten Macht der Christenheit erhob und dem Volk den alten Ruhm ihrer Tapferkeit gegen ihre Feinde wieder gab.
Er war von männlich schöner Gestalt und großer Milde der Sitten und des Umgangs. Mut und Frömmigkeit waren ihm schon als Eigenschaften seines Zeitalters im hohen Grad eigen.
In früheren Jahren hatte er einst, mehr zu Fuß als zu Pferde, zur Büßung seiner Sünden eine Reise nach Rom unternommen.
Unermüdliche Tätigkeit, Beharrlichkeit und unaufhaltsame Schnelligkeit im Streben nach einem Ziel bezeichnen ihn in jeder seiner Handlungen. Jagte er, so ließ er nicht ab, bis er mit eigener Hand dreißig, ja oft vierzig Eber, Hirsche und Bären oder anderes Wild an einem Tag erlegt hatte.
War er in Waffenübungen, so legte er nicht früher die Lanze weg, bis kein Gegner mehr zu besiegen war. Stand er einmal an der Spitze der Truppen, so ging es über Rhein und Main, Elbe und Havel, und kein Zug verfehlte seines Zieles.
Seine Leidenschaftlichkeit hatte ihn zu vielem Bösen hinreißen können, wenn sie nicht durch einen früh gereiften Verstand geleitet worden wäre; aber er sah immer das Gute zuerst, und so findet sich in seiner ganzen Regierung keine Spur von einer Ungerechtigkeit.
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