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Der Welt-Detektiv Band 6

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Fort Wayne – Band 1 – Kapitel 7

F. Randolph Jones
Fort Wayne
Eine Erzählung aus Tennessee
Erster Band
Verlag von Christian Ernst Kollmann. Leipzig. 1854

Siebentes Kapitel

Als die Sonne sich zum Untergang neigte, bot der Punkt, auf welchem wir Edista und ihren neuen Beschützer verlassen haben, ein belebteres, jedenfalls höchst charakteristisches Bild dar. Wohl ein halbes Hundert kräftiger Rothäute umschloss zirkelförmig den Stamm eines umgestürzten Baumes, auf welchem der Häuptling und drei oder vier der angesehensten und erfahrensten Krieger Platz genommen hatten. Durch die rauschenden Baumwipfel fielen schwankende Streiflichter auf den samtweichen Moosgrund des Platzes und auf die schlanken Gestalten, die im vollen Schmuck des Krieges vergeblich ihre feurige Erregtheit unter der Maske jener indianischen Gleichgültigkeit zu verbergen strebten, die von den Söhnen der Natur für die erste der Tugenden gehalten wird. Den düstern, gleichsam versteinerten Zügen des Häuptlings, der mit der einen Hand die Wolldecke fester zusammenzog, während die andere dem Nachbar, einem ergrauten Veteranen, die rauchende Tonpfeife zuschob, sind wir schon einmal begegnet.

Es war Takanmah, dessen Name seit länger als zwei Jahrzehnten und eben nun wieder wie ein Schreckgespenst die Kolonie durchflog, mit dem die Frau des einsamen Farmers das widerspenstige Kind in atemlose Furcht setzte, und auf dessen Haupt so viele tausend Flüche und Verwünschungen gehäuft waren, als der gesetzgebende Rat von Georgia oder Karolina Dollar dafür zahlen würde. Der Erste in der Reihe der Jünglinge, der so stolz und siegesfroh auf ein zu seinen Füßen liegendes, aus dicht umschnürten Wolldecken gebildetes Packet niederblickte, war Watungo, Takannahs Bruderssohn und designierter Thronfolger in dem loyalen Reich der Cherokee. Jedenfalls war das erwähnte Paket vollkommen geeignet, die Aufmerksamkeit Watungos und seiner jungen Freunde zu beschäftigen, denn seltsamer Weise hörte es nicht auf, sich in absonderlichen Krümmungen zu bewegen, hin und her zu kollern und selbst dann und wann gewisse grunzende Töne von sich zu geben, die auch den gelehrtesten Naturforscher über die eigentliche Beschaffenheit dieses wunderbaren Monstrums in Zweifel gelassen haben würden.

Es war in der Beratung der Indianer eine Pause eingetreten; Takannah blickte finster auf eine zu seinen Füßen aus dem Gras hervorblitzende europäischeBüchse, die einzige Waffe der Art, welche gegenwärtig im Kreis der Versammelten zu finden war. Aus den Gesichtern der Übrigen war zu entnehmen, dass sie mit Spannung den Entschlüssen des viel bewunderten und berühmten Häuptlings entgegenharrten.

»Hat einer meiner jungen Brüder unter den Cherokee die Spur der weißen Männer verfolgt?«, begann Takannah endlich mit einem Blick auf die jüngeren Krieger, »oder sollen wir zurückkehren in unsere Wigwams, um das Lachen und die Spottreden unserer Weiber zu vernehmen? Es sind wackere Männer in die ewigen Jagdgefilde gegangen, getroffen von den Kugeln der Unersättlichen, die auf den Gräbern unserer Vorfahren die Hufe ihres Viehes stampfen lassen.«

Zwei oder drei der jungen Leute traten ein paar Schritte in den Kreis vor und erwarteten augenscheinlich eine direktere Aufforderung zum Sprechen.

»Was haben die Augen Otochees gesehen?«, fuhr Takannah fort, »haben sie die Fußtapfen des Feindes auf dem Moos gefunden und war sein Ohr geöffnet dem Rauschen des Windes?«

»Otochee weiß, wohin die Diebe ihren Weg genommen haben. Er ist ihnen gefolgt bis an das Wasser des Watahib. Er hätte die Augen nicht gebraucht, denn die Füße der Weißen sind schwer und lassen sich in der Nacht mit den Händen finden.«

Takannah erhob sich nun rasch, griff nach seiner Büchse und schien im Begriff, die Versammlung aufzuheben, als sein Blick auf Watungo fiel, der noch immer mit sprechenden Mienen das geheimnisvolle Paket zu seinen Füßen musterte. Mit einem unheimlichen Lächeln nahm Takannah schnell wieder seinen Platz ein. Auf einen Wink von ihm ergriffen Watungo und zwei seiner Gefährten den unförmlichen Gegenstand der allgemeinen Neugierde und legten ihn vor dem improvisierten Thron des Häuptlings nieder.

»Meines Bruders Sohn hat Beute gewonnen!«, sagte Takannah, »er ist würdig, ein Krieger zu sein, und Manitou wird einen tapferen Häuptling aus ihm machen. Ist der Skalp des Blassgesichts an seinem Gürtel oder hat er es lebend in den Rat der Cherokee gebracht?«

»Der Gefangene ist lebendig wie das Reh, welches in die Fanggrube gefallen ist!«, erwiderte Watungo, »sein Skalp ist doppelt, er ist ein großer Medizinmann.«

Damit zog der junge Krieger aus seinem Gürtel – o Wunder und Erstaunen – nicht eine blutige Kopfhaut, die schreckliche Trophäe des indianischen Waldkrieges, sondern eine wohlgelockte, freilich etwas zerzauste und ihres Puders beraubte Perücke und präsentierte sie der Versammlung, die das seltsame Phänomen mit einem erstaunensvollen Hau! begrüßte. Selbst Takannah konnte nicht umhin, seine Hand nach dem wunderbaren Kleinode auszustrecken. Er befühlte prüfend den aus schwarzem Taffet bestehenden Haarbeutel und ließ das unglückselige Produkt überseeischer Zivilisation mit unverkennbarer Neugierde auf seinem ausgestreckten Zeigefinger tanzen. Wahrscheinlich würde sich behufs der Erörterung dieses merkwürdigen Falles eine neue tiefsinnige Debatte unter den unkundigen Kindern der Wildnis entsponnen haben, wenn die plötzlichen und konvulsivischen Bewegungen des Paketes, welches geisterhaft auf dem Boden umherzurollen begann, nicht die Aufmerksamkeit der Indianer jnun aufs Lebhafteste in Anspruch genommen hätten.

»Watungo mag die Bande des Medizinmannes lösen!«, gebot Takannah, »denn er könnte uns Donner und Sturmwind machen. Wir müssen sanft in seine Ohren reden.«

Der junge Krieger begann seine Beute aus ihrer engen Umhüllung zu befreien. Als die Baststricke allmählich sich lösten und die Wolldecken zurückfielen, zeigten sich den gespannten Blicken der Versammelten zuerst ein Paar Halbstiefelchen, denen sehr dünne Waden und Schenkel, dann ein desto umfangreicherer Bauch und endlich ein apoplektisch dunkelrot gefärbtes Antlitz und eine in makelloser Kahlheit schimmernde Glatze folgte. O, ihr Götter und Halbgötter, ihr Nymphen und Dryaden der Tennessee-Wälder, ihr fieberhaften, rheumatischen und an allen Übeln des sterblichen Leibes leidenden Bewohner von Charleston! Hättet Ihr in diesem von Angst, Wut und Glühhitze verzerrten Gesicht, in diesem, in der abnormsten Lage und unschönsten Situation zu Tage geförderten Körper den berühmten Stern der amerikanischen Heilkunde, den patriotischen Bürger und Republikaner, den gemütlichsten Spaßmacher in ganz Carolina, hättet Ihr in diesem unglückseligen Opfer eines verhängnisvollen Geschicks Euren guten, lieben Doktor Littlewood erkannt? Und doch war er es! Ehe einige Minuten vergangen waren, ehe noch das Gemurmel der Verwunderung und unzählige Hau! unter den Indianern verhallt waren, kehrte Leben, Bewusstsein und das Gepräge der unsterblichen Psyche in die erstarrten Glieder des gefangenen Äskulaps zurück. Er war wieder er selbst, als der kühlende Westwind seine schweißperlenden Schläfe erquickte. Obwohl die Zierde seines Antlitzes, die goldene, radförmige Brille, im Sturm der Ereignisse verschwunden war, schweiften dennoch die kleinen Äuglein so scharf und forschend im Kreis umher und pustete und schnaubte er doch so unbefangen und rücksichtslos, als sei es eine kunstgerechte, ärztliche Konsultation, welcher er tief in der Nacht des Waldes unter den grimmigsten Kriegern obzuliegen habe.

Nachdem die Indianer sich von ihrem Erstaunen hinlänglich erholt hatten, nahm Takannah, dessen Blicke fortwährend zwischen der Perücke in seiner Hand und dem kahlen Haupt des Arztes hin- und hergewandert waren, das Wort.

»Das blasse Gesicht mit zwei Skalpen hat seinen Weg gefunden zu den Cherokee. Es ist willkommen und soll reden zu uns; aber nur mit einer Zunge.

Ist mein weißer Bruder ein großer Zauberer und gekommen, die Augen der Cherokee blind zu machen mit seinen Künsten?«

Der Doktor, der inzwischen – und wir müssen seiner Kaltblütigkeit und ruhigen Fassung unsere vollste Anerkennung zollen – seine völlige Fassung wieder erlangt hatte, blickte dem Häuptling mit einer Mischung von Verschlagenheit, Trotz und einem Rest von Furcht in das ungeachtet des beruhigenden Grußes noch immer mürrische und lauernde Antlitz.

»Ob ich ein Zauberer bin?«, versetzte Littlewood mit scharfer Betonung und augenscheinlich etwas pikiert über den Verdacht eines so unwissenschaftlichen Berufs, »wenn ich ein derartiges Geschöpf wäre, solltet Ihr Herren es sicher bald genug empfinden. Vorläufig protestiere ich im Namen der Zivilisation und der Menschenrechte gegen die Anmaßung, einen freien Bürger der Vereinigten Staaten, der zu seinem Vergnügen reist, in die Form eines Baumwollballens zu verwandeln.«

Takannah richtete unverwandt seinen forschenden Blick auf den kecken Sprecher, dessen Benehmen ganz anders war, als er es von einem Gefangenen erwartete.

»Der weiße Mann ist auf unseren Jagdgebieten gefunden worden. Er war nicht allein, das Blut der Cherokee-Krieger ist an seiner Hand. Was will er sagen?«

Der Doktor mochte in der Tat über diesen Punkt selbst noch in einigem Zweifel sein, und es schien ihm am Geratensten, in dem begonnenen Ton fortzufahren und die Rolle des Angeklagten in die eines gekränkten Anklägers zu verwandeln. »Haben die Cherokee Boten zu uns hinuntergeschickt«, sagte er, »und uns in förmlicher und loyaler Weise Krieg erklärt? Wie konnten wir wissen, dass es Euch eingefallen sei, die alten beschworenen Bündnisse zu verletzen? Ich sage Euch, ich und meine Gefährten wollten hinauf nach Kentucky und waren nicht wenig erstaunt, uns plötzlich angefallen zu sehen. Es wäre demnach vernünftig und billig, alter Herr, wenn Ihr mich meines Weges ziehen ließet.«

»Es ist immer Krieg zwischen den roten und weißen Männern!«, versetzte Takannah mit grimmigem Stirnrunzeln. »Mein Bruder redet mit einer gespaltenen Zunge, aber es wird ihm nichts helfen. Soll Takannah sich betrügen lassen? Soll er vergessen, dass Ihr ihm die weiße Squaw geraubt habt, die ihm zum Schutz übergeben worden ist? Mein Bruder soll sagen, wohin seine Freunde sie geführt haben. Wenn sein Mund geschlossen ist, muss er sterben.«

Littlewood, dem die letzten Worte des immer mehr in Zorn geratenden Häuptlings ein unverständliches Rätsel waren, blickte in dem Kreis der Indianer umher, als hoffe er von ihnen eine Lösung des Problems zu erhalten. »Was redet Ihr da von einer weißen Squaw?«, sagte er kopfschüttelnd, »ich kümmere mich den Henker um rote oder weiße Weiber, und wenn Ihr den munteren Burschen da fragen wollt, der mich so sauber eingebündelt hat, so werdet Ihr ohne Zweifel erfahren, dass ich nicht in der Lage war, eine Eurer Schönheiten zu entführen.« Damit deutete Littlewood auf Watungo.

Da auch Takannah einen fragenden Blick auf den Jüngling richtete, gab dieser mit kurzen Worten einen Bericht über die Art und Weise, wie er in den Besitz seines Gefangenen gelangt war. Das Kanu, auf welchem der Hiwassee und der Doktor zur Insel übergesetzt waren, wo sie Laroche abgeholt hatten, war eine Strecke unterhalb derselben auf eine verborgene Klippe hinaufgerannt. Da jeder der Insassen vorerst auf seine eigne Rettung bedacht war, sah sich der unglückliche Doktor einige Minuten lang in einem wirbelnden Strudel herumgedreht und hatte bereits seine arme Seele dem Himmel empfohlen, als die krampfhaft umhertappenden Hände einen Rettungsanker in der Gestalt eines muskulösen Beines erfassten, dessen Eigentümer, mehr aus Neugierde als aus Großmut, dem Ertrinkenden in ruhigeres Fahrwasser hinüberlotse.

Zu spät entdeckte Doktor Littlewood, dass sein Schicksal nur verschoben, aber durchaus nicht gebessert sei, denn Watungo, der Anführer jener Streifpartie, welche, wie wir wissen, sich längs des Flussufers dem Versteck des Chevaliers und der Georgier genähert, hatte nicht sobald das Schießen und den Lärm der in hastiger Flucht zurückkehrenden Flottille vernommen, als er den so unvermutet im Wasser Gefangenen binden, rasch in alle vorrätige Decken einhüllen und auf den Schultern zweier rüstigen Indianer in dem Zustand, in welchen wir ihn gefunden hatten, zum Sammelplatz transportieren ließ.

Aus der Erzählung Watungos ging nun zwar hervor, dass der Gefangene an dem Überfall in der Schlucht keinen Anteil genommen hatte. Gleichwohl war Takannah nicht so kurzsichtig, um nicht von einer Verbindung Littlewoods mit den Entführern oder Befreiern Edistas überzeugt zu sein. Aber selbst abgesehen von diesem Umstand, wäre in seiner gegenwärtigen Gemütsstimmung die weiße Farbe des Doktors ein genügender Grund gewesen, ihn zum Opfer jener sinnreichen und entsetzlichen Qualen zu machen, mit welchen die Indianer ihre Gefangenen in den Tod senden, wenn nicht einerseits eine gewisse abergläubige Scheu, hervorgerufen durch das sonderbare Phänomen des doppelten Skalps, andererseits aber und mehr noch die Hoffnung, aus dem Doktor eine Angabe des Weges und Reisezieles seiner Gefährten durch Überredung oder Gewalt herauszupressen, den schlauen Häuptling vorläufig zu einem schonungsvolleren Verfahren veranlasst hätten.

»Es ist gut!«, sagte er kurz abgebrochen, »der Medizin-Mann soll in die Fußstapfen der Cherokee treten; er wird essen mit ihnen und an ihrem Feuer schlafen. Mein weißer Bruder ist klug und redet gute Dinge, er wird Takannah hinführen, wo die weißen Diebe sich verborgen haben.«

Damit erhob sich der Häuptling rasch, zum Zeichen, dass die Versammlung beendet sei. Von den Älteren des Stammes begleitet, an welche die übrige Schaar sich anschloss, verschwand er im Wald, hinter dessen dunklem Saum eben der glänzende Sonnenball langsam hinabstieg. Littlewood wusste nicht, wie ihm geschah, als er sich nun mitten unter dem Haufen befand, der schweigend, mehr gleitend als gehend unter dem finsteren Laubdach, dicht am Ufer eines rauschenden Gebirgsbaches hin, sich wie eine mächtige Schlange fortwälzte.

Weit voraus vor dem Zug waren die geschicktesten Kundschafter des Stammes eifrig bemüht, den Spuren der Europäer zu folgen. Wie schon der junge Indianer vor Takannah geäußert hatte, war es in der Tat nicht schwer, die Fußstapfen mehrerer Männer zu erkennen, solange der Boden sich noch mit weichem Gras oder elastischem Moos bedeckt zeigte. Als aber der ganze Trupp an einen Platz gelangte, wo der erwähnte Bach sich mit einem größeren Strom vereinigte, der im Laufe der Zeiten sich ein gewaltig breites, mit Felsblöcken und Geröll bis zur Hälfte ausgefülltes Bett gewühlt hatte, schloss Littlewood aus dem eifrigen Hin- und Hereilen der jüngeren und den ernsten Beratungen der älteren Krieger, dass die Spuren seiner Freunde hier ein plötzliches Ende genommen hatten. So war es in der Tat, und als die Nacht völlig hereingebrochen war, entflammten sich plötzlich zwanzig bis dreißig mächtige Feuerbrände, deren rote Glut die altersgrauen Riesenstämme und die rauschenden Kronen der Bäume mit einem fantastischen Lichte übergoss. Da Littlewood sich, wenigstens für den Augenblick, gewissermaßen ungefährdet erachten durfte und er sich überdies, ganz in der Mitte des Trupps von Watungo mit Argusaugen bewacht, jedes Fluchtgedankens entschlagen musste, so hüllte er sich mit stoischer Ruhe in den Mantel seiner Philosophie und überließ sich völlig den eigentümlichen Eindrücken, welche der romantische Nachtmarsch durch die Wildnis seinem empfänglichen Gemüt darbot. Durch mehrere künstlich gestellte Fragen war es ihm gelungen, von seinen Wächtern in Betreff des Chevaliers und der Übrigen wenigstens so viel zu erfahren, dass er dieselben für glücklich entronnen halten durfte. Nur die Entführung Edistas aus den Händen der Cherokee blieb ihm ebenso ein Rätsel, wie der Umstand, wie sie in die Gewalt derselben gekommen war. Übrigens blieb ihm keine Zeit zu weitläuftigen Konjekturen über den Zusammenhang all der Ereignisse, in die er sich seit seiner Abreise von Charleston verwickelt sah, denn ein lauter freudiger Ruf jenseits des Flussbettes, dem bald von einer entfernteren Stelle ein zweiter, dann mehrere folgten, verkündigte, dass die verloren gegangene Spur der Flüchtlinge aufs Neue entdeckt worden war.

Nachdem der Zug den Fluss passiert hatte, ging es nur langsam vorwärts und oft wurde ein längerer oder kürzerer Halt gemacht; denn dadurch, dass die vorausgeschickten Indianer fast kriechend und den Boden mit ihren Fackeln beleuchtend, die oft kaum merkbaren Zeichen, dass jemals ein menschlicher Fuß in dieser Öde gewandelt, zu entdecken versuchten, wurde natürlich die Eile des Marsches außerordentlich gehemmt – ein Umstand, der den braven Littlewood mit der lebhaftesten Hoffnung erfüllte, es werde den Verfolgten gelingen, einen hinlänglichen Vorsprung und damit Sicherheit und Rettung zu gewinnen.

So waren mehrere Stunden verflossen und Mitternacht mochte vorüber sein, als der Zug plötzlich aus dem Wald in eine freie Ebene hinaustrat, in deren Mitte ein kleiner, fast kreisförmiger See die Sterne des Himmels und den Glutschein eines hoch empor lodernden Feuers widerspiegelte, um welches sich ein Gewimmel dunkler Gestalten Dämonen gleich bewegte. Littlewood bemerkte, dass mehrere Männer – augenscheinlich Schildwachen – ihnen entgegenkamen. Nach einem stummen Austausch von Erkennungszeichen und Begrüßungen setzte sich ein Teil des Zuges, Takannah an der Spitze, zu dem Indianerlager in Bewegung, während ein anderer Haufen, ohne dem Lagerplatz mehr als einen flüchtigen Blick zu gönnen, die Verfolgung der Weißen fortsetzte und bald den Blicken der Zurückgebliebenen entschwand.

Littewood täuschte sich nicht, als er in dem anmutigen Platz eines jener festen indianischen Standquartiere zu erkennen glaubte, die allerdings nur in geringer Anzahl und oft hundert Meilen voneinander entfernt, der ungeheuren Wildnis einen schwachen Schein angehender Kultur verliehen. Die auf größere Festigkeit berechnete Bauart der Hütten und ein Gürtel reifende Maisfelder, der die straßenähnlich zum Seeufer ausgedehnten Wohnungen umgab, unterschied in der Tat den Ort deutlich genug von den flüchtigen, auf Kriegs- und Jagdzügen binnen wenigen Minuten aufgeschlagenen Feldlager der roten Stämme. Trotz der späten Stunde herrschte überall die größte Lebendigkeit. Frauen, Kinder und Hunde drängten sich lärmend auf dem freien Platz, in dessen Mitte, nahe an dem von gewaltigen Blöcken genährtem Feuer sich der große, von einer Umzäunung umgebene Council-Wigwam (Beratungshaus) erhob. Dorthin richtete Takannah, von den vornehmsten Paladinen des Stammes gefolgt, mit gravitätischem Ernst seinen Schritt und verschwand eben hinter dem aus bunten Fellen kunstreich zusammengenähten Türvorhang, als sich der Doktor, der die ganze Szene mit lebhaftem Interesse verfolgte, plötzlich zu seinem Leidwesen von Watungo und einem anderen Indianer kräftig am Arm gefasst und mit großer Schnelligkeit zu einer nahe gelegenen Hütte befördert sah, deren aus dickem Weidengeflecht bestehende Thür sich alsbald hinter ihm schloss und nur einem schwachen Schimmer des Mondlichts in das finstere, jeder Bequemlichkeit bare Gemach einließ.

Littlewood, der einen Augenblick vergessen hatte, dass er ein Gefangener war, schüttelte seufzend den Kopf. Eine Minute später konzentrierten sich seine Gefühle in der lebhaften Sehnsucht nach einer guten Mahlzeit, an die sein hungriger Magen und die erschöpften Kräfte ihn ernstlich erinnerten. Noch fünf Minuten später aber überwog ein Gedanke, energisch aufflammend und zum kühnen Handeln drängend, der Gedanke an Flucht, an schleunige Flucht aus den Händen der Barbaren alle anderen Empfindungen und veranlasste ihn zu einer sofortigen Untersuchung seines ungastlichen Haftlokales.

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